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Welche Auswirkungen hat Heuschnupfen auf den Stoffwechsel?

Die Nase läuft, die Augen brennen – Heuschnupfen kann Stress für unseren Körper bedeuten. Der bildet dann eventuell vermehrt das Stresshormon Cortisol. Das Problem für Menschen mit Diabetes: Cortisol hemmt die Wirkung von Insulin und fördert gleichzeitig die Produktion von Glukose. Cortisol und Insulin sind nämlich Gegenspieler. Schüttet der Körper viel Cortisol aus, kann das blutzuckersenkende Insulin nicht mehr so gut wirken. Es kann sich eine Insulinresistenz entwickeln. Über diesen Mechanismus können Pollenallergien also einen Einfluss auf den Blutzuckerwert nehmen.

Kann sich aus einer Pollenallergie ein Diabetes entwickeln?

„Eine Pollenallergie bedeutet nicht nur eine verstopfte Nase und Probleme mit den Augen. Der gesamte Körper setzt sich mit den Allergenen auseinander, man fühlt sich weniger belastbar“, sagt Prof. Dr. med. Karsten Müssig, Diabetologe und Chefarzt der Klinik für Innere Medizin, Gastroenterologie und Diabetologie am Franziskus-Hospital Harderberg in Georgsmarienhütte. Er erklärt: „Es entsteht eine Entzündungsreaktion im gesamten Körper. Dies hat Auswirkungen auf den Stoffwechsel und den Blutzuckerwert.“ Auch jemand, der nicht an Diabetes erkrankt ist, kann so während der Pollensaison eine gewisse Insulinresistenz entwickeln, die später im Jahr wieder verschwindet.

Eine Pollenallergie bedeutet nicht nur eine verstopfte Nase und Probleme mit den Augen. Der gesamte Körper setzt sich mit den Allergenen auseinander, man fühlt sich weniger belastbar

Bei Menschen mit erhöhtem Risiko für Typ-2-Diabetes kann eine anhaltende Stressbelastung, etwa durch einen schweren Heuschnupfen dazu führen, dass sich die Blutzuckerwerte aus oben genannten Gründen verschlechtern und womöglich ein manifester Diabetes entsteht. Gefährdet für Typ-2-Diabetes sind insbesondere Menschen, die eine erbliche Veranlagung für Typ-2-Diabetes haben, übergewichtig sind und sich wenig bewegen.

Was sollten Menschen mit Diabetes während der Pollensaison beachten?

Für Menschen mit Diabetes, die von Heuschnupfen geplagt werden, ist es besonders wichtig, während der Hochphase der fliegenden Pollen den Blutzucker besonders gut im Auge zu behalten. Betroffene sollten sich daher mehrmals täglich piksen. Patientinnen und Patienten, die einen Glukosesensor tragen, bekommen die Werte rund um die Uhr entweder aufs Handy oder ein Lesegerät übermittelt. Sie sollten öfter einen Blick darauf werfen und Alarme ernstnehmen. Unter Umständen verordnet der Arzt eine vorübergehende höhere Dosierung von Insulin oder von anderen Diabetes-Medikamenten.

Was kann man tun, um Symptome der Allergie zu lindern?

Das Allergen zu meiden, dürfte in den meisten Fällen nicht möglich sein, es sei denn, man hat die Möglichkeit für einige Zeit an die allergenarme Nordsee zu fahren. Müssig hat aber folgenden Tipp: „Damit der Körper sich nachts erholen kann, empfehle ich die pollenbehaftete Kleidung, die man tagsüber getragen hat, nicht im Schlafzimmer abzulegen. Hilfreich ist es auch, sich abends zu duschen und die Pollen aus den Haaren zu waschen. So kann der Körper sich nachts erholen und man schläft besser“.

Welche Mittel bekommt man rezeptfrei in der Apotheke?

Hilfreich sind Nasensprays und Augentropfen, die Antihistaminika enthalten. Diese Präparate sind rezeptfrei in der Apotheke erhältlich. Die darin enthaltenen Wirkstoffe sorgen dafür, dass weniger Entzündungsstoffe freigesetzt werden.

Wenn das nicht hilft, gibt es auch Antihistaminika in Form von Tabletten, die stärker wirken. „Die modernen Antihistaminika haben anders als frühere Präparate kaum noch Nebenwirkungen. Diese Medikamente wirken gezielt und sind sehr viel besser verträglich“, führt Müssig aus. „Auch die gerade für Menschen mit Diabetes auftretende Mundtrockenheit, die bei sehr hohen Blutzuckerwerten vorkommen kann, ist kein Problem mehr. Zudem kommt es zu keiner Gewichtszunahme mehr während der Einnahme“, so der Experte. Betroffene sollten sich zu den Präparaten von Arzt oder Ärztin oder in ihrer Apotheke vor Ort beraten lassen.

Was tun, wenn Antihistaminika nicht anschlagen?

Wenn Antihistaminika nicht ausreichend wirken, kann eine antientzündliche Behandlung mit Kortison helfen. Kortison wird umgangssprachlich verwendet für die Wirkstoffgruppe der Glukokortikoide, die ähnlich wie das körpereigene Hormon Cortisol entzündungshemmend wirken. Kortison ist eine Vorstufe vom körpereigenen Cortisol. Der Diabetologe dazu: „Kortisonhaltige Nasensprays wirken sehr effektiv und nur lokal. Der Wirkstoff wird so gut wie nicht über die Nasenschleimhaut aufgenommen, deswegen gibt es hier kaum Nebenwirkungen“.

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Was muss bei einer Kortison-Therapie beachtet werden?

Manchmal reicht der lokale Einsatz von Kortison nicht aus. Dann gibt es die Möglichkeit mithilfe von Tabletten (oder Infusionen) eine stärkere Wirkung zu erzielen. Müssig: „Hier besteht die Möglichkeit, dass der Blutzucker ansteigt. Zusätzlich zum Stress durch eine erhöhte Cortisolausschüttung kann Kortison die Wirkung von Insulin abschwächen. Dann muss unter Umständen die Dosis an Insulin oder blutzuckersenkenden Medikamenten erhöht werden.“

Wichtig ist, während einer Behandlung mit Kortison den Blutzucker besonders engmaschig zu kontrollieren, um bei zu hohen Werten rasch gegensteuern zu können.

Welche Therapie ist für Menschen mit Diabetes ungeeignet?

Prof. Dr. med. Thomas Fuchs ist Sprecher des Ärzteverbands Deutscher Allergologen von der Universitätsmedizin Göttingen. Er sagt: „Depotspritzen mit Kortison in den Muskel sollten nicht eingesetzt werden. Die Patienten haben dann zwar einige Zeit keine allergischen Beschwerden, die Nebenwirkungen können aber erheblich sein. Unter anderem kann sich diese Therapie sehr ungünstig auf den Blutzuckerwert auswirken.“

Es spricht nichts gegen eine Immuntherapie bei Menschen mit Diabetes

Ist eine Immuntherapie bei Diabetes möglich?

Der Allergologe empfiehlt neben den bereits geschilderten Maßnahmen, die ausschließlich die Symptome der Allergie bekämpfen, eine Immuntherapie. Bei dieser Behandlung, die auch Hyposensibilisierung genannt wird, konfrontiert man den Körper über rund drei Jahre hinweg mit einer langsam steigenden Menge des Allergens, um ihn daran zu gewöhnen. Fuchs dazu: „Es spricht nichts gegen eine Immuntherapie bei Menschen mit Diabetes. Diese Behandlung sollte frühzeitig gestartet werden, um zu verhindern, dass sich allergisches Asthma entwickelt. Es geht bei dieser Methode sowohl um die Behandlung der allergischen Symptome als auch um die Vorbeugung von Asthma.“ Zur Verfügung stehen dann zwei Methoden, mithilfe von Spritzen in den Oberarm oder über den Mund, entweder mit Tropfen auf die Zunge oder mit Tabletten, die unter die Zunge gelegt werden.


Quellen: