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Behauptung: Rezeptfreie Schmerzmittel sind harmlos

Bewertung: Falsch

Erklärung:

Manche Schmerzmittel, etwa Paracetamol oder Ibuprofen, gibt es rezeptfrei in der Apotheke. Aber: „Es gibt keine harmlosen Schmerzmittel. Auch wenn sie von den meisten Patienten gut vertragen werden, können sie gerade bei zu häufiger Anwendung zu schwerwiegenden Nebenwirkungen führen“, erklärt Dr. Tim Jürgens, Neurologe am KMG Klinikum Güstrow und Vizepräsident der Deutschen Migräne- und Kopfschmerzgesellschaft.

Expertinnen und Experten warnen daher vor einer allzu leichtfertigen Einnahme. „Schmerz ist immer ein Warnsignal des Körpers. Den sollte man nicht einfach ausschalten, sondern seiner Ursache nachgehen“, rät auch Constanze Süßdorf-Schönstein, Apothekeninhaberin in Oelsnitz. Am besten zeitnah einen Termin bei Ärztin oder Arzt vereinbaren.

Behauptung: Schmerzmittel können abhängig machen.

Bewertung: Wahr

Erklärung:

Ja, manche Schmerzmittel können süchtig machen. Dieses Risiko betrifft die verschreibungspflichtigen Präparate, die zur Klasse der Opioide gehören – etwa Morphin. „Die rezeptfreien Präparate enthalten aber keine Opioide, sodass hier keine Gefahr besteht“, erklärt der Schmerzexperte.

Behauptung: Alkohol und Schmerzmittel vertragen sich.

Bewertung: Überwiegend falsch

Erklärung:

Vorsicht ist unbedingt geboten. Es empfiehlt sich grundsätzlich nicht, Medikamente in Verbindung mit Alkohol einzunehmen, da es je nach Wirkstoff zu gefährlichen Wechselwirkungen kommen kann. „Dennoch werden rezeptfreie Schmerzmittel erfahrungsgemäß häufig eingenommen, um die Folge eines übermäßigen Alkoholkonsums in den Griff zu bekommen“, sagt Schmerzexperte Tim Jürgens. Gerade Paracetamol kann in Kombination mit Alkohol die Leber schädigen, vor allem bei einem chronischen Alkoholkonsum.

Generell sollten Patientinnen und Patienten mit Leberschäden Paracetamol nur nach ärztlicher Rücksprache anwenden. Sogenannte COX-Hemmer, zu denen die Wirkstoffe Ibuprofen, Acetylsalicylsäure, Naproxen und Diclofenac gehören, können in Kombination mit Alkohol leichter die Magenschleimhaut reizen. Im ungünstigsten Fall kommt es sogar zu einer Magenblutung.

Behauptung: Schmerzmittel verursachen Kopfschmerzen.

Bewertung: Überwiegend wahr

Erklärung:

Ja, unter gewissen Umständen. Alle Menschen, die unter primären Kopfschmerzen wie etwa Migräne oder Spannungskopfschmerzen leiden, laufen Gefahr, bei einer zu häufigen Schmerzmitteleinnahme Kopfschmerzen zu entwickeln. Das ist der sogenannte Medikamenten-Übergebrauchs-Kopfschmerz. „Man weiß, dass eine Einnahmehäufigkeit an zehn Tagen im Monat oder mehr dieses Risiko erhöht“, sagt Jürgens. „Deshalb gilt bei der Selbstmedikation von Kopfschmerzen die sogenannte 10-20-Regel: An maximal zehn Tagen im Monat darf man ein Schmerzmittel verwenden, an 20 Tagen sollte man ohne auskommen.“ Wie genau Analgetika, wie Schmerzmittel auch genannt werden, die Kopfschmerzen auslösen, ist aber noch nicht vollständig verstanden.

Behauptung: Schmerzmittel kann man auf nüchternen Magen einnehmen.

Bewertung: Zur Hälfte wahr

Erklärung:

Das kann man so generell nicht sagen. Denn: „Tritt der Schmerz auf, wenn man noch nicht gegessen hat – zum Beispiel in der Nacht –, ist die Einnahme auf nüchternen Magen unproblematisch“, erklärt der Arzt. Oft wird die Einnahme vor einer Mahlzeit empfohlen, weil die Schmerzmittel auf nüchternen Magen schneller wirken. Bei Menschen mit empfindlichem Magen empfiehlt sich eher eine Einnahme zur oder kurz nach einer Mahlzeit. „Oder man weicht auf das magenfreundliche Paracetamol aus“, sagt Jürgens.

Behauptung: Schmerzmittel sind unbegrenzt anwendbar.

Bewertung: Falsch

Erklärung:

Als Faustregel gilt: Schmerzmittel ohne ärztlichen Rat nicht länger als drei bis vier Tage hintereinander einnehmen und insgesamt maximal zehn Tage im Monat. „Vor allem bei Schmerzen, die zum ersten Mal auftreten und länger als eine Woche anhalten, raten wir unseren Kundinnen und Kunden zur ärztlichen Abklärung“, sagt Apothekerin Constanze Süßdorf-Schönstein. Und erzählt ein Beispiel aus ihrem Alltag: „Einer unserer Kunden wollte nach einem Tropenaufenthalt Schmerztabletten gegen Kopfschmerzen einnehmen. Beim Arztbesuch stellte sich dann später ein Nierenversagen heraus. Eine langfristige Schmerzmitteleinnahme hätte für den Patienten verheerende Folgen gehabt.“

Behauptung: Jeder verträgt den Wirkstoff Acetylsalicylsäure.

Bewertung: Falsch

Erklärung:

Es gibt Menschen, die allergisch auf Acetylsalicylsäure (ASS) reagieren. „Das ist zwar sehr selten, kommt aber vor“, sagt Jürgens. „Wenn dies auftritt, sollten ASS und alle weiteren COX-Hemmer vermieden und ein Facharzt oder eine Fachärztin für Allergologie aufgesucht werden.“

Behauptung: Schmerzmittel wirken auch gegen Entzündungen.

Bewertung: Zur Hälfte wahr

Erklärung:

Manche schon. „Bei Entzündungen wirken die COX-Hemmer sowohl schmerzlindernd als auch entzündungshemmend“, erklärt die Apothekerin. Sie hemmen unter anderem die Bildung von Prostaglandinen. Das sind Botenstoffe, die an Entzündungsreaktionen beteiligt sind. „ASS setzen wir bei einer solchen Problematik langfristig eher nicht ein, weil sie mehr Magenprobleme verursacht“, so Jürgens. „Paracetamol, das nicht zu den COX-Hemmern gehört, wirkt nur gering entzündungshemmend.“

Behauptung: Schmerzmittel schaden dem Herz.

Bewertung: Zur Hälfte wahr

Erklärung:

Ja und nein. „Eine langfristige Einnahme von Arzneistoffen, die zu den COX-Hemmern gehören, erhöht bei Patienten mit Herz-Kreislauf-Vorerkrankungen das Risiko für Herzinfarkte und Herzschwäche“, sagt Jürgens. „Bei Naproxen und niedrig dosiertem Ibuprofen scheint das Risiko am geringsten zu sein“, so Jürgens. Herzkranke und Personen mit Risikofaktoren wie Bluthochdruck sollten die Einnahme mit Arzt oder Ärztin besprechen. „Nimmt man sowohl COX-Hemmer als auch Blutdrucksenker ein, kann das die Nierenfunktion beeinträchtigen“, warnt Süßdorf-Schönstein. Ebenso können manche Schmerzmittel die Wirkung von Blutgerinnungshemmern verstärken. Die Folge ist ein erhöhtes Blutungsrisiko. Daher ist es wichtig, dass Apotheke und Ärztin oder Arzt von der Einnahme solcher Medikamente wissen.

Behauptung: Schmerzmittel schlagen auf den Magen.

Bewertung: Zur Hälfte wahr

Erklärung:

Es hängt vom Mittel ab. „Alle COX-Hemmer können auf den Magen schlagen“, sagt die Apothekerin. „Im Körper gibt es Prostaglandine, die den Magen schützen. Weil manche Schmerzmittel die Bildung dieses Botenstoffs hemmen, kann dieser Schutz nicht vollständig aufgebaut werden. Zudem sind diese Arzneistoffe häufig Säuren, die die Magenschleimhaut noch zusätzlich reizen.“ Bei Menschen mit einem empfindlichen Magen würde man daher die zusätzliche Einnahme eines Magenschutzes empfehlen, etwa in Form eines Säureblockers wie Omeprazol oder Pantoprazol. „Oder man nimmt das magenverträgliche Paracetamol“, sagt die Apothekerin. „Das kann allerdings in höheren Dosen die Leber schädigen. Da muss man aufpassen.“


Quellen:

  • Herausgegeben von der Kommission Leitlinien der Deutschen Gesellschaft für Neurologie (DGN) in Zusammenarbeit mit der Deutschen Migräne- und Kopfschmerzgesellschaft (DMKG): Kopfschmerz bei Übergebrauch von Schmerz- oder Migränemitteln, Leitlinien für Diagnostik und Therapie in der Neurologie. Leitlinie: 2021. https://register.awmf.org/... (Abgerufen am 22.05.2024)

  • Westdeutsches Kopfschmerzzentrum, UK Essen: Kopfschmerz durch Medikamentenübergebrauch. https://www.uk-essen.de/... (Abgerufen am 21.05.2024)
  • Geisler T, Wieland T: ASS und NSAR – Unter Behandlung mit ASS 100 mg bei KHK/pAVK soll vor Beginn einer NSAR-Therapie das Interaktionspotenzial bedacht werden. Kardiologe: https://leitlinien.dgk.org/... (Abgerufen am 20.05.2024)