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Was steckt hinter den Lieferengpässen?

Derzeit fehlen zahlreiche Medikamente in Deutschland. „Die Lage ist und bleibt angespannt“, sagt Dr. Hans-Peter Hubmann, Vorsitzender des Deutschen Apothekerverbands (DAV) in Berlin. Auch Fiebersäfte und Antibiotika für Kinder waren zuletzt immer wieder knapp. Die Gründe dafür sind komplex. Viele Medikamente werden vor allem in China und Indien produziert. Lange und störanfällige Lieferketten sind die Folge. Kostendruck führt außerdem dazu, dass Unternehmen sich aus der Produktion zurückziehen. So werden viele Arzneimittel weltweit nur noch von einer Handvoll Firmen hergestellt. Schon eine leicht steigende Nachfrage oder Produktionsprobleme in einem einzelnen Werk können dann zu Engpässen führen.

Wie komme ich jetzt an die Arznei für mein Kind?

Am besten mit einem Rezept möglichst direkt in die Apotheke gehen – zum Beispiel in der Nähe der Kinderarztpraxis. Manchmal wissen Ärzte und Ärztinnen, was die Apotheke um die Ecke vorrätig hat und berücksichtigen das beim Verordnen. Wer ein chronisch krankes Kind hat, das dauerhaft ein bestimmtes Medikament braucht, sollte zudem vorausschauend planen. „Wir empfehlen Patienten, sich bereits dann um Nachschub ihres Medikaments zu kümmern, wenn sie noch einen Vorrat von ein paar Tagen zu Hause haben“, sagt Birgit Masekowitz, Arzneimittelreferentin beim Verband der Ersatzkassen (vdek) in Berlin.

Auch Hubmann rät dazu, sich rechtzeitig das nächste Rezept zu holen: „Dann hat das Apothekenteam ein paar Tage Zeit, um das Präparat zu besorgen.“ Natürlich ist es auch sinnvoll, einige rezeptfreie Medikamente zu Hause vorrätig zu haben, etwa Mittel gegen Fieber und Schnupfen. Aber: Der Vorrat sollte klein sein.

Was ist ein Versorgungsmangel?

Einen Versorgungsmangel gibt es relativ selten. Während man bei einem Lieferengpass oft auf andere Medikamente ausweichen kann, ist das bei einem Versorgungsmangel nicht möglich. Denn es gibt schlichtweg keine Alternativen. Das Bundesministerium für Gesundheit meldet den Mangel dann offiziell im Bundesanzeiger – so wie zuletzt für eine Reihe von Antibiotika für Kinder. Dadurch haben die Bundesländer die Möglichkeit, das strenge Arzneimittelgesetz an einigen Stellen zu lockern und die Einfuhr von Medikamenten aus dem Ausland zu erleichtern.

Konkret bedeutet das: Importiert werden dürfen auch Antibiotika, die in Deutschland nicht zugelassen oder registriert sind. Das kann etwa ein Saft aus Frankreich sein, der keine deutsche Verpackung hat. „Diese Regelung kann natürlich nur ein vorübergehender Schritt und keine endgültige Lösung sein“, sagt Hans-Peter Hubmann.

Wie kann die Apotheke helfen?

Das Apothekenteam fragt bei mehreren Großhändlern an oder kann eine benachbarte Apotheke kontaktieren, die das Mittel vielleicht vorrätig hat. In manchen Fällen können Apotheken versuchen, auf einen ähnlichen Wirkstoff auszuweichen, sofern der Kinderarzt oder die -ärztin einverstanden ist. „Bei immer mehr Verordnungen ist eine Rücksprache mit der Arztpraxis notwendig, damit das Rezept geändert wird“, erklärt DAV-Chef Hans-Peter Hubmann.

Etwas mehr Spielraum haben Apotheken bei Kindermedikamenten, die auf der sogenannten Dringlichkeitsliste stehen (siehe Kasten). Bei diesen Mitteln können sie ohne Rücksprache teilweise auf den gleichen Wirkstoff in anderer Darreichungsform ausweichen, also zum Beispiel Tabletten statt Saft abgeben. „Die Apotheke kann in solchen Fällen auch ein sogenanntes Rezepturarzneimittel ganz individuell für das Kind herstellen.“

Wie sicher sind Importe?

In der Regel unterscheiden sich importierte Medikamente aus anderen EU-Staaten nicht wesentlich von Arzneimitteln in Deutschland. „Es kann sein, dass es kaum oder gar keine Unterschiede gibt“, sagt Birgit Masekowitz vom vdek. Apotheker Hubmann betont, die importierten Medikamente seien in einem anderen europäischen Land von einer Behörde offiziell zugelassen worden: „Patientinnen und Patienten müssen also keine Angst haben, dass sie ein ungeprüftes Medikament bekommen.“

Manchmal fehlt lediglich ein deutscher Beipackzettel. „Packung und Packungsbeilage von importierten Medikamenten sind in der Sprache des Herkunftslandes bedruckt“, so Masekowitz. Eltern sollten daher in der Apotheke genau besprechen, was bei der Einnahme des Medikaments zu beachten ist.

Dringlichkeitsliste

Auf dieser Liste fasst das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte besonders wichtige Kindermedikamente zusammen, die möglicherweise knapp werden könnten. Dazu zählen bestimmte Schmerzmittel und verschiedene Antibiotika. Kommt es zum Engpass, kann die Apotheke für diese Mittel einfacher Alternativen organisieren.


Quellen: