Logo der Apotheken Umschau

Frau Professorin Schütz, was versteht man unter Selbstliebe?

Selbstliebe ist eng mit den Begriffen Selbstwert und Selbstmitgefühl verknüpft. Der Selbstwert ist die Einschätzung, die wir von uns haben. Ob wir uns zum Beispiel positiv beurteilen und mit uns zufrieden sind. Das Selbstmitgefühl ist etwas spezifischer und ist vor allem in Situationen relevant, in denen etwas nicht gut läuft.

Woran erkennt man, ob man mitfühlend mit sich selbst umgeht?

Mitfühlende Menschen sind in der Lage, freundlich mit sich umzugehen – auch, wenn mal etwas schiefläuft. Das heißt nicht, dass es einem egal ist, wenn etwas misslingt. Aber man hat in solchen Situa- tionen eine mitfühlende Haltung sich selbst gegenüber, trotz kleiner Fehler. Ähnlich wie man sie auch einer guten Freundin oder ei- nem guten Freund gegenüber hätte. Wenn diese einen Fehler machen, sagen die meisten ja auch nicht, du bist ein Versager, du bist wertlos. Mitfühlende Menschen wissen, dass niemand perfekt ist.

Wären wir denn gerne perfekt?

Es ist schon so, dass wir derzeit eine Bewegung der Selbstoptimierung erleben, mit perfektem Styling, perfektem Zeitmanagement oder einer optimierten Fitnessroutine. Wir stellen hohe Ansprüche an uns selbst. Der Leistungsdruck ist in unserer Gesellschaft sehr stark ausgeprägt. Diese Tendenz in Richtung Perfektionismus steht einer selbstmitfühlenden Haltung gegenüber. Denn Selbstmitgefühl bedeutet ja, es zuzulassen, nicht perfekt zu sein. Diese Haltung besagt, dass es in Ordnung ist, wenn man Schwächen hat.

Warum ist ein gesunder Selbstwert wichtig?

Selbstmitgefühl speist sich vor allem aus einem stabilen und gesunden Selbstwert, der wiederum eine wichtige Säule psychischer Gesundheit ist. Niedriger Selbstwert wird zum Problem werden, wenn wir uns Herausforderungen nicht zutrauen. Wenn ich mich zum Beispiel für einen Job bewerbe und mir sage, die nehmen mich ja sowieso nicht, dann stelle ich mir selbst ein Bein, weil ich mit einer Haltung antrete, die es weniger wahrscheinlich macht, dass es klappt. Tiefe Selbstzweifel können auch soziale Beziehungen torpedieren, wenn Menschen nicht glauben können, dass andere sie mögen und wertschätzen. Wenn eine Beziehung aber immer wieder infrage gestellt wird, kann sie dadurch Schaden nehmen.

Inwiefern unterscheidet sich Selbstliebe von Narzissmus?

Beim Narzissmus geht es nicht darum, sich selbst so zu akzeptieren, wie man ist. Im Gegenteil: Menschen mit narzisstischen Tendenzen fällt es schwer, Schwächen bei sich selbst zu sehen. Sie haben ein überhöht positives Bild von sich und reagieren sehr empfindlich und teilweise auch aggressiv auf Kritik. Das ist bei einem liebevollen Umgang mit sich selbst nicht der Fall. Einen gesunden Selbstwert zu haben bedeutet, dass man eigene Fehler und Schwächen sehen kann, das aber nicht zu einer Abwertung der eigenen Person führt. Gleichzeitig kann man akzeptieren, dass auch andere Menschen Fehler und Schwächen haben.