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Diagnose Brustkrebs, ein Schock. „Am Anfang ist vielen Frauen erst mal nur das Überleben wichtig. Alles andere erscheint nebensächlich, auch die Brust“, sagt Dr. Kerstin Hermelink, leitende Psychologin der Frauenklinik am LMU Klinikum München. Andere Frauen hätten aber auch von Beginn an große Angst vor einem Verlust der Brust. Denn bei einer von vier Patientinnen muss die Brust tatsächlich abgenommen werden. „Grundsätzlich ist der Aufbau der Brust immer möglich“, sagt Dr. Natalia Krawczyk, leitende Oberärztin an der Universitätsfrauenklinik Düsseldorf. Die Rekonstruktion sei ein wichtiger Bestandteil der Therapie und trage zur psychischen Verarbeitung der Krankheit bei. „Sobald feststeht, dass die Brust abgenommen werden muss, spreche ich das Thema Brustaufbau an“, erzählt Krawczyk. So bekomme die Patientin die Möglichkeit, sich damit auseinanderzusetzen: Zeit, um sich zu informieren, aber auch Gelegenheit, um mit Ärztin oder Arzt zu sprechen und die Möglichkeit, sich mit anderen Frauen auszutauschen.

So früh wie möglich beraten lassen

Die medizinischen Leitlinien empfehlen Patientinnen den Kontakt zu Selbsthilfegruppen. „So können sie auf die Erfahrungen anderer Frauen zugreifen. Das hilft vielen, für sich eine Entscheidung zu treffen“, sagt die Ärztin. Auch psychologische Beratung sei nützlich. „Eine Psychologin kann helfen, ‚Hintergedanken‘ aufzuspüren, die der Frau selbst nicht bewusst sind“, erklärt Hermelink. Dazu gehöre der Gedanke, die Brust symbolisch opfern zu müssen, um die Krankheit zu besiegen. „Diese Vorstellung ist falsch!“, sagt die Psychoonkologin. Es sei auch wichtig, darüber zu reden, was trotz eines Brustaufbaus verloren geht. „Eine wiederaufgebaute Brust kann zwar sehr gut aussehen, aber sie ist keine echte Brust“, so Hermelink. Sie sei nicht so sensibel und erregbar. Die Fähigkeit zu stillen fehle.

Die häufigste Form des Brustaufbaus geschieht mit körperfremdem Material. Laut der Deutschen Krebsgesellschaft werden für 70 bis 80 Prozent der Rekonstruktionen Implantate, Expander und Netze genutzt. Ein Implantat (gefüllt mit einem Silikongel, einer Kochsalzlösung oder einer Mischung aus beidem) wird vor oder hinter dem Brustmuskel eingesetzt. „Die Implantatrekonstruktion gilt als Methode der ersten Wahl, weil die Operation einfacher und die Wunde kleiner ist und alles schneller verheilt“, erklärt Krawczyk. Häufig genügt eine OP: Das Implantat wird meist beim selben Eingriff eingesetzt, in dem die Brust abgenommen wird. Ein Expander kann notwendig sein, um die Haut zu dehnen – im zweiten Schritt wird das Implantat eingesetzt. Die Nachteile: „Ein Implantat ist ein Fremdkörper. Der kann Beschwerden bereiten und Folgeoperationen erfordern“, sagt Krawczyk. Zu den möglichen Komplikationen zählen etwa das Verkapseln (Kapselfibrose), Verdrehen oder das Verletzen des Implantats. Zudem müssen Implantate nach 10 bis 20 Jahren getauscht werden.

Aufbau mit Eigengewebe: Es gibt Vor- und Nachteile

Grundsätzlich sei auch mit Implantat jede weitere medizinische Behandlung möglich, sagt Frauenärztin Krawczyk. Allerdings erhöhe eine Bestrahlung das Risiko für Komplikationen, insbesondere das einer Kapselfibrose. „Für diese Patientinnen eignet sich insbesondere die Brustrekonstruktion mit Eigengewebe“, erklärt die Ärztin. Diese Option stehe auch anderen Patientinnen offen. Ein weiterer Vorteil: Die Brust fühlt sich natürlich an und passt sich dem Körper an, etwa bei Gewichtsveränderungen oder im Laufe des Älterwerdens.

Bei einem Brustaufbau mit Eigengewebe wird Haut- und Fettgewebe vom Bauch, Rücken oder Po verwendet. Entweder wird das Gewebe mit den Blutgefäßen und angrenzendem Muskelgewebe verpflanzt (gestielte Lappen) oder es wird mit den Blutgefäßen an die Blutgefäße im Brustbereich angenäht (freie Lappen). „Die Operation ist aufwendiger und belastender für den Körper. Im schlimmsten Fall kann es zum sogenannten Lappenverlust kommen: Das Eigengewebe ist nicht ausreichend durchblutet und muss entfernt werden“, erklärt Krawczyk. Generell benötige ein Brustaufbau mit Eigengewebe mehrere OPs. Häufig werde ein Implantat als Zwischenschritt eingesetzt. „Die Heilung nach der Hautoperation und die körperliche Einschränkung dauert etwa sechs Wochen, oft deutlich länger“, so die Ärztin. „Internistische Vorerkrankungen, starkes Übergewicht, Diabetes, Rauchen und hohes Alter sind Risikofaktoren für diese Operation.“

Jede Methode hat also Vor- und Nachteile. „Vieles ist wichtig, damit eine Patientin mit dem Ergebnis der Operation zufrieden ist, vor allem ein guter Entscheidungsprozess“, sagt Hermelink. Dazu gehören unter anderem ausreichend Informationen über die Methoden. Hermelink rät Frauen, sich zu überlegen, womit sie auf lange Sicht am besten leben können. Der Rat beider Expertinnen: Vorsicht bei Infos aus Online-Chats und Foren. „Frauen, bei denen es Probleme gab, sind in solchen Foren viel eher zu finden als viele andere, bei denen alles gut gegangen ist. Darüber hinaus werden Schilderungen dramatisiert, um Aufmerksamkeit zu erregen“, erklärt die Psychologin. Bei Fragen sollte man sich daher an Fachleute wenden. Besonders erfahren ist Personal in zertifizierten Brustzentren. „Auch psychoonkologische Beratung hilft, um gut durch diese Phase zu kommen“, rät Krawczyk. Hermelink ergänzt: „Niemand muss mit den Fragen, Problemen und Belastungen einer solchen Erkrankung allein bleiben.“


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