Was bringt Chiropraktik?
Am wirksamsten gilt Chiropraktik bei plötzlich auftretenden Beschwerden. „Jeder kennt es, wenn man morgens aufwacht und plötzlich nicht mehr richtig atmen oder sich bewegen kann“, beschreibt Prof. Dr. Johannes Beckmann vom Krankenhaus Barmherzige Brüder in München die Symptome. Die Therapieform könne dann oft mit einer gezielten äußeren Einwirkung eine Verspannung auflösen, so der Chefarzt für Orthopädie und Unfallchirurgie. „Wärmflasche und Schmerzmittel wirken ähnlich, brauchen aber viel länger für dasselbe Ergebnis.“
Chiropraktik als wirksame manuelle Therapie
Eben diese Geschwindigkeit macht Manuelle Therapie zu einem „wertvollen Werkzeug in einem Strauß an nicht-operativen Maßnahmen“, bestätigt auch Prof. Dr. Tobias Renkawitz, Ärztlicher Direktor der Universitätsklinik für Orthopädie und Unfallchirurgie in Heidelberg. In der Fußball-Bundesliga etwa werden die Methoden der Manuellen Therapie häufig angewendet. Schließlich muss es einfach schnell gehen, einen Athleten wieder fit zu machen.
Chiropraktik ist eine Manuelle Therapie. Behandelt wird also mit den Händen. Das Ziel: Beschwerden wie Rücken- oder Gelenkschmerzen mithilfe spezieller Griffe zu kurieren. Die Chiropraktikerin oder der Chiropraktiker braucht in Deutschland eine Zulassung als Heilpraktiker und eine entsprechende Zusatzausbildung. Bei der ähnlich klingenden Chirotherapie ist ein abgeschlossenes Medizinstudium nötig – ebenfalls mit Spezialisierung.
Chiropraktische Behandlung im Halsbereich kritisch
Es wurden Fälle beschrieben, in denen Chiropraktik zu Lähmungserscheinungen und Gefühlsstörungen geführt hat. In Einzelfällen soll es durch Manipulation im Halsbereich zu schweren Komplikationen wie Gefäßrissen und Einblutungen bis hin zum Schlaganfall gekommen sein. Allerdings sind Zusammenhänge nie wirklich wissenschaftlich in größeren Studien belegt worden. Das bedeutet: Es ist gut möglich, dass die aufgetretenen Beschwerden nichts mit der Manuellen Therapie zu tun hatten.
„Grundsätzlich sehen Experten die chiropraktische Behandlung von Beschwerden im Halsbereich kritisch, denn insbesondere dort darf man nicht mit Kraft vorgehen“, gibt Mediziner Beckmann zu bedenken. Sollte also ein übereifriger Chiropraktiker auf einen vorgeschädigten Patienten treffen, so kann dies theoretisch einen Bandscheibenvorfall bis hin zu Lähmungserscheinungen auslösen. „Dafür bräuchte es aber schon Kraft und Vorschäden“, räumt Beckmann ein. Mit korrekter Technik sei es unwahrscheinlich.
Manuelle Therapien nicht immer wirkungsvoll
Es lohnt der Umweg über Hausarzt- oder Orthopädiepraxis: „Dort können Warnsignale untersucht werden, die eine Manuelle Therapie gegebenenfalls ausschließen“, so Renkawitz. Er rät Betroffenen, Chiropraktik nicht als einziges Werkzeug zur Genesung einzusetzen: „Chiropraktik ist eine passive Maßnahme. Bei Rückenschmerzen ist vor allem ein tägliches, aktives Bewegungsprogramm von entscheidender Bedeutung.“
Und manchmal sind manuelle Maßnahmen wie Chiropraktik oder Chirotherapie zwar nicht gefährlich, bleiben aber schlicht wirkungslos. So zeigte eine klinische Studie zu Schmerzen im unteren Rücken, dass manuelle Eingriffe hier weder deutlich helfen noch größere Nebenwirkungen auslösen.
Finger weg! Wann Chiropraktik nicht in Frage kommt
Bei folgenden Erkrankungen gibt es ein klares NEIN für Manuelle Therapie oder es braucht unbedingt die Abklärung durch die Hausärztin oder den Hausarzt
- Nein bei frischen Verletzungen/Knochenbrüchen und direkt nach einer OP
- Nein bei Entzündungen an den Gelenken, Tumoren oder Osteoporose. Auch Nervenreizungen sind ein Ausschlussgrund
- Abklärung möglicher angeborener Fehlstellungen
- Bei körperlicher Behinderung können die Gelenke instabil sein, so Orthopäde Beckmann: „Dann besteht das Risiko, dass die Eingriffe in den Gelenken Schaden anrichten.“
- Bei Bandscheibenvorfall kann ein chiropraktischer Eingriff die Symptome eventuell verstärken.
Vorab beraten lassen
Zur Orientierung: Wer Chiropraktik in Anspruch nehmen will, sollte sich vorab von Arzt oder Ärztin das Okay geben lassen. Des Weiteren muss ein grundsätzliches Vertrauen zu den Behandelnden bestehen: „Patienten sollten etwa darauf achten, ob sie der Therapeut zur Behandlung drängen will“, sagt Beckmann. „Gute Zeichen sind dagegen, wenn er intensiv nachfragt und andere Dinge ausschließen will.“
Die Kosten für Chiropraktik werden aktuell nicht einheitlich von gesetzlichen und privaten Krankenkassen übernommen. Manche Kassen zahlen Manuelle Therapie, zu der die Chiropraktik zählt, nur unter der Bedingung, dass ein Arzt oder eine Ärztin mit Zusatzausbildung die Behandlung übernimmt.
Quellen:
- Rainer Thiele: Chiropraktische Behandlung bei unteren Rückenschmerzen, Eine Übersichtsarbeit mittels randomisierter kontrollierter Studien. Springer Link: https://link.springer.com/... (Abgerufen am 01.11.2023)
- Barmherzige Brüder Krankenhaus München: Prof. Dr. Johannes Beckmann, Klinik für Orthopädie und Unfallchirurgie. Online: https://www.barmherzige-muenchen.de/... (Abgerufen am 01.11.2023)
- Rainer Thiele: Chiropraktische Behandlung bei unteren Rückenschmerzen, Eine Übersichtsarbeit mittels randomisierter kontrollierter Studien. Springer Link: https://link.springer.com/... (Abgerufen am 01.11.2023)