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Wenn Dr. Andrea Nakoinz an die kommenden Wochen denkt, hat sie ein ungutes Gefühl. „Es hatte ja schon Ende März stellenweise fast 25 Grad“, sagt die auf Hitzeschutz spezialisierte Ärztin von der Deutschen Allianz Klimawandel und Gesundheit in Berlin (KLUG). „Ich gehe davon aus, dass es dieses Jahr noch heißer und feuchter wird als im vergangenen Jahr.“

Dabei war schon 2023 laut der Weltwetterorganisation (WMO) das wärmste Jahr seit Beginn der Aufzeichnungen – auf der ganzen Welt.In Europa besonders extrem war der Rekord von 48 Grad im Juli auf Sardinien. Doch auch in Deutschland war es ungewöhnlich heiß, was vielen Menschen gesundheitlich zu schaffen machte. Laut Robert Koch-Institut (RKI) gab es vergangenes Jahr mindestens 3200 hitzebezogene Sterbefälle.

Maßnahmen erst am Anfang

Inzwischen ist die Regierung mit einem nationalen Aktionsplan aktiv, um die Bevölkerung besser durch die Hitzesommer zu bringen. Zum Beispiel können Kommunen unter www.hitzeservice.de zahlreiche Maßnahmen zum Hitzeschutz abrufen. Pflegedienste und Pflege- heime haben Informationen erhalten, was Pflegebedürftige an heißen Tagen brauchen. Künftig sollen auch die Hitzewarnstufen des Deutschen Wetterdienstes weiterentwickelt werden. Die Bevölkerung soll durch Apps oder SMS-Warnungen so noch besser informiert werden. „Krankenhäuser, Ärztinnen und Ärzte sind ebenfalls besser vorbereitet und sollen Patientinnen und Patienten öfter Aufklärungsgespräche anbieten“, sagt Nakoinz.

Im Alter empfindlicher

„Denn Hitze kann Menschen erstaunlich schnell an ihre Grenzen bringen“, weiß Oberärztin Dr. Uta Liebers von der Evangelischen Lungenklinik Berlin-Buch. „Ab 32 Grad wird es noch mal mühsamer“, so die Expertin, die an der Charité erforscht, welchen Einfluss Hitze auf chronisch Kranke hat. Der Körper stellt die Gefäße weiter, um die überschüssige Wärme über die Hautoberfläche loszuwerden – was den Blutdruck senkt. Gleichzeitig erhöht sich die Pumpleistung des Herzens, der Puls steigt und man beginnt zu schwitzen. Beim Verdunsten entsteht Kälte. „Dieser Prozess ist der wirksamste Mechanismus, um den Körper abzukühlen.“

Menschen, bei denen oft mehrere Risikofaktoren zusammenkämen – etwa hohes Alter, chronische Krankheiten, die Einnahme von blutdrucksenkenden oder entwässernden Medikamenten –, würden ihre Ausgleichsmöglichkeiten aber relativ schnell überschreiten. „Ältere beginnen generell später zu schwitzen und werden deshalb die Wärme nicht so gut los. Das kann ein nicht mehr ganz so leistungsfähiges Herz überanstrengen“, erklärt die Ärztin. Da die Hitze auch die Belastung durch schädliche Partikel wie Feinstaub und Treibhausgase verstärkt, verschlimmern sich oft bestehende Atemwegsprobleme wie die chronisch obstruktive Lungenerkrankung (COPD) oder Asthma.

Achtung: Sonnenstich und Hitzschlag Wer sich auch noch zu viel Sonne zumutet, kann einen Sonnenstich bekommen. Die übermäßige Wärme führt zu Irritationen des Gehirns und der Hirnhaut. Betroffene haben oft einen heißen, geröteten Kopf, klagen über starke Kopf- und Nackenschmerzen sowie Übelkeit. Einigen ist auch schwindelig. Lebensgefahr besteht bei einem Hitzschlag. Durch die Überhitzung des Körpers steigt in der Folge die Körpertemperatur an. Warnsignale sind plötzliche Verwirrtheit, Krampfanfälle, Erbrechen, Benommenheit und Fieber über 40 Grad. Dann heißt es: Betroffene sofort in einen kühlen Raum bringen, den Rettungsdienst rufen und versuchen, den überhitzten Körper abzukühlen, etwa mit feuchten, lauwarmen Wickeln an den Armen, Beinen und im Nacken.

Besonders problematisch: Viele sind sich der Gefahr durch Hitze nicht bewusst. So ergab eine Studie der Universität Erfurt, dass von den Menschen, die einer gefährdeten Gruppe angehören, mindestens ein Drittel das persönliche Risiko unterschätzt – und sich zu wenig schützt. Auch wer Risikopersonen betreut, weiß oft nicht ausreichend über Hitzeprobleme Bescheid. Fühlt sich die Welt also wie ein Backofen an, sollte man auf Warnzeichen achten. Der Organismus funkt auch SOS, wenn man gereizt ist, Kopfschmerzen hat, den halben Tag nicht auf die Toilette muss oder der Urin dunkel ist. Einen weiteren Hinweis auf Flüssigkeitsmangel gibt die Beschaffenheit der Haut. „Sie spannt sich nur langsam wieder, wenn man sie am Unterarm leicht zusammenkneift“, so Liebers.

Das Richtige trinken

Am besten kommt es erst gar nicht so weit. „Das A und O ist, genug zu trinken“, betont die Ärztin. Bei großer Hitze kann der Flüssigkeits- bedarf deutlich über zwei Liter steigen. Am besten eignen sich Wasser und verdünnte Saftschorlen. Menschen mit fortgeschrittener Herz- und Nierenschwäche sollten zur Menge ärztliche Rücksprache halten. Was noch hilft, verraten die Tipps im Beitrag.

Kommunen bereits aktiv

„Hitzeschutz ist ein Prozess. Wir alle lernen gerade noch, wie das funktioniert“, sagt Nakoinz. In Frankreich dagegen weiß man schon seit mehr als 20 Jahren, wie man mit 35-Grad-Tagen besser umgeht: Dort entstand als Reaktion auf den heißen Sommer 2003 bereits ein Hitzeschutzplan. Er sieht etwa vor, dass Museen bei Hitze kostenlos zugänglich sind und Postboten bei Älteren im ländlichen Gebiet nach dem Rechten sehen. Doch auch bei uns tut sich einiges. In Straubing gehen Hitzepaten für Ältere einkaufen, Säulen versprühen kühlenden Wassernebel. In immer mehr Städten werden neue Bäume gepflanzt, um dem Hitzestau entgegenzuwirken. Kühle Orte findet man auf interaktiven Karten wie kuehle-orte.nuernberg.de oder erfrischungskarte.odis-berlin.de. Was im eigenen Ort passiert, erfährt man aber oft nicht. „Fragen Sie beim Seniorenbeirat nach Angeboten und Initiativen“, rät Nakoinz. Denn eines ist sicher: Die nächste Hitzewelle kommt bestimmt.

Interview mit Apothekerin Dr. Schamim Eckert

„Pflaster geben bei Hitze Wirkstoffe schneller ab“

Frau Dr. Eckert, 26 Grad in der Dachgeschosswohnung – was muss man jetzt beachten?

Dr. Schamim Eckert: Für manche Medikamente ist Hitze schlecht. Außerdem verhält sich der Körper in der Hitze besonders.

Manche Medikamente wirken also schlechter oder anders?

Ja, Schmerzmittelpflaster etwa geben den Wirkstoff schneller ab, weil bei Hitze die Gefäße weit gestellt sind. Konservierungs- oder Wirkstoffe bauen sich schneller ab. Gerade niedrig dosierte Mittel wirken unter Umständen nicht richtig.

Also lieber kühl lagern?

Und trocken! Also bitte die Hausapotheke nicht im Bad aufbewahren. Meistens sind 15 bis 25 Grad zur Lagerung empfohlen. Bei Tabletten ist es oft kein Problem, wenn es wärmer wird. Aber Zäpfchen können schon mal schmelzen, Salben und Cremes sich in ihre Bestandteile trennen. Bei Flüssigkeiten schauen, ob sie noch klar sind. Im Zweifel in der Apotheke nachfragen.

Manchen schlägt die Hitze auf den Kreislauf.

Wenn dann noch entwässernde Medikamente oder andere Blutdrucksenker dazukommen, kann das zu Schwindel und Stürzen führen. Oder die Nieren werden stark belastet, weil zu wenig Flüssigkeit im Körper ist.

Und bei Vorerkrankungen?

Hier besonders aufpassen und ärztlichen Rat einholen. Etwa bei Herz-Kreislauf- und Gefäßerkrankungen. Auch bei Diabetes: Insulin gelangt bei Hitze schneller ins Blut. Man muss es vor Wärme schützen, es ist hitzeempfindlich!

Haben Sie noch einen Tipp?

Medikamente möglichst nicht vorzeitig aus der Verpackung nehmen und auf dem Tisch liegen lassen. Und die Tabletten-Box kühl, trocken und lichtgeschützt lagern – ein Schränkchen im Schlafzimmer oder im Flur ist ideal.

4 Leserinnen und Leser erzählen, wie sie mit Sommerhitze umgehen:

„Ein Hut und viel Sonnencreme“

Marlene Pauly-Burchatzky, 73, aus St. Peter-Ording:

„An der Nordsee haben wir steten Wind. Man spürt die Sonne nicht so sehr. Umso mehr muss man aufpassen! Ich ziehe mich luftig an, trage Hut, creme mich gut ein. Und gehe früh los. Morgens ist es selbst im Hochsommer noch frisch. Das Wasser hat 22 Grad – genau die richtige Temperatur für ein Bad. Ich liebe diese Stille, das Geräusch, wie die kleinen Wellen an den Sand schwappen. Die Möwen beobachten, das ist einfach nur Entspannung. Seit mein Mann gehbehindert ist, komme ich alleine hierher. In jungen Jahren haben wir oft mit Freunden am Strand gesessen, die Strandkörbe zusammengestellt und uns den Sonnenuntergang angeschaut.“

„Obstbäume spenden natürlichen Schatten“

Margret Tensfeldt, 68, aus Tarbek:

„Die rot-weiß gestrichene Bank ist mein Lieblings-Schattenplatz. Um mich herum wachsen Obstbäume, sie sorgen für natürliche Kühle. Irgendwo streifen meine Hündin Flora und die Katzen Pippi und Lotta durchs Gebüsch. Wenn ich hier sitze und sie beobachte, fühlt es sich an wie Ferien in Astrid Lindgrens Bullerbü. Den Garten habe ich von meiner Schwiegermama übernommen. Als ich sie gepflegt habe, entdeckte ich die Liebe zum Gärtnern. In der Erde zu buddeln gab mir viel Kraft. Das ist bis heute so. An extrem heißen Tagen aber bin ich faul und suche mir ab Mittag einen kühlen Raum im Haus.“

„Angenehmer Luftzug im Stadtgraben“

Hans-Peter Reck, 70, aus Gräfenberg:

„Unser Stadtgraben sieht aus wie ein Garten. Kaum zu glauben, dass das Areal bis vor einigen Jahren verwüstet war. Mit der Unterstützung von Helfern der Altstadtfreunde haben wir es hergerichtet. An heißen Tagen sitze ich am liebsten auf einer der Bänke im Schatten, beobachte die Leute und genieße das kühle Lüftchen. Durch den nahen Bach, die Kalkach, ist es im Stadtgraben immer ein paar Grad kühler als oben in der Altstadt mit Kopfsteinpflaster. Ich habe schon als Bub hier gespielt, mit Freunden Lager gebaut, mich versteckt, anderen aus Spaß aufgelauert. Jede Ecke hier steckt voller Erinnerungen.“

„Kühle hinter dicken Museumswänden“

Barbara Michal, 63, aus Straubing:

„Ich leite das Kreismuseum auf dem Bogenberg. Es ist ein geschichtsträchtiger Ort, mit einer Wahnsinnsaussicht über die Donau und den Gäuboden. Schon seit dem Mittelalter pilgern Wallfahrer herauf, besuchen die Kirche und heute auch das Museum – und freuen sich wie ich an Hitzetagen über die Kühle hinter den meterdicken Wänden. Hier gibt es erfrischende Getränke und man kann sich vom Audioguide erzählen lassen, was es etwa mit den Riesenfiguren wie dem heiligen Nikolaus oder Bartholomäus auf sich hat. Und warum die berühmten bayerischen Rauten von hier stammen.“

Verhaltens-Tipps bei Sommerhitze:

Einen Gang runterschalten

Jede Art von Muskelbewegung produziert Wärme, erhitzt also zusätzlich. Körperliche Arbeit vermeiden! Kein Stadtbummel, keine Gartenarbeit. An Hitzetagen nur das Nötigste tun.

Clever lüften

Frühmorgens oder nachts: die Fenster nur öffnen, wenn es draußen kühler ist als drinnen. Dann mit Durchzug! Tagsüber Glasfronten mit Jalousien oder Sonnenverdecken abschotten. Gerade an Südseiten und Dachfenstern sind lichtabweisende Vorhänge und reflektierende Folien nützlich.

Den inneren Kühlschrank füllen

Bei Hitze leichtes, lauwarmes Essen bevorzugen. Ideal sind mehrere kleine und wasserreiche Mahlzeiten, etwa Suppe mit Gemüse oder Kopfsalat mit Gurke, Tomaten und Radieschen. Als gesunde Snacks zu Erdbeeren oder Melonenscheiben greifen.

Für Nachschub sorgen Was die Motivation zum Trinken erhöht: große, hübsche Gefäße, bei Bedarf mit Trinkhalm. Für Abwechslung sorgen: Wasser mit Gurke, frischen Kräutern oder Ingwer aufpeppen. Apps fürs Handy können alle halbe Stunde ans Trinken erinnern. Oder die nette Nachbarin auf ein Getränk einladen.

Täglich ein Cool-down

„Der Körper sollte mindestens einmal am Tag richtig abkühlen“, sagt Ärztin Nakoinz. Etwa bei einem Kirchenbesuch in der Nähe. Ebenso effektiv: kühle Fußbäder, feuchte Wickel, Kühlwadenschoner. Auch ein Ventilator kann laufen, aber ohne Zugluft.

Die Weichen stellen

Wer weiß, dass es heiß wird, kann sich wappnen. Also: die Wetter-App im Auge behalten oder sich eine Warn-App wie NINA installieren. Dann lassen sich Termine rechtzeitig schieben. Auch wichtig: genug wasserreiche Lebensmittel zu Hause zu haben und zu wissen, wie die Medikation anzupassen ist.


Quellen:

  • World Meteorological Organization, Genf: Climate change indicators reached record levels in 2023: WMO. Online: https://wmo.int/... (Abgerufen am 02.05.2024)
  • Robert Koch-Institut, Berlin: Gesundheitliche Auswirkungen von Hitze, Wochenbericht zur hitzebedingten Mortalität. Online: https://www.rki.de/... (Abgerufen am 02.05.2024)
  • Institute for Planetary Health Behaviour (IPB), Universität Erfurt: Gesundheitsrisiken durch Hitze: PACE gibt Handlungsempfehlungen für mehr Aufklärung. Online: https://www.uni-erfurt.de/... (Abgerufen am 02.05.2024)
  • C. Becker, A, Herrmann, Robert-Bosch-Krankenhaus Stuttgart, Heidelberger Institut für Global Health, Universitätsklinikum Heidelberg: Neue Wege zur Prävention gesundheitlicher Risiken und der Übersterblichkeit von älteren Menschen bei extremer Hitze. Bundesgesundheitsblatt: https://www.klinikum.uni-muenchen.de/... (Abgerufen am 02.05.2024)