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Könnt ihr einen Unterschied erkennen?“, fragt Constanze Kilian und hält zwei violett blühende Pflanzen in die Höhe. Um sie herum haben sich vier Frauen und drei Kinder versammelt. Sie haben sich heute am Rande des schwäbischen Örtchens Weidenstetten getroffen, um eine Kräuterwanderung zu unternehmen. Das Wetter ist ideal, das Sonnenlicht lässt die Blüten in Kilians Hand leuchten.

„Gundermann und Günsel werden oft verwechselt“, erklärt sie. Auf den ersten Blick sehen sie sich wirklich ähnlich. Beim genaueren Hinsehen fällt auf, dass der Gundermann bis oben hin Blätter hat, während der Günsel mit Blüten abschließt. „Der Gundermann kriecht so lange am Boden entlang, bis er genügend Sonne bekommt. Dann richtet er sich auf und blüht.“ Der Günsel blüht von Anfang an, seine Blüten sind etwas kürzer – und er hat mehr davon.

Tee mit Zaubertrick

Beide Pflanzen seien vielseitig einsetzbar, erklärt Kilian weiter. Blüten und Blätter des Günsels lassen sich beispielsweise trocknen und als Tee aufbrühen. „Der ist super bei Verdauungsbeschwerden“, erklärt die Kräuter- expertin. Das liege an seinen vielen Gerbstoffen. Auch aus Gundermann kann man Tee zubereiten, „der ist eher was für die Bronchien.“ Er wirke schleimlösend und erleichtere das Abhusten.

Zum Günsel-Tee kennt Kilian auch einen Zaubertrick: Gibt man etwas Zitronensaft hinzu, färbt sich das Getränk von Grün zu Violett. Diese Farbreaktion klappt aber nur, wenn man den Tee aus frischen Blüten zubereitet. Gundermann ist überdies ein beliebtes Würzkraut, er schmeckt minzig bis harzig. Wichtig: Wildkräuter vor dem Verzehr immer gut waschen und aussortieren, „nicht, dass Fuchskot oder so was dran ist“.

Wissenswert für jedes Alter

Kilian zeigt auf eine üppig gelb blühende Pflanze: „Und was ist das?“ – „Löwenzahn, das ist ja leicht“, rufen die Zwillinge Maja und Marie. Obwohl sie erst acht Jahre alt sind, kennen sie sich super aus im Pflanzenreich, genau wie ihre jüngere Schwester Lilly. „Wir wohnen sehr naturnah“, erklärt ihre Mutter, „es ist mir wichtig, dass sie wissen, was giftig ist.“ Doch nicht nur Kinder haben etwas von einer Kräuterwanderung: „Hier lernt jeder was dazu“, meint eine ältere Teilnehmerin. Viele fangen an, nach Pflanzen zu suchen, die sie noch nicht kennen. Die Kinder binden Kränzchen aus Gänseblümchen und Löwenzahn und sind selig. „Ich dachte, wir wollten wandern“, sagt die Kursleiterin und lacht. Noch immer stehen wir auf der Lichtung, auf der wir uns getroffen haben.

Die Runde sei nicht groß, erklärt Kilian. „Wenn man normal geht, schafft man das in unter einer Stunde.“ Wir brauchen mehr als zwei. Zu fast jedem Pflänzchen weiß die Kräuterexpertin etwas Interessantes oder Unterhaltsames zu erzählen. Seit etwa fünf Jahren bietet die ausgebildete Floristin und Gartentherapeutin Führungen und Kurse an.

„Giersch kennt ihr alle, oder?“, fragt Kilian und zeigt auf eine üppig wachsende, grüne Pflanze am Wegesrand. „Ja, aber den mag ich nicht“, stöhnt eine Teilnehmerin auf. „Ich hab ihn überall im Garten und krieg ihn nicht mehr los.“ „Das Einzige, was hilft, ist: aufessen“, sagt Kilian und schmunzelt. Die Blätter schmecken ein bisschen wie Sellerie. „Manche sagen auch: nach Petersilie“, so Kilian. Man könne sie ähnlich in der Küche ein- setzen, etwa in Suppe und Salat. Auch die Knospen, Blüten und Früchte kann man essen. Die Pflanze enthält viele Vitamine und Mineralstoffe und wirkt entsäuernd. „Das ist super für die Gelenke, etwa bei Rheuma oder Arthrose“, erklärt Kilian.

Lecker und heilsam

Auf einer kleinen Anhöhe halten wir an und essen „Wiesenküchlein“, die Kilian für uns gebacken hat. Sie schmecken herrlich frisch, ein bisschen zitronig. „Da ist viel von dem drin, was wir gerade gesammelt haben“, sagt sie.

Wir sammeln nicht nur Schmackhaftes, sondern auch Heilsames: Spitzwegerich, der in der Mitte des Feldwegs wächst, hilft gegen Insektenstiche. „Einfach ein paar Blätter zusammenknüllen und draufdrücken, dann juckt’s nicht mehr und die Schwellung geht zurück“, sagt Kilian. Ein „Wiesenpflaster“ könne man auch aus dem verwandten Mittel- oder Breitwegerich basteln. Wer mit Lippenherpes zu kämpfen hat, sollte es mit Zitronenmelisse probieren: Die in der Pflanze enthaltene Rosmarinsäure wirkt der Vermehrung des Herpesvirus nachweislich entgegen.

Kilian hält Lilly ein fast herzförmiges Blatt hin: „Nach was riecht das?“ „Knoblauch!“, ruft die und rümpft die Nase. „Richtig, das ist Knob- lauchsrauke“, sagt die Expertin und zeigt auf eine weiß blühende Pflanze im Unterholz. Eifrig pflückt eine Teilnehmerin einige Blätter: „Damit mache ich mir Kräuterbutter!“ Sie ist schon zum zweiten Mal dabei. „Ich genieße es, hier draußen zu sein“, sagt sie. Am Ende sind alle zufrieden – und können es kaum erwarten, ihre Funde zu Hause zu verarbeiten.

Rezept für Wiesenküchlein

Zutaten:

ca. 50 Gramm milde Wiesenkräuter (z.B. Löwenzahnblüten, Giersch, Brennessel, Spitzwegerich)

175 ml Pflanzenöl

2 Eier

120 Gramm Zucker

150 Gramm Mehl

1 Teelöffel Backpulver

Saft einer Zitrone oder Vanillezucker

Zubereitung:

Kräuter waschen und klein hacken, im Mixer mit dem Öl pürieren. Eier und Zucker schaumig aufschlagen, Mehl mit Backpulver mischen, im Wechsel mit Kräuteröl dazugeben. Mit Zitrone oder Vanille aromatisieren. Teig in Muffinförmchen einfüllen, bei 180 Grad Celsius ca. 20 Minuten backen. Abkühlen lassen, wahlweise mit weißer Schokolade beträufeln und genießen.


Quellen:

  • Constanze Kilian: Rezept für Wiesenküchlein, Grünsehen - Naturerleben. Online: https://gruensehen-gartentherapie.de/... (Abgerufen am 23.05.2024)
  • NABU Mecklenburg-Vorpommern: Der Gundermann, Eine große Bereicherung für Hausapotheke und Küche . Online: https://mecklenburg-vorpommern.nabu.de/... (Abgerufen am 13.05.2024)
  • NABU Nordrhein-Westfalen / naturgucker.de: Kriechender Günsel, Ajuga reptans. https://nrw.nabu.de/... (Abgerufen am 13.05.2024)
  • Naturschutzbund Deutschland Stadtverband Bochum e. V.: Giersch, Aegopodium podagraria . Online: https://nabu-bochum.de/... (Abgerufen am 13.05.2024)
  • NABU (Naturschutzbund Deutschland) e. V.: Spitzwegerich, König des Wegesrands. Online: https://www.nabu.de/... (Abgerufen am 13.05.2024)
  • Naturschutzbund Deutschland (NABU) Landesverband Nordrhein-Westfalen e.V. / naturgucker.de: Knoblauchsrauke, Alliaria petiolata. Online: https://nrw.nabu.de/... (Abgerufen am 13.05.2024)
  • Schnitzler P, Schuhmacher A, Astani A et al. : Melissa officinalis oil affects infectivity of enveloped herpesviruses. In: Phytomedicine 03.09.2008, 15: 734-740
  • NABU (Naturschutzbund Deutschland) e. V.: Sanfte Medizin für Körper und Seele, Die (Zitronen-)Melisse im Porträt. Online: https://www.nabu.de/... (Abgerufen am 13.05.2024)