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Eine ungewollte Schwangerschaft kann für die betroffenen Frauen eine große Last sein. Welche Erfahrungen Betroffene in Deutschland machen, hat die Studie „CarePreg“ untersucht. Dabei hat sie vor allem die Schwangerschaftsberatung und die medizinische Versorgung in den Blick genommen. Die vom Bundesministerium für Gesundheit geförderte Studie endet im Juli 2024. Am 27. Juni wurden die Ergebnisse präsentiert. Die Psychologin und psychologische Psychotherapeutin Dr. Jördis Zill vom Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf, hat die Studie geleitet. Mit der Apotheken Umschau hat sie bereits im Voraus über die wichtigsten Ergebnisse gesprochen.

Frau Dr. Zill, Sie haben mit Ihrer Studie „CarePreg“ untersucht, welche Erfahrungen ungewollt Schwangere in Deutschland machen. Wenn eine Frau ungewollt schwanger ist, was macht das mit der Betroffenen?

Jördis Zill: An einer ungewollten Schwangerschaft haftet stets ein Konflikt. Ein Kind ist in der jeweiligen persönlichen Situation nicht gewollt oder zumindest nicht geplant. Wenn die Betroffenen dann feststellen, dass sie schwanger sind, fühlen sich viele hilflos, überfordert bis verzweifelt. In unserer Studie haben 70 Prozent der Befragten Gefühle von Angst und Traurigkeit beschrieben und knapp die Hälfte Scham- und Schuldgefühle. Auch die Konstellation in der Partnerschaft spielt eine Rolle. Teilt man die Gefühle? Oder kommt es zum Streit, weil es unterschiedliche Wünsche bezüglich des Austragens der Schwangerschaft gibt? Einige stellen mitunter erst in dieser Situation fest, dass ein Schwangerschaftsabbruch per Gesetz als Straftat gilt.

Dr. Jördis Zill, Studienleiterin von CarePreg

Dr. Jördis Zill, Studienleiterin von CarePreg

Straffrei ist eine Abtreibung in Deutschland nur unter bestimmten Voraussetzungen.

Zill: So ist es. Nahezu alle Betroffenen müssen eine Reihe von Stationen durchlaufen. Das beginnt mit der Feststellung der Schwangerschaft. Dann müssen sie eine Beratungsstelle aufsuchen, die einen Beratungsschein ausstellt. Nur mit diesem Schein darf in einer Praxis oder einer anderen medizinischen Einrichtung der Schwangerschaftsabbruch durchgeführt werden. Das alles muss innerhalb der ersten zwölf Wochen nach der Befruchtung geschehen. Die Mehrheit empfindet die aktuelle Regelung als belastend. Wir müssen hier aber zwischen Regelung und Beratung unterscheiden. Mit der Beratung selbst war der Großteil sehr zufrieden. Viele waren auch positiv überrascht.

Gibt es auch Unterstützungsangebote, an die man sich wenden kann, ohne dass das Ziel ein Beratungsschein beziehungsweise eine Abtreibung ist?

Zill: Auch dann sind die staatlich anerkannten Beratungsstellen, die einen Schein ausstellen können, gute Anlaufstellen. Dort können sich Betroffene im Rahmen ihrer ungewollten Schwangerschaft auch mehrmals beraten lassen, auch nach dem Abbruch. Doch das wissen viele der Betroffenen nicht.

Ein Schwangerschaftsabbruch ist in Deutschland nach wie vor ein Thema, über das selten oder auch gar nicht gesprochen wird. Inwiefern leiden die Frauen darunter, die über eine Abtreibung nachdenken?

Zill: Gefühle der Stigmatisierung sind uns in der Studie immer wieder begegnet. Das war sehr auffällig. Drei von vier Frauen sorgen sich darum, dass andere negativ über sie urteilen, sollten sie offen über einen Schwangerschaftsabbruch sprechen. Es hat sich in unserer Studie gleichzeitig auch gezeigt, dass es in der Realität zu weniger Stigmatisierung kommt, als von den Betroffenen erwartet.

Wie kann den Betroffenen die Angst vor der Stigmatisierung genommen werden?

Zill: Um die Stigmatisierung in der Gesellschaft abzubauen, sind eine offene Kommunikation und entsprechende Möglichkeiten des Austauschs wichtig. Wir müssen klarmachen, dass ungewollte Schwangerschaften uns alle angehen – und viele von uns potenziell betreffen können. Das zeigt sich beispielsweise, wenn Betroffene über das Thema sprechen und sich andere Personen, die die gleiche Erfahrung gemacht haben, ebenfalls öffnen. Das hilft Betroffenen, die immer wieder von Gefühlen des Alleinseins und der Isolation berichten und sich nach Austausch sehnen.

Ausgehend von Ihren Studienergebnissen: Sollte der Schwangerschaftsabbruch legalisiert werden?

Zill: Sowohl die Versorgenden als auch die Betroffenen haben uns berichtet, dass die gesetzlichen Regelungen immer wieder Hindernisse darstellen. Die ganze Versorgungssituation wird komplizierter, weil der Schwangerschaftsabbruch nicht Teil der Regelversorgung ist. So müssen Betroffene zum Beispiel im Normalfall auch selbst für den Abbruch bezahlen, auch wenn sie im Vorfeld einen Antrag auf Kostenerstattung bei ihrer Krankenkasse stellen können. Aus Sicht einer personenzentrierten Versorgung kann aus unseren Studienergebnissen abgeleitet werden, dass die Bedürfnisse und die individuelle Entscheidung einer Person im Vordergrund stehen sollten und sie darin bei ihrer Entscheidung für oder gegen einen Schwangerschaftsabbruch unterstützt werden sollte. Das würde eben auch bedeuten, Schwangerschaftsabbrüche als Teil der normalen Gesundheitsversorgung zu betrachten. Umso wichtiger sind dann entsprechende Unterstützungsangebote und transparente Informationen, die bei dieser komplexen Entscheidung helfen.