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Pille und Kondom in Deutschland fast gleichauf

Platz eins unter den Verhütungsmethoden belegt laut einer Umfrage von 2018 die Pille. Knapp dahinter folgt das Kondom. An dritter Stelle rangiert die Spirale. Drei Prozent der Männer entscheiden sich für eine Vasektomie. Ebenso hoch ist der Anteil der Frauen, die ihren Zyklus per App überwachen.

Der Dauerbrenner

Wussten Sie, dass das Wort „Kondom“ 1987 zusammen mit „Aids“ das Wort des Jahres war? Spätestens durch die Infektionserkrankung war das Präservativ im öffentlichen Bewusstsein angekommen. Und galt dabei schon in der Antike als probates Mittel, um vor Geschlechtskrankheiten zu schützen. Aber auch vor ungewollter Schwangerschaft. Als Verhütungsmittel hat ein Kondom, richtig benutzt, eine hohe Sicherheit – die sogenannte Versagerrate liegt bei zwei Prozent. Pro Familia bringt es auf den Punkt: „Das Kondom ist – abgesehen von der Sterilisation – die einzig sicher wirkende Verhütungsmethode, die Männer anwenden können.“ Bislang jedenfalls.

Die Sackgasse

Bei der Vasektomie werden die Samenleiter durchtrennt und die Enden verödet. Das Ganze kann unter Vollnarkose oder lokaler Betäubung geschehen. Die Operation dauert etwa eine Stunde und gilt als sehr sicher, was den Verhütungseffekt angeht. Vor allem Männer mit abgeschlossener Familienplanung entschließen sich dazu (Zahlen siehe Grafik oben). Der Eingriff kann in den ersten drei Jahren noch zu 90 Prozent rückgängig gemacht werden. Die Kosten für eine Vasektomie liegen bei 500 Euro und mehr und werden in der Regel nicht von den Krankenkassen übernommen. Nicht durchgesetzt haben sich bislang sogenannte Ventile, die den Samenleiter abklemmen, oder ein Gel, das in den Gang hineingespritzt wird und ihn undurchlässig für Spermien macht.

Die heiße Nummer

Erwärmte Hoden produzieren weniger Spermien – das nutzt die „thermische Kontrazeption“. Ein Hodenring und eine Unterhose sind verfügbar – theoretisch. Ihr Funktionsprinzip: Sie schieben die Hoden in die Nähe des äußeren Leistenrings, diese erwärmen sich dort den Herstellerangaben zufolge von 35 auf 37 Grad. Rund 15 Stunden täglich über drei Monate getragen, soll eine Verhütungswirkung von gut 99 Prozent erreicht werden. Nach Absetzen kehre die ursprüngliche Spermienmenge binnen Wochen zurück. Eine Zertifizierung als Medizinprodukt haben bislang weder Ring noch Hose. Angeboten werden sie deshalb als Kunstobjekte. Elektroden, die die Nebenhoden erwärmen, befinden sich in Phase-1-Studien. Ein Hoden-Wärmebad wurde 2021 von einer Münchner Produktdesignerin entwickelt. Experten warnen, dass die Erwärmung der Hoden das Krebsrisiko erhöhe.

Der Piks

Was bei der Frau funktioniert, müsste auch beim Mann wirken: Hormone. Könnte man zumindest annehmen. Doch es gibt einen wesentlichen Unterschied: Bei Frauen muss ein Eisprung im Monat verhindert werden, bei Männern die permanente Spermienproduktion. Schon vor 15 Jahren führte Prof. Dr. Michael Zitzmann an der Uniklinik Münster eine Studie im Auftrag der Weltgesundheitsorganisation WHO durch: 20 Probanden bekamen alle acht Wochen eine Kombinationsspritze mit Testosteron und einem Gestagen. Weltweit nahmen 400 Männer teil. Die Spermien verschwanden zu 96 Prozent. Jedoch wurde die Studie 2011 gestoppt, weil bei zehn bis 15 Prozent der Männer Nebenwirkungen auftraten: Stimmungsschwankungen, Gewichtszunahme, Libidoveränderungen. Der Abbruch sei überraschend und ärgerlich zugleich gewesen, so Zitzmann: „Was die Frauen ertragen sollen, war für die Männer offenbar nicht hinnehmbar.“

Die jungen Milden

Schon länger laufen Studien in den USA zu einem hormonellen Verhütungsgel. Täglich aufgetragen, soll es die Spermienbildung hemmen. Bei 90 Prozent der Männer erwies sich die Behandlung als effektiv. Hoffnung macht auch eine neue Substanz namens YCT529, die auf einem Eiweißstoff basiert. Als Tablette eingenommen soll das Mittel verhindern, dass Spermien heranreifen. Bei Mäusen immerhin klappte das. Ein anderer Stoff – TDI-11861 – bremste die Spermienbeweglichkeit bei Mäusen für die Dauer von etwa einer halben Stunde. In beiden Fällen wurden die Tiere nach Absetzen wieder fruchtbar. Weitere Studien sind geplant.


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  • Newsroom FH Muenster: Verhütungsmethode für den Mann im ansprechenden Design, Produktvision „Cocooner“ als beste Bachelorarbeit des Semesters ausgezeichnet. https://www.fh-muenster.de/... (Abgerufen am 05.10.2023)
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