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Die Digitalisierung hat das Dating-Erlebnis verändert. Zwar bieten Plattformen wie Tinder, Parship, Elitepartner oder Lovoo eine breite Auswahl an potenziellen Partnern und Partnerinnen, gleichzeitig steigt auch die Herausforderung, den richtigen „Deckel“ in diesem überfüllten Markt zu finden.

Im Jahr 2023 nutzten laut Statista fast zehn Millionen Menschen Online-Dating-Dienste. Mehr als die Hälfte von ihnen sucht nach einer festen Partnerschaft. Doch das ständige Wischen über das Smartphone ohne Erfolg in der Liebe kann frustrieren und auslaugen. Das ergab die erste Studie zum Thema Online-Dating-Burnout.

Prof. Dr. Wera Aretz lehrt an der Hochschule Fresenius in Köln unter anderem das Thema Digital Psychology

Prof. Dr. Wera Aretz lehrt an der Hochschule Fresenius in Köln unter anderem das Thema Digital Psychology

Wir haben mit Dr. Wera Aretz, Psychologie-Professorin an der Hochschule Fresenius in Köln, und Leiterin der Studie gesprochen, wie sich diese neue Form des Ausgebranntseins äußert und welche Alternativen es für Betroffene gibt, um glücklich zu werden.

Frau Prof. Dr. Aretz, wie sind Sie darauf gekommen, zu untersuchen, ob Online-Dating krank macht?

Wera Aretz: Es gab zwei Gründe: Erstens habe ich 2010 das erste Mal eine Studie zum Online-Dating gemacht und mich hat nun interessiert, wie sich die Erfahrungen der Nutzer in den Jahren verändert haben. Und zweitens habe ich immer wieder gelesen, dass Dating-Nutzer von Burnout-Symptomen berichten, aber es gab keine wissenschaftlichen Belege. Das hat meine Neugier entfacht.

Insgesamt haben Sie knapp 2500 Menschen zum Online-Dating befragt. Wie haben Sie die gefunden?

Aretz: Wir haben ein Panel genutzt, in sozialen Netzwerken auf unsere Studie aufmerksam gemacht und hatten das Glück, dass einige Zeitungen auf unsere Datenerhebung aufmerksam gemacht haben. Die Stichprobe setzt sich aus aktiven Nutzern und Nichtnutzern zusammen. Das haben wir mit Absicht so gemacht. Wir wollten verstehen, ob es Unterschiede im Selbstwertgefühl gibt, die dann möglicherweise einen Einfluss auf die Symptome haben.

Was sind denn die häufigsten Symptome?

Aretz: Zuallererst muss man wissen: Viele verschiedene Symptome kreieren das Burnout-Syndrom. Es gibt drei Aspekte: Erstens das Gefühl, emotional erschöpft zu sein, zweitens fühlen sich Betroffene depersonalisiert oder entwickeln Zynismus und drittens sind sie weniger leistungsfähig und resignieren schließlich.

Übertragen auf Online-Dating bedeutet das was?

Aretz: Die Nutzer sagten, sie seien hoffnungslos, frustriert und traurig. Es gibt die körperliche Ebene. Dort treten alle möglichen Stresssymptome auf. Zum Beispiel Verspannungen, Appetitlosigkeit und Kopfschmerzen. Und dann gibt es die kognitive Ebene. Viele fragten sich, was sie falsch machen, hatten Selbstzweifel und sehen parallel die Erfolgserlebnisse der anderen. Das frustriert und macht mürbe.

Es ist ja immer wieder dasselbe: Man swipt, man schreibt, man wird geghostet

Wo sehen Sie denn die Gründe dafür?

Aretz: Am häufigsten berichteten die Studienteilnehmer und -teilnehmerinnen von Monotonie. Es ist ja immer wieder dasselbe: Man swipt, man schreibt, man wird geghostet. Und trotzdem macht man weiter, aus Angst anders niemanden kennenlernen zu können. Außerdem gibt es manchmal auch wieder gute Phasen. Das heißt, es ist ein bisschen wie beim Glücksspiel. Wenn es gut läuft, ist man euphorisiert, wenn es schlecht läuft, am Boden zerstört.

Wie viele Menschen leiden denn an dieser Form des Burnouts?

Aretz: Wir haben bei unserer Untersuchung extra nur extreme Burnout-Symptome herausgegriffen. Die Gruppe, die hohe Messwerte hatte, war klein. Nur 14 Prozent. Aber dann habe ich mich gefragt, was das bezogen auf die Gesamtheit aller Menschen, die Online-Dating regelmäßig nutzen, bedeutet. Das ist dann doch eine große Gruppe an Personen, die nicht zu unterschätzen ist.

Je niedriger der Selbstwert, umso höher die Gefahr für ein Dating-Burnout

Wer ist besonders betroffen oder gefährdet?

Aretz: Das konnten wir sehr gut eruieren. Selbstwert und Bindungsstil spielen eine Rolle. Je niedriger der Selbstwert, umso höher die Gefahr für ein Dating-Burnout. Dazu kommt, dass man beim Onlinedating auf mehr Personen mit einem ängstlich-vermeidenden Bindungsstil trifft als im realen Leben.

Was heißt das?

Aretz: Personen mit diesem Bindungsstil verspüren einerseits ein starkes Verlangen nach Nähe, andererseits bereitet ihnen Intimität auch Angst. Die Ursachen sind noch nicht ausreichend erforscht. Anzunehmen ist, dass es Menschen mit Bindungsangst leichter fällt, sich über Dating-Apps zu nähern, weil sie sich so Schritt für Schritt auf eine andere Person einlassen können. Es ist jedoch auch möglich, dass die Bindungsangst durch die Nutzung von Dating-Apps verstärkt wird und aus dem ständigen Gefühl der Ablehnung sowie dem wiederholten Ghosting auf diesen Plattformen resultiert.

Was hat Sie besonders überrascht?

Aretz: Zwei Dinge: Das eine war, dass es beim Ausmaß des Dating-Burnouts keinen Unterschied zwischen Männer und Frauen gibt. Auch das Alter spielt keine Rolle. Das andere ist, dass der große Unterschied, die Erfahrungen sind, die Männer und Frauen jeweils beschreiben. Frauen nervt die Monotonie des Swipens. Männer berichten von der Frustration durch mangelnden Erfolg.

Und wie lässt sich Online-Dating-Burnout vorbeugen?

Aretz: Ich glaube, es ist total wichtig, sich klarzumachen, dass die digitale Welt trügerisch und projektiv ist. Man gibt sich viel zu schnell Fantasien hin und hat unrealistische Vorstellungen von dem, mit dem man gerade schreibt. Deshalb rate ich dazu, sich schneller zu treffen und nicht ewig rumzuschreiben. Außerdem muss man aktiv seine Nutzungszeit begrenzen. Eben nicht von morgens bis abends an der App kleben und auch das permanente Swipen unterbinden. Das wahre Leben findet offline statt.

Leben ist das, was passiert, wenn man offline ist.

Welche Alternativen haben eher Aussicht auf Erfolg, um Menschen näher kennenzulernen?

Aretz: Leben ist das, was passiert, wenn man offline ist. Gerade in Großstädten gibt es mittlerweile viele organisierte Single-Aktivitäten. Sie reichen von Speed-Dating-Events über gemeinsames Kochen bis zu Ausflügen. Offline. Vor kurzem fand beispielsweise in Köln eine Single-Nacht im Kölner Zoo statt, die sehr schön gewesen sein soll.

Was empfehlen Sie ganz konkret?

Aretz: Wer Lust hat, sich ins wahre Leben zu stürzen, dem empfehle ich die Angebote der eigenen Städte online zu checken. Zudem gibt es Portale, die speziell auf Singles ausgerichtet sind. meet5.de oder meetup.de zum Beispiel. Hier kann man sich online vernetzen, um sich offline bei gemeinsamen Aktivitäten kennenzulernen. Darüber hinaus feiert Speed-Dating ein Comeback. Unter speeddating.de kann man nach passenden Veranstaltungen in mehr als 40 Städten suchen. Und timeleft.com veranstaltet wöchentliche Abendessen auf der ganzen Welt.

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Quellen:

  • Aretz W: Hate to date?, Eine explorative Studie zum Burnout-Syndrom im Dating-Kontext. Journal of Business and Media Psychology : https://journal-bmp.de/... (Abgerufen am 26.08.2024)
  • Statista: Online-Dating: Daten und Fakten zur Partnersuche über das Internet. Online: https://de.statista.com/... (Abgerufen am 26.08.2024)
  • Statista Research Department: Prognose zur Anzahl der Online-Nutzer für Dating Services in Deutschland für die Jahre 2021 bis 2028. Online: https://de.statista.com/... (Abgerufen am 26.08.2024)
  • bitkom: Online-Dating: Ein Drittel wünscht sich KI-Beratung. Online: https://www.bitkom.org/... (Abgerufen am 26.08.2024)