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Frankfurt am Main, 11 Grad, der Wind bläst aus allen Richtungen und es schüttet. Vor dem Hauptgebäude des Hessischen Rundfunks springen Kinder in Pfützen, als sich plötzlich ein paar Sonnenstrahlen ihren Weg durch die Fensterscheiben im Funkhaus bahnen. Dann kommt Sven Plöger an. Neongelber Helm, Jeans, Nickelbrille, Fahrrad an der Hand. „Entschuldigung, ich bin etwas zu spät, ich wollte den Schauer noch kurz abwarten, bevor ich losradle“, sagt er und lächelt dabei genauso freundlich wie in den Tagesthemen. Der Mann vom Wetter ist da. Wir müssen reden.

Herr Plöger, was war das denn gerade? Erst Platzregen, jetzt Sonne?

Na ja, das ist so: Es gibt da eine Atmosphäre und in der Atmosphäre sind ganz viele Teilchen unterwegs, die sich bewegen. Und da ist Wasserdampf, der kann kondensieren. Und wenn es wie heute oben sehr kalt ist und unten warm, dann nennen wir Meteorologen die Lage labil.

Aha.

Zu kompliziert?

Na ja, klingt ein bisschen nach Physik­unterricht …

(lacht) Sagen wir mal so: Meteorologie heißt ja übersetzt Physik der Atmosphäre. Das heißt, man will beschreiben, was in der Atmosphäre passiert, und nicht nur sagen, ob einem die Wolke gefällt oder nicht.

Na gut. Die Wetterlage ist also labil …

Richtig. Und das führt dazu, dass sich diese kleinräumigen Schauer und Gewitter bilden. Neben den Schauern sinkt die Luft ab und die Wolken lösen sich auf. Und dann haben wir heute, obwohl Herbst ist, dieses typische Aprilwetter. Sehr schön!

Das finden Sie sehr schön?

Eines meiner absoluten Lieblingswetter! Die Luft ist schön, klar, sauber. Dieses gleißende Licht, dann wieder diese aufregende Wolke, möglicherweise sogar ein Graupelschauer! Und diese Windböen …

Passiert Ihnen das eigentlich oft, dass Leute Sie auf der Straße ansprechen und nach dem Wetter fragen?

Ziemlich oft. Ich glaube, ich habe einen gewissen Wiedererkennungswert. Früher musste ich immer lachen, weil die Moderatoren alle gleich aussahen. Die hatten volles Haar und keine Brille. Ich habe schon am Anfang gedacht: Da passt du ja nur teilweise dazu. Also ja, ich werde wirklich zigmal am Tag gefragt, wie das Wetter wird.

Und was antworten Sie dann?

(lacht) Wechselnd bewölkt mit einzelnen Schauern und kurzen Aufhellungen. Manchmal sage ich noch: zwischen minus 12 und plus 38 Grad. Schwacher bis mäßiger, in Böen starker bis stürmischer Wind aus unterschiedlichen Richtungen.

Stimmt immer …

Genau. Aber im Ernst: Was ich merke, ist, dass das Klima-Thema für die Menschen mittlerweile das relevantere Thema ist. Die Leute wollen das Wetter einordnen und sagen: Wie geht das weiter mit der Hitze? Wir brauchen doch Regen! Und die Anschlussfrage: Dieses Wetter ist doch jetzt Klimawandel, oder? Viele wissen natürlich auch, dass das Thema mein Steckenpferd ist.

Sven Plöger und unsere Redaktuerin Julia Schulters beim Interview im Hessischen Rundfunk in Frankfurt.

Sven Plöger und unsere Redaktuerin Julia Schulters beim Interview im Hessischen Rundfunk in Frankfurt.

Wie ist es eigentlich dazu gekommen?

Ich habe 1999 Sturm Lothar auf 1100 Meter Höhe in den Alpen erlebt. Das war unglaublich. Ich sah, wie ein Drittel des Waldes vor meiner Nase umstürzte und ich mich in ­einer Böe von 180 Stundenkilometern befand. Das hat mich zum Nachdenken gebracht: Warum sind die Kräfte jetzt so stark? Ändert sich was? Von da an habe ich mich intensiv mit dem Thema beschäftigt.

War Ihnen damals schon klar, wo wir heute stehen würden?

Ich habe das schon kommen sehen. Jedenfalls habe ich den Trend, in welche Richtung das geht, verstanden. Tatsache ist, dass der Klimawandel sogar noch schneller voranschreitet, als es die progressivsten Modelle vor 30, 40 Jahren vorhergesagt haben.

Dafür hat es aber ganz schön lange ­gedauert, bis das Thema endlich in der breiten Öffentlichkeit Beachtung ge­funden hat …

Das stimmt. In der Gesellschaft, in den Medien ist der Klimawandel erst Thema geworden, als er fühlbar wurde. Als wir die Hitzewellen hatten, Flutkatastrophen, Extremwetterlagen. Das Problem ist leider immer: Von unserem Wissen über seine Verbreitung weiter zum Reden und bis zum Handeln dauert es einfach viel zu lange.

Wie wird es der Erde gehen, wenn wir so weitermachen wie bisher?

Für mich ist das ganze Erdsystem, in dem alles miteinander verzahnt ist, im Grunde ein Organismus. Wenn dieser Organismus seinen Zustand massiv verändert, ist er krank. Aber der Klimazustand ist dem Planeten egal, der kommt mit allem klar. Wir müssen begreifen: Der Planet braucht uns nicht, wir brauchen ihn. Wir haben ja alles nach den Bedingungen, wie sie einst waren, strukturiert. Wenn die sich ändern, wird das vor allem für uns problematisch.

Wir müssen begreifen: Der Planet braucht uns nicht, wir brauchen ihn.

Macht Ihnen das Angst?

Ich würde sagen, große Sorgen. Weil ich sehe, was zu erwarten ist. Weil ich das ausrechnen kann und weil ich weiß, dass die Physik sich nicht für unsere Wünsche interessiert. Was mich aber am meisten besorgt, ist die menschliche Bräsigkeit. Die ist unendlich hoch.

Wie meinen Sie das?

Ich komme mir immer vor wie in diesen Weltrettungsfilmen. Da geschehen am Anfang immer nur seichte Belanglosigkeiten – bevor die Stimmung kippt. Und man sitzt davor und denkt: Ja, meine Güte, merken diese Protagonisten denn nicht, wo sie gerade stehen?

Klingt nach uns Menschen …

Genau. Auch wir werden es immer mehr merken. Ich würde mir nur wünschen, dass wir es sofort begreifen und es nicht so viel Extremwetter braucht, nicht so viel Leid.

Was sollten wir Ihrer Meinung nach tun?

Wenn ich jetzt sage, dass es besser ist, Fahrrad als Auto zu fahren, ist das keine ganz neue Erkenntnis. Es gibt genug Ratgeber mit tollen Ideen. Ich sage immer: kaufen, ­lesen, machen. Mich interessiert aber vor ­allem, was wir auf der großen Bühne machen können.

Hätten Sie einen Vorschlag?

Wenn man eine Marktwirtschaft erzeugen könnte, die nach dieser Regel funktioniert: Derjenige, der die Umwelt verschmutzt, kann nicht reicher werden als der, der sie sauber hält – dann könnten wir aus dem Klimaschutz ein Jahrhundertgeschäft machen. Und so etwas brauchen wir, damit wirklich alle und nicht nur die Idealisten mitziehen. Außerdem macht uns zähe Bürokratie quasi zu Schildbürgern. Wir sagen, dass wir noch fünf bis zehn Jahre Zeit haben, weltweit umzusteuern, und erlauben uns dann zwölf Jahre für die Genehmigung eines einzigen Windparks. Völlig verrückt!

Aber das sind alles große Rahmenbedingungen. Was bringen die kleinen Dinge, die jede und jeder tun kann?

Wir brauchen ja beides. Wir sind in einem Klimazustand, in den wir uns selbst gebracht haben. Das waren ja auch ganz viele kleine Schritte bis dahin – und nicht eine einzelne Aktion. Klein mal acht Milliarden Menschen ist groß. Der Satz „Mein Anteil ist so klein, der spielt keine Rolle“ ist immer falsch.

Sie sind also optimistisch, dass wir noch was erreichen können?

Das 1,5-Grad-Ziel bei der Erderwärmung werden wir wohl leider reißen. Aber solange die Wissenschaft sagt, unter zwei Grad sind zu schaffen, bleibe ich optimistisch. Die Hoffnung aufzugeben wäre ja auch unfair unseren Kindern und Enkeln gegenüber. Dann könnten wir alle Aktivitäten einstellen. Mit der Haltung „Das schaffen wir sowieso nicht“ haben wir sicher keine Chance. Also weniger über Probleme und mehr über Lösungen reden!

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