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Was macht das DNA-Origami interessant für die Wissenschaft?

Origami? Das ist doch eigentlich eine Papierfaltkunst aus Japan? Genau. Und ähnlich kunstvoll versuchen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler die DNA, den Träger unseres Erbguts, zu falten, um medi­zinisch nützliche Dinge zu schaffen. Das geht, weil DNA-Bestandteile stets die gleichen Paare bilden. Adenin verbindet sich über Wasserstoffbrücken mit Thymin, Guanin mit Cytosin. So entsteht die charakteristische DNA-Doppelhelix. Indem man zu ­einem langen DNA-Strang passgenaue, kürzere Stücke hinzugibt, lässt sich dieser in Form bringen oder besser: falten.

Schon 2006 zeigte der US-amerikanische Chemiker Paul Rothemund, dass sich so aller­lei zweidimensionale Objekte aus DNA erstellen lassen. Drei Jahre später gelang es einem Forschungsteam der Harvard Uni­ver­sity dann, dreidimensionale Strukturen (zum Beispiel ein Zahnrad) zu falten. Mithilfe spezieller Computerprogramme lässt sich vorhersagen, welche Kurzstränge für ein Objekt gebraucht werden.

Prof. Dr. Hendrik Dietz, der heute eine Forschungsgruppe an der Technischen Universität München leitet, ist einer der Begründer der Methode. „DNA-Origami bietet eine präzise und kontrollierbare Methode, um komplexe Objekte im Nanometer-Maßstab herzustellen“, sagt der Biophysiker. In diese Größe fallen viele biologische Objekte, zum Beispiel Viren. DNA-Sequenzen lassen sich vergleichsweise günstig und schnell herstellen. Zudem sind die Strukturen quasi körpereigenes Material und so vermutlich gut verträglich.

Wie lässt sich die Methode anwenden?

Eine vielversprechende Möglichkeit sieht Hendrik Dietz in DNA-Strukturen, die Medikamente kontrolliert abgeben. „So lassen sich Wirkstoffe vielleicht gezielt zu kranken Zellen transportieren, ohne gesunde zu schädigen“, erklärt er. Denn DNA besitzt ­eine weitere Eigenschaft, die sie für medizinische Anwendungen interessant macht: Sie bindet an andere Biomoleküle.

Das macht sich auch ein Team um Prof. Dr. Kerstin Göpfrich von der Universität Heidelberg zunutze. „Man kann DNA-Origami als eine Art molekulares Fachwerk verwenden, um weitere Komponenten, zum Beispiel Anti­gene daran zu befestigen“, sagt die Biophysikerin. Antigene sind Stoffe, die vom Immunsystem als fremd erkannt und daraufhin meist bekämpft werden. Ein Beispiel ist das Spike-Protein, das sich an der Oberfläche des Coronavirus befindet. Die aktuellen Impfstoffe schleusen es – beziehungsweise die Bauanleitung dafür – in die Zelle ein. Zudem kann die DNA des Origami selbst ­eine Immunreaktion erzeugen und so als Wirkverstärker dienen. „Vielleicht können wir mithilfe von DNA-Origami noch bessere Impfstoffe machen“, ist Göpfrichs Hoffnung.

Einen ganz anderen Ansatz verfolgt Biophysiker Dietz mit einem Start-up-Unternehmen: Es entwickelt Mini-Käfige, die Viren einfangen sollen. Innen sind die Fallen mit Molekülen ausgekleidet, die spezifisch an das Virus binden. „Dadurch werden die Viren neutralisiert, können also keine Zelle mehr infizieren“, erklärt der Forscher. Stattdessen werden sie von der zelleigenen Müllabfuhr abgebaut. Das Konzept könne vergleichsweise schnell an neue Krankheitserreger angepasst werden, „damit wir künftig schneller auf Pandemien reagieren können.“

Wann kommen solche Medikamente auf den Markt?

Keines der angesprochenen Konzepte wurde bislang am Menschen getestet. Mit dem Start-up-Projekt befinde man sich derzeit in der prä­klinischen Überprüfung, erklärt CEO Dietz. Dabei gehe es um Wirkstoffkandidaten gegen verschiedene Viruserkrankungen, zum Beispiel Influenza. Das bedeutet: Man testet die Virus-Fallen in Zellkulturen und Tiermodellen. „Es ist schwie­rig, einen genauen Zeitrahmen vorherzusagen, aber es könnte noch mehrere Jahre dauern, bis ein solches Medikament verfügbar ist – vorausgesetzt, die laufenden Forschungen sind erfolgreich“, so Dietz. Man habe noch sehr viele Themen vor sich liegen: „Zunächst müssen wir genau verstehen, wie ein Organismus auf DNA-Origami reagiert.“


Quellen:

  • Rothemund P W K : Folding DNA to create nanoscale shapes and patterns. In: Nature 16.03.2006, 440: 297-302
  • Dietz H, Douglas S M, Shih W M: Folding DNA into Twisted and Curved Nanoscale Shapes. In: Science 07.08.2009, 325: 725-730
  • Zhang Y, Tian X, Wang Z et al. : Advanced applications of DNA nanostructures dominated by DNA origami in antitumor drug delivery. In: Frontiers in Molecular Biosciences 07.08.2023, 10: 1239952