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Als die Ärztin bei Liane Kupferer erhöhte Blutzuckerwerte feststellte, schien die Diagnose klar: Typ-2-Diabetes. „Ich war ja mit 57 im besten Alter dafür“, sagt die Patientin selbst. Doch manches war auffällig: Anders als die meisten Menschen mit Typ 2 war Liane Kupferer nicht übergewichtig. Auch hatte sie keine Verwandten mit dieser Erkrankungen. Und ihr Blutzucker blieb trotz Therapie mit Tabletten und lang wirkendem Insulin zu hoch. „Meine Hausärztin überwies mich in eine Diabetespraxis. Dort ergab ein Bluttest, dass ich die für Typ-1-Diabetes typischen Antikörper habe“, so Kupferer.

Ab da spritzte sie zusätzlich zu jedem Essen kurz wirkendes Insulin und passte die Dosis selbst an. Mit dieser intensivierten Insulintherapie, Standard bei Typ 1, sank der Blutzucker. Ähnliches erlebte Michael Stange.

Es ist nicht ungewöhnlich, dass Typ-1-Diabetes bei Menschen jen­seits des 50. Lebensjahres als Typ 2 diagnostiziert und therapiert wird. Letzterer tritt in dieser Altersgruppe sehr viel häufiger auf. „Gerade bei Übergewichtigen wird oft nicht an Typ 1 gedacht“, sagt Diabetologin Dr. Silvia Zschau aus München.

Typ 1: Ursachen unklar

Einst hieß Typ-1-Diabetes auch juveniler, also jugendlicher Diabetes. „Doch er kann in jedem Alter ausbrechen“, so Zschau. Dabei zerstört das Immunsystem die Zellen, die das blutzuckersenkende Hormon Insulin produzieren. Was zu dieser Reaktion führt, ist nicht im Detail geklärt.

Bei Typ-2-Diabetes dagegen sorgt meist eine Kombi aus Veranlagung, ungesundem Lebensstil und Übergewicht dafür, dass die Zellen schlecht auf Insulin ansprechen (Insulinresistenz). Zunächst helfen Bewegung und gesunde Ernährung. Reicht das nicht, kommen ­Arzneien dazu. „Auch einige Erwachsene mit Typ 1 sind übergewichtig und insulin­resistent“, so Zschau. Dadurch steigt der Insulinbedarf, was eine Gewichtszunahme fördert. Gegensteuern lässt sich mit gesunder Lebensweise. Mitunter kommen zusätzlich zum Insulin Mittel gegen Typ 2 infrage, die aber bei Typ 1 nicht zugelassen sind.

Bei Erwachsenen kann zudem eine Typ-1-Sonderform auftreten, die sich meist zumindest ein paar Monate lang ohne Insulin behandeln lässt. Ihr Kurzname LADA steht für „Latent Autoimmune Diabetes in Adults“. Übersetzt heißt das „verzögert auftretender, autoimmuner Diabetes bei Erwachsenen“. Die Zerstörung der insulinproduzierenden Zellen verlaufe dabei langsamer, so Prof. Peter Achenbach vom Helmholtz Zentrum München am Deutschen Zentrum für Diabetesforschung.

Wird Typ-1-Diabetes nicht rechtzeitig mit Insulin behandelt, droht eine gefährliche Übersäuerung. Daher wichtig: Bei Warnzeichen wie ständigem Durst, häufigem Wasserlassen und Gewichtsverlust rasch zu Arzt oder Ärztin gehen. Achenbach hat auch eine gute Nachricht: „Wer als Erwachsener Typ 1 bekommt, produziert oft dauerhaft noch etwas Insulin. Dadurch schwankt der Blutzucker weniger.“

Liane K., 57, aus Düsseldorf, Kundenbetreuerin

„Die Diagnose hat mich eiskalt erwischt“

In meiner Familie hat das niemand, wieso also ich? Die Diagnose Diabetes hat mich vor acht Monaten eiskalt erwischt. Dann stellte sich auch noch heraus, dass ich Typ-1-­Diabetes habe. Das bedeutet, dass ich mehrmals am Tag Insulin spritzen und die Dosis zum Essen präzise an den Kohlenhydratgehalt anpassen muss. Den richtig einzuschätzen, fällt mir noch immer schwer. Vertue ich mich, schießt der Blutzucker hoch oder ich unterzuckere. Ich trage ­einen Glukosesensor am Oberarm, der die Werte an mein Handy funkt, wo ich sie sehen kann und gewarnt werde, wenn der Zucker zu stark steigt oder fällt. Das hilft mir sehr, auch im Job. Da gehe ich offen mit der Erkrankung um. Auch mein Mann unterstützt mich. Trotzdem gibt es Tage, an denen ich mit dem Diabetes hadere. Gutgetan haben mir Gespräche mit anderen Betroffenen in einer Diabetesklinik. Viele sind anfangs durch dasselbe Jammertal gegangen wie ich.

Michael S., 70, aus Bad Orb, ehemaliger Chemielaborant

„Beim Wandern war ich plötzlich so schlapp“

Mein Diabetes ist während eines Familienurlaubs in Schweden ausgebrochen. Da war ich 50 Jahre alt. Obwohl ich Wandern liebe, fühlte ich mich plötzlich viel zu schlapp dafür, hatte dauernd Durst und Harndrang. Nach dem Urlaub war ich beim Hausarzt. Er ­diagnostizierte Typ-2-Diabetes und verordnete blutzuckersenkende Metformin-­Tabletten. Weil meine Zuckerwerte hoch blieben und ich immer dünner wurde, ging ich zum Diabetologen. Der hat mir nach einer Blutuntersuchung eröffnet, dass ich Typ-1-­Diabetes habe und Insulin spritzen muss. Durch die Insulintherapie ging es mir sofort besser. Ich hatte wieder genug Energie, um mit meiner Frau als Wander- und Naturparkführer im Spessart unterwegs zu sein. Das machen wir immer noch regelmäßig. Auch privat unternehmen wir viel in der Natur. Mein Blutzucker-Langzeitwert HbA1c liegt auch dank der vielen Bewegung immer in einem guten Bereich. Darauf bin ich stolz.


Quellen:

  • Robert Koch Institut: Inzidenz und Prävalenz des Typ-1-Diabetes in Deutschland. Online: https://diabsurv.rki.de/... (Abgerufen am 13.04.2024)
  • Costa J et al.: A Case of Late Diagnosis of Latent Autoimmune Diabetes in Adults. Cureus: https://www.cureus.com/... (Abgerufen am 13.04.2024)
  • Leslie R et al.: Adult-Onset Type 1 Diabetes: Current Understanding and Challenges. In: Diabetes Care: 01.01.2021, https://doi.org/...
  • Holt R et al.: The management of type 1 diabetes in adults. A consensus report by the American Diabetes Association (ADA) and the European Association for the Study of Diabetes (EASD). In: Diabetologia: 01.01.2021, https://doi.org/...
  • Meyer R: Typ-1-Diabetes: Auch Erwachsene erkranken. Perspektiven der Diabetologie | Deutsches Ärzteblatt: https://www.aerzteblatt.de/... (Abgerufen am 13.04.2024)