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Weiße Sandstrände, Palmen und subtropische Pflanzen: Guernsey sieht aus wie eine Insel in der Karibik, ist aber die zweitgrößte der Kanalinseln. Man spricht Englisch. Doch Guernsey, Jersey, Herm, Sark und Alderney vor Frankreichs Küste gehören nicht zu Großbritannien, sondern sind Besitz der englischen Krone: Sie sind direkt König Charles III. unterstellt. Eine Welt für sich. Lange war Guernsey nicht leicht zu erreichen. Freibeuter lebten hier von dem, was die See von gekenterten Schiffen anspülte. Heute ist neben Jersey auch Guernsey eine Steueroase. Banken und Firmen aus aller Welt sitzen hier. Jersey ist touristischer, Guernsey ruhiger. Manche halten sie für die schönste der Inseln im Ärmelkanal. Die Altstadt der Hauptstadt St. Peter Port mit ihren vielen Treppen und kleinen Gassen ist autofrei. Guernsey entschleunigt – am besten fährt man Rad, Bus oder geht zu Fuß. Das Klima ist mild, fast mediterran, bedingt durch den Golfstrom. Knapp 64 000 Einwohnerinnen und Einwohner leben hier. So viele Gäste kommen auch zum viktorianischen Markt vor dem Herrenhaus im Saumarez Park am 1. Juli, den es seit über 50 Jahren gibt: „Viaër Marchi“ oder „Old Market“, mit Tanz, Musik, Theater, organisiert vom National Trust. „Einige kleiden sich wie um 1900 üblich“, sagt Trust-Vizepräsidentin Sara Jane Lampitt. Da werden Weidekörbe geflochten und aus Schafswolle „Guernsey Jumper“ gestrickt, Seemannspullover. „Das Garn weist Kälte und Wasser ab.“ Im Fall eines Unglücks wurde der Träger früher am Strickmuster identifiziert. Auch der Adel schätzte Wollware aus Guernsey, zum Beispiel die Königinnen Elisabeth I. und Maria Stuart. Zu essen gibt es „Bean Jar“, einen Bohnen-Karotten-Zwiebel-Eintopf mit Eisbein, der früher sogar als Frühstück serviert wurde. Oder „Gâche Melée“ (Apfelkuchen) und „Guernsey Gâche“ (Rosinenbrot). „Die goldgelbe Farbe entsteht durch die Guernsey-Butter“, erklärt Sara Jane Lampitt.

Wer das Fest verpasst, sollte sich in St. Peter Port den „Victorian Shop“ ansehen. „Ein Laden in einem Museum und ein Museum in einem Laden“, so Lampitt. Er ist einer der Orte, an denen man sehen kann, wie Guernsey einmal war. Hier trifft britischer Spleen auf Savoir-vivre, also auf die französische, feine Lebensart.

Im eher schroffen, hügeligen Süden dominieren Hecken, alte Steinhäuser, Dörfer wie in Miss-Marple-Filmen. In den Straßencafés von St. Peter Port, zum Beispiel im „Beach Café“ am „Fermain Beach“, gibt es frische Meeresfrüchte. „Unsere Krabben sind süß und fleischig“, sagt Lampitt. Nicht ungefährlich sind Spaziergänge am Meer: Auf Guernsey steigt der Pegel bei Flut um bis zu zehn Meter. Die Strände erstrecken sich weit bei Ebbe, doch das Wasser kann schneller zurückkommen, als man denkt.

Beeindruckend, sagt Lampitt, seien vor allem auch die Nachbarinseln Herm und Sark. „Auf Sark hat man das Gefühl, als würde man auf eine Zeitreise gehen. Das ist ein Ort, um der Welt vollkommen zu entfliehen.“ Seit 2011 ist Sark, eine Fährstunde entfernt, „Dark Sky Island“. „Dort gibt es keine Lichtverschmutzung“, erklärt Lampitt. „Der Nachthimmel ist unglaublich.“ Herm, die kleinste Kanalinsel, besitzt einen Sandstrand, weiß wie in der Karibik. „Shell Beach ist wunderschön und das Meer ist herrlich sauber. Aber kalt. Es braucht einiges, um mich in dieses Wasser zu bekommen.“ Autos sind verboten.

Um Guernsey auf dem Küstenweg zu umrunden, braucht man Tage, mit dem Rad lediglich drei Stunden. Das Licht und die Farben der Insel faszinieren. Man versteht, warum sie auch eine Insel der Künstler wurde: Im Spätsommer 1883 entwarf Pierre-Auguste Renoir hier mit schnellen Pinselstrichen 15 Bilder. An seinem Lieblingsort, der Bucht Moulin Huet, stehen heute Hobbymalerinnen und -maler und eifern ihrem Idol nach. Und der französische Schriftsteller Victor Hugo, der vor Napoleon III. floh und fast 15 Jahre hier im Exil blieb, schrieb über die Bewohnerinnen und Bewohner der Insel: „Es ist ein nobles, kleines Volk, groß durch seine Seele. Es hat die Seele des Meeres.“

Sara Jane Lampitt:

Die 60-jährige Mutter dreier erwachsener Kinder zog 1976 von London auf die Kanalinsel. Als Vizepräsidentin des National Trust of Guernsey organisiert sie den „Viaër Marchi“ mit. Seit 55 Jahren feiert man das Fest, um die Traditionen der Insel zu erhalten.

Infos für Ihre Reiseplanung

  • Wie kommt man hin? Zug: ab Köln über Paris nach St. Malo. Von dort weiter mit der Fähre nach Guernsey. Fahrzeit insgesamt: etwa 18 Stunden. Zwischenübernachtungen empfehlenswert.
    Auto: ab Köln über Belgien nach Port de Diélette (Fähre) in etwa 10,5 Stunden. Zwischenübernachtung empfehlenswert.
  • Wo kann man übernachten? „Hotel de Havelet“: im Stil eines Herrenhauses in St. Peter Port. Das Hotel hat Meerblick und einen Innenpool. Zu Fuß sind es nur fünf Minuten zu Victor Hugos Hauteville House. Günstiger ist das „Marton Guest House“.
  • Was kann man erleben? Zur Nachbarinsel Herm fahren: 30 Minuten braucht die Fähre zur kleinsten Kanalinsel. Sie ist berühmt für ihren Sandstrand (Shell Beach). Er leuchtet weiß wie in der Karibik, nur das Meer ist kälter: 14 Grad.
  • Unbedingt probieren: Guernsey ist ein Gourmet-Paradies: Es gibt Taschenkrebse, Austern, Hummer und hervorragende Chutneys. Gâche Melée ist ein Apfelkuchen mit Butter und Eis aus der gelblich-sahnigen Milch brauner Guernsey-Kühe.

Quellen: