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Der Beginn eines Lebens sieht geradezu galaktisch aus. Grüne Punkte an blauen Strängen, die auseinandergehen, umgeben von einem pinkfarbenen Kreis. Was Prof. Dr. Melina Schuh durch das Okular des Hochleistungsmikroskops betrachtet, erinnert an eine ferne Galaxie. Es passiert aber alle vier Wochen im weiblichen Unterleib, wenn im Eierstock eine Eizelle heranreift. Meiose heißt dieser Prozess. Um ihn für das Auge sichtbar zu machen, wurden die Zellstrukturen mit fluoreszierenden Proteinen der Tiefseequalle Aequorea victoria markiert. Die 44-jährige Biochemikerin war der erste Mensch, der in Echtzeit beobachten konnte, wie sich eine Eizelle auf die Befruchtung mit einem Spermium vorbereitet. „Fast 24 Stunden dauert dieser Vorgang vor dem Eisprung“, sagt sie, während sie mit einem Minijoystick den Objektträger in die perfekte Position justiert, um besser sehen zu können, wie im Zellkern die Chromosomenpaare getrennt werden.

Dass dies ein enorm fragiler Vorgang ist, hat sie schon oft erklärt – sogar der britischen Queen. Vor zehn Jahren besuchte Elizabeth II. das MRC Laboratory of Molecular Biology in Cambridge, wo Schuh damals Gruppenleiterin war. Elizabeth II. interessierte sich sehr für das, was die Forscherin zu den Auslösern der Unfruchtbarkeit in der Eizelle herausgefunden hatte. „Bei der Meiose passieren oft Fehler. Schon bei jungen Frauen haben 20 Prozent der Eizellen entweder zu viele oder zu wenige Chromosomen“, sagt Schuh. Ein Embryo könne sich deshalb nicht einnisten, es kommt zu einer Fehlgeburt. „Nur jede dritte Befruchtung führt zu einer Schwangerschaft. Und je älter die Frauen sind, umso mehr Fehler passieren.“

Dass die Qualität der Eizellen mit den Jahren abnimmt, war schon lange bekannt. Einige der Ursachen konnte die Wissenschaftlerin mit ihrem Team nachweisen. Ihr Labor befindet sich in einem der sechs Türme des Max-Planck-Instituts am Göttinger Faßberg – seit mehr als 50 Jahren ein Ort internationaler Spitzenforschung. „Eizellen sind von Geburt an im Eierstock angelegt. Auch sie altern“, sagt Schuh. Sie konnte besonders bei über 35-jährigen Frauen beobachten, wie die Chromosomen bei der Reifung regelrecht auseinanderfallen: „Auch die Spindel, die Maschine, die die Chromosomen sortiert und trennt, ist häufig instabil und macht Fehler.“

Schuld daran ist KIFC1. Das ist ein Protein, das diesen Spindelapparat zusammenhält. „Doch im Vergleich zu tierischen Eizellen gibt es beim Menschen viel weniger von diesem Protein“, sagt Schuh. Nun arbeitet sie an einer Methode, KIFC1 in eine Eizelle einzubringen: „Wir wollen so die Spindel stabilisieren, damit weniger Fehler bei der Chromosomenteilung passieren können.“ Schuh, die bereits den Leibniz-Preis für ihre Entdeckungen erhalten hat, hofft auf diese Weise, die Erfolgsquote künstlicher Befruchtungen zu verbessern.

Sie arbeitet eng mit Kinderwunschzentren zusammen. Frauen, die sich dort einer Behandlung unterziehen, spenden ihre unbefruchteten Eizellen, die nicht genutzt werden können. „Für unsere Forschung sind sie aber wertvoll“, sagt Schuh. Ähnlich wie bei einer Organspende werden diese Zellen im Mini-Inkubator so schnell wie möglich ins Labor gebracht. „Manchmal haben wir nur eine Zelle zur Verfügung. Wir müssen deshalb sehr vorsichtig vorgehen, um sie nicht zu beschädigen.“

Diese Forschung ist aufwendig, die unterschiedlichen Mikroskope, die für einzelne Arbeitsschritte benötigt werden, sind zum Teil so kostspielig wie eine kleine Eigentumswohnung. Doch die Erkenntnisse sind wichtig. „Jeden Tag werden Frauen Eizellen in die Gebärmutter eingesetzt, obwohl wir noch nicht verstanden haben, was überhaupt genau bis zur Befruchtung passiert“, erläutert Schuh. So eröffnet sich in einer nur 100 Mikrometer großen Eizelle ein winziges Universum, das mehr Platz bietet, als man denkt. Zuletzt entdeckte Schuh dort eine Art molekulare Vorratskammer: „In einem sogenannten zytoplasmatischen Gitter werden unter anderem Proteine gelagert, auf die ein Embryo auf dem Weg durch den Eileiter zur Gebärmutter zurückgreifen kann.“ Für Schuh ist es ein „Wunder“, wie viele noch unentdeckte Rädchen ineinandergreifen müssen, damit im Körper einer Frau überhaupt ein neues Leben entstehen kann.