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Reinhold Messner, 79, hat als erster Mensch alle 14 Achttausender-Gipfel bestiegen – ohne zusätzlichen Flaschensauerstoff. Im Interview mit der Apotheken Umschau spricht er über das Leben mit seiner Ehefrau Diane, 44, das angespannte Verhältnis zu seinen Kindern und wie das Glück im Leben gelingen kann.

Herr Messner, wenn man Sie auf Schloss Juval in Südtirol besuchen möchte, kommt man ganz schön ins Schwitzen.

Reinhold Messner: (lacht) Ja, wenn Sie vom Tal hochlaufen auf jeden Fall. Und selbst vom Parkplatz aus sind es noch mal 100 Höhenmeter. Das hält mich und meine Frau Diane fit. Wir müssen Essen und Einkäufe hochtragen.

Haben Sie die vielen Stufen je gezählt?

Messner: Nein, besser nicht. Aber es ist schon eine kleine Trainingseinheit.

Wie halten Sie sich denn generell fit?

Messner: Gehen, leichtes Bergangehen. Das ist wichtig. Und geistig fit bleibe ich, weil ich mir immer neue Herausforderungen suche.

Woher kommt dieser Antrieb?

Messner: Erstens ist es Veranlagung. Vieles wird einem mitgegeben bei der Geburt. Zweitens motivieren mich Erfolge. Zuerst wird eine Idee im Kopf bearbeitet, tagsüber und nachts, im Halbschlaf oder wenn ich nicht schlafen kann. Daraus wird eine Herausforderung. Danach erst plane ich und lege los. Aktuell beschäftigt mich ein Filmprojekt, in dem es um die Expedition am K2 1954 geht.

Sie sind sehr umtriebig: machen Filme, halten Vorträge, Ende August erscheint Ihr neues Buch. Worum geht es darin?

Messner: „Gegenwind“ ist eine Biografie, mit dem Hintergrund, dass ich alle meine Projekte gegen Widerstände, zum Teil schlimmster Natur, durchgesetzt habe. Ich glaube nicht, dass es viele Menschen gibt, die so viele Widerstände erlebt haben. Natürlich ist eine Felswand oder ein Berg auch ein Widerstand. Aber solche habe ich freiwillig gesucht und versucht zu überwinden. Auf andere, wie Anfeindungen oder auch private Rückschläge, hätte ich verzichten können.

Wen fragen Sie um Rat, wenn Sie einen brauchen?

Messner: Das ist schwierig. Schon allein deshalb, weil ein Rat Verantwortung bedeutet. Ich meine, man hat auch Verantwortung, wenn man einen Rat gibt. Ich stehe etwa auf der Bühne und sage: „Ich rate niemandem, das nachzumachen, was ich hier vortrage.“ Im Gegenteil, ich warne vor dem, was ich getan habe. Wenn ich ein Problem habe, dann bespreche ich das mit meiner Frau. Sie ist meine einzige Ansprechpartnerin.

Wie ist das mit Ihren Kindern?

Messner: Unser Verhältnis ist angespannt. Einer meiner größten Fehler war: Ich habe ihnen vor meinem Ableben testamentarisch den Großteil meines Vermögens überlassen. Sie verstehen nicht, dass alles geschenkt war und schätzen den Wert meiner Großzügigkeit nicht.

Verletzt Sie das?

Messner: Es enttäuscht mich. Ich habe nichts von meinen Eltern geerbt und ich bin glücklich darüber. Es war nichts da außer Respekt und Dankbarkeit. Wir waren eine große Familie, viele Geschwister, und wir haben uns um unsere Eltern im Alter gekümmert. Bei mir ist es umgekehrt. In dem Moment, als ich mein materielles Erbe an die Kinder und Ehefrau verteilt hatte, zerbrach die Familie. Die Frage, wer mehr bekommen hat, stand im Vordergrund und ich stand mit 75 am Abgrund.

Würden Sie sich wünschen, dass sich Ihr Verhältnis wieder bessert?

Messner: Welcher Vater oder welcher Elternteil wünscht sich das nicht.

Kann es sein, dass die Fußstapfen vielleicht zu groß sind?

Messner: Jeder muss seine eigene Spur treten, seinen eigenen Weg gehen.

Nie hätte ich gedacht, dass ich nochmals der Liebe begegne

Sie sind zum zweiten Mal verheiratet. Wie sind Sie Ihrer Frau Diane begegnet?

Messner: Der Rauswurf 2017 aus der gemeinsamen Wohnung durch meine damalige Frau war ein Schock für mich. Nie hätte ich gedacht, dass ich nochmals der Liebe begegne. Diane hat im Sommer 2018 einen meiner Vorträge in Südtirol besucht. Bei einem Kulturfest in Bruneck. Sie wollte ein Selfie mit mir und wir kamen ins Gespräch. Ich habe sie nach ihrer Nummer gefragt. Diese musste sie in mein Telefon eingeben, da ich nicht so firm bin mit der Digitalisierung. Am nächsten Tag habe ich Diane angerufen und mich mit ihr zum Essen verabredet.

Und dann war schnell klar für Sie beide, dass das was wird?

Messner: Nein, es war keine Liebe auf den ersten Blick. Diese hat sich entwickelt und entwickelt sich immer weiter. Wir haben uns peu à peu kennengelernt. Ich habe ihr von Anfang an gesagt, worauf sie sich da einlässt, was sie wissen muss, über mich und mein Leben. Es ist mein großes Glück, dass ich im höheren Alter eine bezaubernde Frau an meiner Seite habe. Und das zweite große Glück ist, dass sie das beherrscht, was ich nicht kann und dass wir uns ergänzen. Sie ist die Einzige, die meine Haltung, mein geistiges Erbe in die Zukunft tragen kann.

Was können Sie denn nicht?

Messner: Ich bin nicht internetaffin.

Aber Sie haben doch einen Instagram-Account …

Messner: Den pflegt Diane für mich, mit meinem Input. Das bedenken die jungen Leute heute nicht, dass es eine ganze Generation gibt, so von Mitte 70 bis 90, die mit der digitalen Welt wenig anfangen kann, praktisch gesehen. Das alles ist schwierig und ist in der Politik nicht bedacht worden. Onlinebanking zum Beispiel, auch ein großes Thema.

Sie werden bald 80 Jahre alt. Sind Sie traurig, dass Sie und Ihre Frau sich erst so spät kennengelernt haben?

Messner: Wenn wir uns früher kennengelernt hätten, hätten wir die Welt aus den Angeln gehoben. Aber: Früher war ich viel mehr unterwegs. Ich glaube, auch wenn ich Diane erst spät kennengelernt habe, dass ich mit ihr die meiste Zeit verbracht habe.

Mit welchen Macken muss Diane leben?

Messner: Dass ich konzentriert in meinen Sachen aufgehen kann. Diese Art Fokussierung ist nicht einfach für jemanden, der dabei ist. Und dass ich ihr alle Verantwortung überlasse, die bürokratische und organisatorische Dinge betrifft.

Glück ist nicht erjagbar oder kaufbar

Neben Ihrer Frau, was macht Sie glücklich?

Messner: Glück ist nicht erjagbar oder kaufbar. Und es wird uns auch nicht geschenkt. Glück passiert, wenn wir unsere eigenen Ideen in die Tat umsetzen. Dabei entsteht gelingendes Leben. Nicht gelungenes Leben, sondern gelingendes Leben im Hier und Jetzt. Das ist gleichzeitig Glück. Es wird uns erst später bewusst. Denn wenn wir ganz bei der Sache sind, ist da gar kein Platz zu fragen, bin ich jetzt glücklich oder nicht. Glück ist nichts anderes als in seinem Tun, seiner Sache, seinen Beziehungen aufzugehen.

Denken Sie über Ihre Endlichkeit nach?

Messner: Und wie! Auch indem ich mir vorstelle, wie die Welt ohne mich wohl funktionieren wird.

Wird sie?

Messner: Ja, ganz gleich wie vorher. Es spielt keine Rolle. Wir sind alle ersetzbar.

In Ihrem Alter, welche Laster sind erlaubt?

Messner: Je älter man wird, umso mehr. Zeit wird immer knapper, warum soll ich sie nicht genießen? Zeit mit meiner Diane, guten Rotwein, den ich mir gönne. Ich mag Blauburgunder. Der wächst unterhalb vom Schloss.

Wie wollen Sie denn Ihren 80. feiern?

Messner: Alle runden Geburtstage habe ich gefeiert, auch im größeren Stil. Man hat selber nichts davon, wenn man sich nur um seine Gäste kümmert, und es werden immer welche beleidigt sein, weil sie eine Einladung erwarten, vergessen werden oder vielleicht auch nicht Platz haben. Unter Umständen ziehen Diane und ich für den 80. auf eine kleine Berghütte auf 2000 Metern und feiern nur zu zweit.