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Vielleicht

Schäfchenzählen war gestern. An seine Stelle scheinen Kopfhörer und Smartphone getreten zu sein: Laut Studien lassen sich bis zu 46 Prozent der Erwachsenen zum Einschlafen mit Musik berieseln. Ist das eine gute Idee?

Tatsächlich deuten einige wissenschaftliche Befunde darauf hin, dass Musik helfen kann, leichter in den Schlummer zu finden. Die meisten Studien zum Thema beschäftigen sich mit chronischen Schlafstörungen: wenn man nicht nur gelegentlich schlecht schläft, sondern mehrmals pro Woche keine erholsame Nachtruhe bekommt – und sich müde durch den Tag schleppt. Eine Studienübersicht des Forschungsnetzwerks Cochrane von 2022 kommt zu dem Ergebnis, dass Musik die Patientinnen und Patienten schneller einnicken und insgesamt länger schlafen lässt. Auch verbrachten die Betroffenen weniger Zeit schlaflos im Bett. Allerdings ließen die Studien wichtige Fragen offen; etwa, wie lange man die Musik zum Einschlafen laufen lassen sollte.

„Grundsätzlich gilt für uns: Alles, was gut- tut und entspannt, hilft den Patientinnen und Patienten“, meint Prof. Dr. Ulrich Sommer, Vorsitzender der Arbeitsgemeinschaft Schlafmedizin der Deutschen Gesellschaft für Hals-Nasen-Ohren-Heilkunde. So könne regelmäßiger Musikgenuss bei leichten Schlafproblemen auch eine positive Konditionierung auslösen, erklärt der Schlafmediziner aus Bad Aibling: „Wenn ich mit entspannender Musik gut einschlafe, kann ich mich darauf trainieren, dass dieser Reiz mit einer Entspannungsreaktion verbunden ist.“ Das Gehirn merkt sich also die Kopplung. Das klappt prinzipiell übrigens auch mit anderen Ritualen zum Einschlafen, etwa Lesen oder einer Tasse Kräutertee vor dem Zubettgehen.

Möglicherweise funktioniert Musik als Schlafhilfe besser als ein Podcast oder Hörbuch, lässt eine Studie von Prof. Dr. László Harmat vermuten. Der Forscher befasst sich an der Universität im schwedischen Växjö mit der Psychologie der Musik. In einer Studie untersuchte er 94 Teilnehmende mit Schlafproblemen. Die einen bekamen zum Einschlafen klassische Musik auf die Ohren, die anderen ein Hörbuch. Nach drei Wochen gaben die Musikhörenden eine gestiegene Schlafqualität an – das Hörbuch zeigte keine Wirkung. Warum das so ist, kann László nur vermuten: „Ich habe keine evidenzbasierte Antwort darauf, aber ich vermute, dass Musik uns hilft, in einen meditativen Zustand zu gelangen.“

Gibt es die perfekte Einschlafmusik? Forschende aus Dänemark haben kürzlich die Einschlaf-Abspiellisten eines Online-Musikportals analysiert. Demnach ist die typische Schlummermusik eher weich und langsam, ohne Gesang und wird häufig auf akustischen Instrumenten gespielt. Zur Überraschung der Expertinnen und Experten gibt es jedoch Ausreißer: Einige Titel waren schneller und tanzbar. Wie individuell die ideale Einschlafmusik ist, zeigt eine britische Studie von 2018. Die Befragten nutzten nicht nur klassische Musik, sondern auch Pop, Jazz und sogar Rock. Brahms’ Wiegenlied kann genauso funktionieren wie ein Stück der US-Sängerin Billie Eilish. „Musik, die gute Erinnerungen hervorruft und individuell gefällt und entspannend ist, scheint am besten zu funktionieren“, meint Psychologe Harmat.

Aber

Chronische Schlafstörungen sollten ärztlich behandelt werden. „Wir machen gute Erfahrungen mit einer Verhaltenstherapie, also mit Entspannungstechniken, Apps und einem Schlaftagebuch“, sagt Schlafmediziner Sommer. Auch die wissenschaftliche Leitlinie zur Behandlung von Schlafstörungen setzt die Verhaltenstherapie an die erste Stelle. Der Besuch bei der Hausärztin oder dem Hausarzt ist auch ratsam, um mögliche körperliche Ursachen für die Schlaflosigkeit zu klären: etwa nächtliche Atemaussetzer oder Herzerkrankungen.

Menschen, die ohnehin gut schlafen, könnten mit Musik nichts gewinnen, meint Sommer. Der Experte empfiehlt, auf die Reaktion des Körpers zu vertrauen. Individuell könne Musik beim Einschlafen auch als störend empfunden werden.

Tipps zur Schlafhygiene können Ihnen helfen, besser zu schlafen:

  • tagsüber Bewegung,
  • in den Abendstunden keinen Kaffee, schwarzen Tee und Energydrinks
  • Regelmäßige Schlafenszeiten,
  • das Schlafzimmer eher kühl.

Mehr Tipps finden Sie unter: a-u.de/!1002433


Quellen:

  • Scarratt RJ, Heggli OA, Vuust P et al.: The audio features of sleep music: Universal and subgroup characteristics. PLOS ONE: https://journals.plos.org/... (Abgerufen am 14.05.2024)
  • Schlack R, Hapke U, Maske U et al.: Häufigkeit und Verteilung von Schlafproblemen und Insomnie in der deutschen Erwachsenenbevölkerung, Ergebnisse der Studie zur Gesundheit Erwachsener in Deutschland (DEGS1). Bundesgesundheitsblatt: https://edoc.rki.de/... (Abgerufen am 14.05.2024)
  • Feng F, Zhang Y, Hou J et al.: Can music improve sleep quality in adults with primary insomnia? A systematic review and network meta-analysis. International Journal of Nursing Studies: https://www.sciencedirect.com/... (Abgerufen am 31.05.2024)
  • Harmat L, Takacs J, Bodizs R: Music improves sleep quality in students. Journal of Advanced Nursing: https://onlinelibrary.wiley.com/... (Abgerufen am 31.05.2024)
  • Deutsche Gesellschaft für Schlafforschung und Schlafmedizin e.V. (DGSM): S3-Leitlinie Nicht erholsamer Schlaf/Schlafstörungen - Schlafbezogene Atmungsstörungen. Online: https://register.awmf.org/... (Abgerufen am 31.05.2024)
  • Trahan T, Durrant SJ, Müllensiefen D et al.: The music that helps people sleep and the reasons they believe it works: A mixed methods analysis of online survey reports. PLOS ONE: https://journals.plos.org/... (Abgerufen am 31.05.2024)