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Simone Rethel-Heesters spielte in zahlreichen TV-Produktionen wie etwa „Der Alte“ oder „Diese Drombuschs“, widmet sich außerdem seit langem auch der Fotografie und Malerei. Die Schauspielerin, die 1949 in Herrsching am Ammersee geboren wurde, war von 1992 bis zu dessen Tod mit dem 46 Jahre älteren Entertainer Johannes „Jopie“ Heesters verheiratet. Er starb 2011. Im Interview spricht Simone Rethel-Heesters über ihre Handwerkskünste, Diskriminierung im Alter und den Altersunterschied zu ihrem Mann.

Frau Rethel-Heesters, Sie sagen: Die Älteren werden in unserer Gesellschaft diskriminiert – und das wird viel zu wenig thematisiert.

Simone Rethel-Heesters: Ja, dabei regen wir uns über so viele Formen der Diskriminierung auf. Wir werden alle alt, und doch wird das Thema Alter ausgeschlossen. Alles muss jung sein, angeblich wollen nicht einmal alte Menschen alte Menschen im Fernsehen sehen. Wir müssen zu einer anderen Einstellung finden, damit keine Angst vor dieser Zeit des Lebens aufkommt.

Ist der „wohlverdiente Ruhestand“ ein Reizbegriff für Sie?

Rethel-Heesters: Absolut. Ruhestand bedeutet oft Stillstand – und der ist Gift für Körper und Geist. Es sei jedem gegönnt, sich zur Ruhe zu setzen. Aber warum ist es eine Pflicht? Ich plädiere dafür, dass auch ältere Menschen das Recht auf eine sinnvolle Aufgabe haben und sich gebraucht fühlen dürfen. Dann hätten wir mehr gesündere ältere Menschen.

Jemand, der verrentet wurde, kann sich ein Hobby oder Ehrenamt suchen.

Rethel-Heesters: Aus dem Ruhestand heraus wieder Anschluss zu finden, fällt schwer. Eigentlich muss man sich schon vorher etwas aufbauen, sonst fehlt das Netzwerk, du gehörst nicht mehr dazu. Bei einigen Ehrenämtern werden Ältere mitunter ausgenutzt.

Sie haben dazu auch ein Buch und Hörbuch herausgebracht: „Alterslos–Grenzenlos“.

Rethel-Heesters: Ja. Darin unterhalte ich mich mit 26 Menschen, die sich nicht zur Ruhe setzen, sondern weitermachen. Die erfüllt sind von dem, was sie tun.

Ihr Ehemann Johannes Heesters wurde 108 Jahre alt. Hat das Ihren Blick aufs Altern geschärft?

Rethel-Heesters: Nein. Mir war das Alter nie wichtig, sondern ob ein Mensch interessiert, neugierig, aktiv ist. Ich wollte nie zwischen Alt und Jung trennen.

Ihr Mann war ein Paradebeispiel dafür, wie Neugier und Aktivität auch in späten Jahren fit halten.

Rethel-Heesters: Genau. Nicht zu vergessen der Mut, der dazugehört, sich mit einer so jungen Frau zusammenzutun und auf Neues einzulassen.

Sie waren deswegen beide viel Häme und Anfeindungen ausgesetzt.

Rethel-Heesters: Die habe ich damals gar nicht richtig mitbekommen. Wir haben uns geliebt, der Altersunterschied war kein Thema. Mir erzählen aber heute noch Freunde: „Wir haben dich verteidigt und gesagt, du liebst ihn wirklich.“ Sie wussten ja, dass ich schon als Backfisch für Jopie geschwärmt hatte.

Ihr Mann trat bis zuletzt auf. Man warf Ihnen vor, dass Sie ihn auf die Bühne zerren würden.

Rethel-Heesters: Jopie war gesund, aber ab 2009 vollständig blind. Sein Arzt schärfte uns ein: „Erzählen Sie das nicht!“ Das war ein Fehler. Wer das nicht wusste, musste den Eindruck bekommen, wir würden ihn auf die Bühne schieben. Aber er sah nichts, also mussten wir ihn führen. Hätten wir gesagt, dass er blind ist, hätte es geheißen: „Toll, dass der Mann noch diese Kraft hat!“ Die Menschen können eher damit umgehen, dass jemand blind ist, als damit, dass er alt ist. Merkwürdig, oder?

Auf der Bühne war es dann, als hätte man einen Schalter umgelegt.

Rethel-Heesters: Es war grandios, was für eine Kraft er in der Stimme hatte. Jeden Morgen machte er Stimmübungen. Er lebte sehr gesund: Sport, Singen, zweimal die Woche aß er Fisch. Und täglich seinen geliebten Haferbrei. Ihn interessierte nur, was jetzt ist und was als Nächstes kommt. Das habe ich mir zu eigen gemacht.

Ruhestand bedeutet oft Stillstand – und der ist Gift für Körper und Geist

Früher sagte man, jemand sei „so alt wie Methusalem“, heute, „so alt wie Jopie Heesters“. Wie finden Sie das?

Rethel-Heesters: Ich habe mir eine Benachrichtigungsfunktion fürs Internet eingerichtet und wann immer eine Schildkröte namens Jopie stirbt oder berichtet wird, dass jemand sagt: „Ich werde so alt wie der Heesters“, dann bekomme ich das mit und muss lächeln.

Sie stammen selbst aus einem Künstlerhaushalt. Ihr Vater war Maler und Designer, Ihre Mutter Fotografin …

Rethel-Heesters: Ja, ich war schon als Kleinkind mit ihr in der Dunkelkammer. So lernte ich, wie man professionell fotografiert. Ich habe immer noch eine Dunkelkammer, die ich aber nicht mehr benutze.

Man sagt, Ihre handwerklichen Fähigkeiten seien herausragend.

Rethel-Heesters: Ich werde in der Familie „die kleine Schraube“ genannt. Es ist tatsächlich so, dass mich Freunde fragen: „Du, da ist was kaputt, kannst du mir das vielleicht richten?“ Dann komme ich mit meinem Handwerksköfferchen und repariere das. Mein Vater hatte sich einen Jungen gewünscht und ich hatte fast nur technisches Spielzeug. Er zeigte mir, wie Dinge funktionieren.

Dann kommt Ihnen kein Handwerker ins Haus?

Rethel-Heesters: Wenn es ums Elektrische geht, lasse ich die Finger davon. Das erhöht meine Lebenserwartung deutlich.