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Eigentlich sollte jeder Mensch, der in Deutschland lebt, krankenversichert sein, entweder gesetzlich oder privat. So wie es eine Schulpflicht gibt, gibt es auch eine Pflicht, in einer Krankenversicherung Mitglied zu sein. Doch Fakt ist: Mehr als 60.000 Menschen sind nicht krankenversichert, das sagt die offizielle Statistik. Die Dunkelziffer dürfte viel höher sein.

Gesundheitsökonomen schätzen, dass eine halbe bis eine Million Bürgerinnen und Bürger hierzulande ohne Krankenversicherung sind. Dazu zählen nicht nur Obdachlose, sondern auch Gewerbetreibende und Solo-Selbständige, die ihre Beiträge nicht bezahlt haben. Betroffen sind zudem nicht selten Heimkehrer aus dem Ausland mit finanziellen Problemen oder Menschen, die sich in Deutschland illegal aufhalten.

Sie alle sind durchs soziale Netz gerutscht und sind oft deshalb nicht in eine Krankenversicherung zurückgekehrt, weil sie kein Geld haben, um zunächst einmal ihre Beitragsschulden zu zahlen.

Gesetzliche oder private Krankenversicherung – an wen müssen sich Betroffene wenden?

„Das ist klar geregelt“, sagt Peter Grieble, Versicherungsexperte der Verbraucherzentrale Baden-Württemberg. Die Faustregeln:

  • Wer schon einmal gesetzlich krankenversichert war, wendet sich an die Krankenkasse, in der sie oder er früher Mitglied war.
  • Wer vor der Zeit ohne Krankenversicherung privat krankenversichert war, muss sich zunächst wieder an diesen privaten Versicherer wenden.
  • Waren Sie noch nie krankenversichert, selbst nicht als Kind, sollten Sie sich zunächst an eine beliebige gesetzliche Krankenkasse wenden. Diese kann klären, welcher Weg für Sie der richtige ist. Arbeitnehmer, die nicht zu den Gutverdienern gehören, sind normalerweise in einer gesetzlichen Krankenkasse versichert, während Beamte fast immer und Selbständige beziehungsweise Freiberufler meist Mitglied bei einem privaten Krankenversicherer sind.

Diese Regeln gelten auch für Menschen, die aus dem Ausland zurückkehren und sich in Deutschland wieder krankenversichern wollen. Wichtig zu wissen: „Man sollte sich nicht abwimmeln lassen. Für die Kassen genauso wie für die privaten Anbieter besteht eine Pflicht, frühere Mitglieder aufzunehmen, und zwar unabhängig von ihrem Gesundheitszustand“, sagt Experte Grieble. Er rät, sich unbedingt beraten zu lassen. Dazu sind die Versicherer verpflichtet.

Welche Probleme können bei der Rückkehr in die gesetzliche oder private Krankenversicherung auftreten?

Auch diejenigen, die nicht krankenversichert sind, müssen eigentlich Beiträge zahlen. Das gilt selbst dann, wenn sie in der Zeit ohne den Schutz der Krankenversicherung nie als Patient im Krankenhaus oder bei einem Arzt oder einer Ärztin waren. „Diese Menschen haben deshalb oft Beitragsschulden von mehreren tausend Euro. Da geht es nicht mehr um Kleinbeträge“, sagt Sandra Gillert vom Fachzentrum Schuldenberatung in Bremen.

Diese nicht bezahlten Beiträge können sowohl die gesetzlichen Krankenkassen wie auch die privaten Versicherer nachträglich zurückverlangen – plus einen Säumniszuschlag von einem Prozent pro Monat auf die jeweilige Beitragsschuld. „Auch dieser Säumniszuschlag läppert sich über die Jahre zu einem nicht unbeträchtlichen Betrag zusammen“, sagt Verbraucherschützer Grieble. Er empfiehlt ebenso wie Schuldnerberaterin Gillert, unbedingt mit der Krankenkasse oder dem privaten Versicherer über die Summe zu verhandeln, die wirklich nachgezahlt werden soll.

Müssen Betroffene alle Beiträge an die Krankenkasse nachzahlen?

Nein, das müssen Sie nicht. Bei der gesetzlichen Krankenversicherung verjähren die Beitragsschulden nach vier Jahren, und zwar nach Ablauf des Jahres, in denen sie entstanden sind. Ein Beispiel der Verbraucherzentralen: Die ersten Schulden sind 2020 aufgelaufen. Dann beginnt die Verjährungsfrist am 1. Januar 2021 und endet am 31. Dezember 2024. „Bei Beitragsschulden sollten die Betroffenen deshalb zunächst stets prüfen, ob ihre Kasse verjährte Forderungen bereits herausgerechnet hat“, empfiehlt Experte Grieble.

Hat sich die Kasse zu ihren eigenen Gunsten verrechnet, müsse man einen sogenannten Einwand der Verjährung gegenüber der Krankenkasse erheben. Die Verkürzung der Schuldenzeit auf vier Jahre gilt allerdings nur, wenn der Rückkehrer nicht vorsätzlich keine Beiträge gezahlt hat.

Schwieriger wird es bei den privaten Versicherern. Sie können zwar nicht nachträglich Beiträge zurückverlangen. Wer früher privat krankenversichert, dann ohne Versicherungsschutz war und jetzt in die private Krankenversicherung zurück will, muss eine Art Strafe bezahlen. Dieser sogenannte Prämienzuschlag wird schlimmstenfalls zurückgerechnet bis zum Stichtag 1. Januar 2009. Damals begann bei den privaten Versicherern die Versicherungspflicht.

Der Prämienzuschlag beläuft sich für den zweiten bis einschließlich fünften Monat ohne Versicherung auf den vollen Monatsbeitrag. Vom sechsten Monat an wird der Zuschlag auf ein Sechstel des Monatsbeitrags verringert. „Gerade bei Selbständigen kommen dadurch teilweise hohe Schulden zusammen“, sagt Schuldenberaterin Gillert.

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Wie läuft die Rückzahlung bei der gesetzlichen Krankenversicherung?

Wenn Sie in eine gesetzliche Krankenkasse zurückkehren möchte, haben Sie im Prinzip zwei Möglichkeiten:

  • Sie vereinbaren eine Ratenzahlung und stottern die rückfälligen Beiträge Monat für Monat zusätzlich zu dem aktuell zu leistenden Beitrag ab. Voraussetzung: Sie verdienen genug oder haben genug Rücklagen, um die vereinbarte Beitragsschuld so Schritt für Schritt zu zahlen.
  • Ist dies nicht möglich, lässt sich die Krankenkasse womöglich darauf ein, dass Sie einen ermäßigten Beitrag nachzahlen. Man spricht dann vom „Ruhensbeitrag“. Dieser beläuft sich 2024 auf rund 58 Euro für die Krankenkasse und 14 Euro für die Pflegeversicherung, also zusammen 72 Euro pro Monat. Dieser Beitrag wird jedes Jahr geringfügig erhöht, Säumniszuschläge sind aber nicht fällig. Voraussetzungen: Sie waren mehr als drei Monate nicht versichert und Sie waren in der Zeit ohne Krankenversicherung nicht beim Arzt. Und wenn doch, wollen Sie Behandlungskosten nicht nachträglich erstattet haben. Diesen Nachlass gibt es aber nur für Pflichtversicherte, das sind vor allem Arbeitnehmer. Wer freiwillig wieder Mitglied in einer gesetzlichen Krankenkasse wird, muss die vollen Beiträge nachzahlen, soweit sie nicht verjährt sind.
Man hängt vor allem bei den Privaten vom guten Willen des Versicherers ab.

Wie läuft die Rückzahlung bei der privaten Krankenversicherung?

Privat Versicherte bekommen normalerweise keinen Nachlass auf Beitragsschulden. Die Vereinbarung von Ratenzahlungen ist grundsätzlich möglich, es gibt dafür aber keine gesetzliche Grundlage. „Man hängt vor allem bei den Privaten vom guten Willen des Versicherers ab. Generell müssen schon viele Briefe geschrieben werden, um etwas zu erreichen“, sagt Gillert.

Welche Leistungen der gesetzlichen Krankenversicherung erhält man, bis die Schulden abbezahlt sind?

Der Versicherungsschutz bei der Rückkehr in die gesetzliche Krankenversicherung hängt davon ab, wie Sie die Schulden abbezahlen:

  • Haben Sie eine Ratenzahlung vereinbart und geraten Sie mit den Raten nicht wieder in Rückstand, genießen Sie den vollen Versicherungsschutz.
  • Sind Sie mit zwei Monatsbeiträgen im Rückstand oder haben Sie einen Nachlass für die Nachzahlung der rückständigen Beitrage erhalten, werden die Leistungen der Krankenkasse ruhend gestellt, deshalb spricht man auch vom „Ruhensbeitrag“. Behandlungen werden dann nur bezahlt, wenn Sie akut erkrankt sind, Dauerschmerzen haben oder etwa schwanger sind und zu einer Früherkennung müssen. Für Familienangehörige, die über die Familienversicherung beitragsfrei versichert sind, gilt aber der volle Versicherungsschutz. Den haben Sie auch dann, wenn Sie etwa in einer Privatinsolvenz oder auf Bürgergeld oder Sozialhilfe angewiesen sind.


Welche Leistungen gibt es von der privaten Krankenversicherung, bis die Schulden zurückgezahlt sind?

Auch in der privaten Krankenversicherung ist der Versicherungsschutz davon abhängig, wie sie Ihre Schulden zurückzahlen:

  • Private Krankenversicherer müssen Rückkehrern, die eine Stundung der Beitragsschuld oder eine Ratenzahlung vereinbaren konnten, zumindest den sogenannten Basistarif anbieten. Die Leistungen sind dann auf dem Niveau der gesetzlichen Krankenversicherung. Der Beitrag darf deshalb auch nicht höher sein als der Höchstbeitrag in der gesetzlichen Krankenversicherung – das sind 2024 pro Monat rund 900 Euro plus den Beitrag zur Pflegeversicherung, macht zusammen etwas mehr als 1000 Euro.
  • Haben Sie noch nicht zurück bezahlte Beitragsschulden oder Beitragsrückstände, stuft Sie ein privater Versicherer automatisch in den Notlagentarif ein. Dann sind die Leistungen auf akute Erkrankungen, für bestimmte Früherkennungsuntersuchungen sowie für notwendige Behandlungen wegen Schwangerschaft und Mutterschaft eingeschränkt. Ärztinnen und Ärzte können dann ihre Rechnungen direkt bei der PKV einreichen.
    Im Notlagentarif Versicherte müssen keine Behandlungskosten vorstrecken und warten, bis sie das Geld vom Versicherer zurückbekommen. Sind die Beitragsschulden beglichen, werden diese Mitglieder in den vorher geltenden Tarif wieder zurückgestuft. Experte Grieble rät, sowohl mit der Krankenkasse als auch mit dem privaten Versicherer möglichst eine Ratenzahlung zu vereinbaren, um erst gar nicht in einen Notlagentarif zu geraten und den vollen Versicherungsschutz weiter zu haben.

Wo bekommen Menschen ohne Krankenversicherung Hilfe?

Bei dem Weg zurück in eine Krankenversicherung sind Sie nicht auf sich allein gestellt. Sie können sich von den Verbraucherzentralen beraten lassen. Haben Sie Beitragsschulden, hilft eine Schuldnerberatung. Diese bieten etwa städtische Einrichtungen oder die Caritas, Diakonie oder Arbeiterwohlfahrt an. Auskunft soll es bald auch wieder von der Unabhängigen Patientenberatung geben.

Clearingstellen für Menschen ohne Krankenversicherungsschutz, wie etwa in Berlin, beraten ebenfalls kostenlos. Außerdem geben Ärztinnen und Ärzte in vielen Städten Sprechstunden für Menschen ohne Krankenversicherungsschutz.


Quellen: