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Rank und schlank, dazu eine porentief reine Haut und ein einwandfrei funktionierender Magen-Darm-Trakt? Im Internet bekommt man den Eindruck, Darmspülungen könnten eine Art Allheilmittel sein. Sie werden als Teil einer Fastenkur angeboten, etwa zur „Darmsanierung“. Dabei sollen schädliche Bakterien hinausgespült oder der Darm entschlackt werden. Das soll vielfältige Beschwerden und Erkrankungen lindern, etwa Allergien, Kopfschmerzen, Hautprobleme oder Depressionen.

„Darmspülungen werden teilweise zu einem ‚Lifestyle-Act‘ erklärt“, kritisiert Dr. Gerald Poschmann, Facharzt für Innere Medizin und Gastroenterologie aus Darmstadt. Ihren Ursprung haben sie in der antiken Säftelehre: „Man ging davon aus, dass die Säfte des Körpers, gelbe Galle, schwarze Galle, Blut, mit einem Einlauf, einem Aderlass oder mit Erbrechen ins Gleichgewicht gebracht werden können.“

„Wohlfühlindustrie“ trotz nicht belegbarer Wirksamkeit

Von den früheren Annahmen und Methoden habe sich der Mythos der Vergiftung gehalten. Und drum herum eine Art „Wohlfühlindustrie“ gebildet, die das Ziel verfolgt, angebliche Abfallstoffe zu entfernen. Neben oralen „Entgiftungs“-Verfahren in der Alternativmedizin ist die rektale Colon-Hydro-Therapie verbreitet. Dabei werden größere Flüssigkeitsmengen über den Anus in den Dickdarm eingeleitet und etwa festsitzende Stuhlpartikel ausgespült.

Die erhofften Wirkungen sind wissenschaftlich bislang nicht belegt, sagt Dr. Rainer Stange vom Immanuel Krankenhaus Berlin, ehemals leitender Arzt der Abteilung Naturheilkunde. Klare medizinische Gründe gebe es demzufolge nicht. Das Verfahren würde es seiner Meinung nach jedoch verdienen, mit moderner Methodologie untersucht zu werden, insbesondere bezüglich Veränderungen des Mikriobioms sowie der Bewegungsfähigkeit des Darms. Die sogenannten Schlacken wiederum, von denen der Darm befreit werden soll, sind für die Wissenschaft nicht existent.

Danke an Nieren, Leber, Galle: „Detox“ macht der Körper selbst

Generell braucht der Körper für „Detox“, also Entgiftung, keine Hilfe: Die Nieren filtern das Blut und geben nicht benötigte Stoffwechselprodukte über den Urin ab. Die Leber macht schädliche Stoffwechselprodukte ungiftig oder scheidet sie über Gallenflüssigkeit aus. Alles, was darüber hinaus nicht gebraucht wird, verlässt den Körper über den Anus.

Wer hofft, mittels Darmspülung abzunehmen, wird laut Poschmann ebenfalls enttäuscht: Man verliert vorübergehend an Gewicht – aber nur, weil weniger Stuhl im Darm ist. Erleichtern vermag die Methode auf psychologische Weise, sagt Stange: „Viele Patienten sind überzeugt, dass sie von etwas befreit werden.“

Nebenwirkungen sind möglich

Dabei sind Nebenwirkungen möglich: Jede großvolumige Darmspülung entzieht dem Körper Wasser und weitere Stoffe. „Das kann eine Elektrolyt-Verschiebung verursachen, die gefährlich werden kann“, sagt Apothekerin Elena Bermudez aus Münster. Kreislaufprobleme, Erbrechen oder eine Kaliumarmut im Blut können folgen.

Dass Reinigungen mittels geschluckter Abführmittel das Mikrobiom vorübergehend in Quantität und Qualität verändern können, zeigen kleinere Studien. Es liegt nahe, dass auch rektale Spülungen die Keimvielfalt beeinflussen. Zudem besteht das Risiko einer Infektion durch Verletzung der Darmwand.

Darmentleerung hat nicht das Ziel der „Darmreinigung“

Von alternativmedizinischen Angeboten zur Darmreinigung müssen sinnvolle Maßnahmen der evidenzbasierten Medizin zur Darmentleerung abgegrenzt werden:

Ist die Darmtätigkeit über Tage gestört, kann bei hartnäckiger Verstopfung ein großvolumiger Einlauf helfen – „wenn die gängigen medikamentösen Behandlungen nicht anschlagen“, sagt Poschmann. Er sollte nur von Ärztinnen oder Ärzten durchgeführt werden, nicht in Eigenregie zuHause. Auch vor Darmspiegelungen werden Abführmittel geschluckt oder rektal eingeführt, um den Darm zu leeren. Dies soll ihn jedoch nicht von schädlichen Stoffen säubern. Vielmehr ist die Entleerung Mittel zum Zweck – um krankhafte Veränderungen der Darmschleimhaut frühzeitig und besser erkennen zu können.


Quellen: