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Sie heißen PINK! Coach, optimune und PRO-React Onco und haben alle ein Ziel: Das Leben und den Alltag von Brustkrebs-Patient:innen leichter machen. Dazu zählt nicht nur die Linderung akuter Beschwerden, auch langfristige psychische oder psychosomatische Folgen der Erkrankung nehmen die Apps in den Fokus. Aktuell gibt es im Bereich Brustkrebs drei Apps auf Rezept im Angebotskatalog der sogenannten digitalen Gesundheitsanwendungen, kurz DiGA. Für Betroffene sind sie kostenlos – doch welchen Mehrwert können sie ihnen bieten?

Digitale Helfer sollen das Wohlbefinden verbessern

Alle drei Apps haben aktuell den Status „Vorläufig aufgenommen“. Das bedeutet: Sie haben den Nachweis eines positiven Versorgungseffekts noch nicht hinreichend erbracht, können dies aber während der Erprobung durch wissenschaftliche Nachweise ergänzen. Die DiGA richten sich gezielt an Frauen mit Brustkrebs, dennoch unterscheiden sie sich voneinander. PRO-React Onco wurde als erste DiGA im Brustkrebs-Bereich im Mai 2021 in Deutschland zugelassen. Entwickelt wurde sie als Forschungsprojekt im Rahmen klinischer Studien von der CANKADO GmbH und führenden Brustkrebsforscher:innen.

Das Prinzip der App: Betroffene können ihre Beschwerden eigenständig erfassen. Je nach Erkrankung und dem Stand der laufenden Therapie schlägt die App verschiedene Verhaltensweisen vor. Sie ordnet dabei auch ein, wie dringend die jeweiligen Beschwerden mit den behandelnden Ärzt:innen besprochen werden müssen. Ganz neu auf dem Markt ist der Anbieter jedoch nicht. „CANKADO kennen wir als digitales Patient:innentagebuch schon lange. Der Nutzen ist in klinischen Studien bewiesen worden“, sagt Dr. med. Jörg Schilling, Vorsitzender des Berufsverbands Niedergelassener und ambulant tätiger Gynäkologischer Onkologen in Deutschland (BNGO). Die Brustkrebs-DiGA PRO-React Onco sei dabei ein weiteres digitales Tool des Unternehmens.

Mit mehr Lebensqualität zum Therapieerfolg

Die App PINK! Coach ist seit Ende Juni 2022 als DiGA vorläufig zugelassen. Entwickelt wurde sie von der Ärztin und Psychotherapeutin Professorin Pia Wülfing in Zusammenarbeit mit weiteren Expert:innen. Mit PINK! Coach sollen Nutzer:innen ihre Lebensqualität und eigene Gesundheitskompetenz stärken können. Gleichzeitig soll die App helfen, psychische, psychosomatische und somatische Folgen einer Brustkrebserkrankung zu lindern. Ziel von PINK! Coach sei es, Patientinnen durch eine Anpassung der Gewohnheiten in den Bereichen Bewegung, Ernährung und Geist zu motivieren, selbst zum Therapieerfolg beizutragen, so die Hersteller:innen. „Zahlreiche Studien haben gezeigt, dass physische Aktivität, Normalgewicht und eine gesunde Ernährung sowie die mentale Gesundheit zu einer signifikanten Verbesserung der Lebensqualität, der körperlichen Leistungsfähigkeit und zur Reduktion therapiebedingter Nebenwirkungen wie zum Beispiel Fatigue und Depression führen“, sagt Wülfing.

Direktes Feedback per Chat

Die App vermittelt täglich wechselnde Ziele, um Patient:innen zu motivieren und zu fordern – ohne sie zu überfordern, so die Idee. Neben dem Fokus auf dem eigenen Beitrag zur Therapie hebt der BNGO-Vorsitzende Jörg Schilling zudem eine weitere Funktion der DiGA hervor. „Interessant ist, dass die Patientinnen über eine Chatfunktion mit Expert:innen Kontakt aufnehmen können und hier beraten werden“, sagt der Frauenarzt.

Seit Mitte Juli 2022 im DiGA-Verzeichnis eingetragen ist optimune der GAIA AG. Die App ist – anders als PRO-React Onco und PINK! Coach – nicht in den gängigen App-Stores, sondern lediglich als Webanwendung verfügbar. Patient:innen können sich per Registrierungscode auf der Webseite des Unternehmens anmelden und das Programm somit von überall nutzen. Die App richtet sich an Patient:innen, die ihre Erstbehandlung abgeschlossen haben, 18 Jahre oder älter sind und in der Nachbehandlung Unterstützung bei Fragen des täglichen Lebens benötigen. Das Konzept von optimune wurde von der GAIA AG zusammen mit dem Leibniz-Institut für Arbeitsforschung an der TU Dortmund (IfADo) des Forschungsbereichs Immunologie entwickelt.

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Hilfe bis zu fünf Jahre nach abgeschlossener Therapie

Hauptthemengebiete von optimune sind Sport und Bewegung, Ernährung, psychisches Wohlbefinden und Schlaf. In diesen Bereichen erhalten die Patientinnen Informationen, Übungen und Audios. Die Anwendung ist wie ein Dialog aufgebaut: Es werden Informationen und Übungen präsentiert, auf die Nutzer:innen eine passende Antwort auswählen können. Optimune reagiert darauf und passt alle folgenden Inhalte entsprechend an.

„Insgesamt basiert das Programm auf der kognitiven Verhaltenstherapie mit dem Ziel, neue Gewohnheiten auch langfristig in den Alltag zu integrieren, für ein gesünderes und immunstarkes Leben“, sagt Eva Marten, die als Psychologische Psychotherapeutin tätig ist und als Medical Advisor auch für GAIA arbeitet. Brustkrebs-Erkrankungen sind nicht nur während der akuten Krankheitsphase kraftraubend: Die Angst vor einem Rückfall und begleitet Betroffene oft ein Leben lang. Optimune kann deswegen bis zu 5 Jahre nach beendeter Therapie verordnet werden, beispielsweise wenn sich Betroffene immer noch unsicher, ängstlich oder niedergeschlagen fühlen.

Nur als Unterstützung und Ergänzung empfehlenswert

Welchen medizinischen Nutzen die verschiedenen DiGA-Angebote für Betroffene haben, wird von den Herstellern fortlaufend dokumentiert und erhoben – auch, um künftig dauerhaft in das DiGA-Verzeichnis aufgenommen zu werden. Der BNGO-Vorsitzende Schlling bewertet alle drei Apps bereits jetzt grundsätzlich als eine Bereicherung. Die DiGA seien als zusätzliche Ergänzung zur ärztlichen Betreuung und Nachsorge durchaus empfehlenswert – unter einer Voraussetzung. „Problematisch kann es werden, wenn sich das Ganze verselbstständigt und die Patient:innen sich nur auf den Rat der App verlassen“, mahnt der Arzt. Um dem entgegenzuwirken, haben zwei Apps bereits vorsorgliche Mechanismen eingebaut. „Bei Cankado und Pink werden die Patient:innen darauf aufmerksam gemacht, dass sie in bestimmten Situationen ärztliche Hilfe in Anspruch nehmen müssen. Das ist wichtig, um schwere Komplikationen nicht zu übersehen“, sagt Schilling.

Aktiv nach DiGAs fragen

Richtig angekommen im Arbeitsalltag von Onkolog:innen sind die digitalen Therapie-Ergänzungen noch nicht, so die Einschätzung des BNGO-Vorsitzenden Schilling. „Ich denke, wir wissen alle, was eine DiGA ist, aber wir setzen sie bei den onkologischen Patientinnen noch nicht so häufig ein, zumindest nicht in der Regelversorgung in der gynäkoonkologischen Praxis“, sagt Schilling. Sollten Patient:innen von ihren behandelnden Ärzt:innen nicht automatisch auf die App-Angebote aufmerksam gemacht werden, raten auch die Hersteller selbst aktiv zu werden: nachfragen, ansprechen und Informationen einfordern lautet hier die Devise.

Hilfe auch für Angehörige

Wenn Menschen an Brustkrebs erkranken, belastet das oft nicht nur sie selbst: Auch Angehörige durchleben Höhen, Tiefen und viele Unsicherheiten. Ein Angebot hat diesen Aspekt bewusst mitgedacht. Denn während sich die App PINK! Coach lediglich an Patient:innen selbst richtet, können sich Partner:innen, Freunde und Familie auf der Webseite des Unternehmens umfassend informieren und sich ihrerseits Hilfe suchen.

Künftig könnten die teils noch jungen DiGAs einen festen Platz als ergänzende Behandlung von Brustkrebs:patientinnen übernehmen – insbesondere angesichts der Zeit- und Personalknappheit in der ärztlichen und pflegerischen Versorgung, glaubt der BNGO-Vorsitzende Schilling. Die Angebote stehen kostenfrei und zusätzlich zu anderen laufenden Behandlungen per Kassenrezept zur Verfügung. Betroffenen bietet das die Möglichkeit auszuprobieren, welche DiGA am besten zu ihren Bedürfnissen passt, um ihren Alltag möglicherweise wieder ein wenig leichter zu machen.

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