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Was ist Clean Eating?

„Entstanden ist Clean Eating als eine Art Lifestyle- Konzept in den USA“, sagt Antje Gahl, Ernährungswissenschaftlerin von der Deutschen Gesellschaft für Ernährung. Mehrere Kochbücher und viele Hashtags und Likes später, ist das Konzept auch seit einiger Zeit bei uns populär. Übersetzt bedeutet der Begriff so viel wie „saubere Ernährung“. Sauber heißt hier: Verzicht auf industriell gefertigte Produkte, denen oftmals Aroma-, Farb-, Konservierungs- und Süßstoffe, Geschmacksverstärker und Zucker zugesetzt sind.

Natürliche, frische Ernährung lautet das Credo beim Clean Eating. Man isst „clean“, wenn vor allem unverarbeitete und vollwertige Lebensmittel wie Obst, Gemüse, Kräuter und Salat auf dem Speiseplan stehen. Diese versorgen den Körper mit wertvollen Ballaststoffen, Vitaminen und Mineralstoffen. In Verbindung mit Vollkorn, Hülsenfrüchten sowie hochwertigen Ölen und Fetten bilden sie die Grundlage einer „reinen“ Ernährung.

Beim Clean Eating sind zudem bis zu sechs Mahlzeiten am Tag erlaubt. „Somit definiert sich Clean Eating auch nicht als Diät, sondern vielmehr als dauerhafte Ernährungsform, bei der bewusst auf Fast Food, Fertigprodukte, aber auch Süßigkeiten verzichtet wird“, erklärt Gahl.

Welche Lebensmittel sind beim Clean Eating erlaubt?

Wichtig ist vor allem, dass die Lebensmittel möglichst unverarbeitet sind. Eine Orientierung, was beim Clean Eating erlaubt ist und was nicht, bieten die sogenannten NOVA-Gruppen der Lebensmittelverarbeitung. Dieses vierstufige System wurde vom brasilianischen Ernährungsmediziner Carlos Monteiro entwickelt und teilt Nahrung nach ihrem Verarbeitungsgrad ein – von gar nicht verarbeiteten bis zu hochverarbeiteten Produkten:

Lebensmittel aus den Stufen eins und zwei sind beim Clean Eating erwünscht, mit Ausnahme von Zucker. Auf die Stufen drei und vier sollte so gut es geht verzichtet werden. Das System hat allerdings auch Schwächen: So ist etwa Fleisch in der untersten Stufe eingruppiert. Zucker, wenn er nicht in Hochverarbeitetem steckt, in der zweiten Stufe. Mit beiden, so sagen es fast alle Ernährungsempfehlungen, sollte man jedoch sparsam umgehen. Als alleinige Diätempfehlung taugt das NOVA-System daher nicht. Es hilft aber, den Konsum hochverarbeiteter Produkte zu messen.

Sich die Zutatenliste von Produkten durchzulesen, ist also ein wichtiger Schritt, um diese Ernährungsweise umzusetzen: Emulgatoren, Farbstoffe, Geschmacksverstärker und Co. sind tabu. Das gilt übrigens auch bei Getränken. Neben Wasser kommen beim Clean Eating noch ungesüßte Tees oder verdünnte Fruchtsäfte infrage. Auf Soft- oder Energydrinks wird verzichtet.

Wie darf beim Clean Eating zubereitet werden?

Clean Eating bedeutet nicht, dass nur Rohkost gegessen werden darf. Es darf gebraten, gekocht und gebacken werden, allerdings unter mäßig starker Hitze. Ideal sind Dämpfen und Blanchieren, da bei diesen Vorgängen die meisten Nährstoffe erhalten bleiben.

Ums Selberkochen kommt man beim Clean Eating also nicht herum. Dabei hilft eine gute Planung, sowohl bei den Mahlzeiten als auch beim Einkaufen. Wer zum Beispiel für eine Woche im Voraus seine Mahlzeiten plant, weiß, was er oder sie im Supermarkt genau braucht. So landet auch nur das im Einkaufskorb. Auch das Vorkochen von Gerichten für mehrere Tage – sogenanntes Meal Prepping – erleichtert die Umsetzung. Ist schon etwas Gesundes da, muss nicht zu Fertiggerichten gegriffen werden, wenn es mal schnell gehen muss.

Wie viele Mahlzeiten lässt das Clean Eating zu?

Beim Clean Eating ist es vorgesehen, bis zu sechs Mahlzeiten am Tag zu essen. Neben Frühstück, Mittag- und Abendessen werden also auch noch Snacks in den Alltag integriert. Das soll Heißhungerattacken vorbeugen. Besonders das tägliche Frühstück hat einen hohen Stellenwert. Sich grundlegend zu sättigen und mit viel Energie in den Tag zu starten empfehlen viele, aber Antje Gahl meint: „Wer nichts frühstücken kann, der sollte sich auch nicht zwingen. Das ist individuell unterschiedlich.“

Ist Clean Eating das Gleiche wie die Steinzeit-Diät?

Ganz klar: nein. Die Steinzeit-Ernährung (Paleo-Diät) erlaubt ausschließlich Lebensmittel, von denen vermutet wird, dass sie in der Altsteinzeit verfügbar waren: zum Beispiel Gemüse und Früchte, Fleisch, Fisch und Meeresfrüchte, Eier, Nüsse und Honig. Beim Clean Eating stehen dagegen zusätzlich Hülsenfrüchte und Getreideprodukte auf dem Speiseplan. Hinzu kommt: Während die Paleo-Diät oft sehr fleischlastig ist, achten die meisten Clean Eater eher auf eine stark pflanzlich betonte Kost.

Ist Clean Eating besonders teuer?

„Clean Eating ist nicht zwingend besonders teuer“, sagt Antje Gahl. Natürlich gibt es Lebensmittel, die ohnehin teuer sind, wie etwa Nüsse, Samen und Fisch. Obst, Gemüse, Pilze, Hülsenfrüchte und Vollkorngetreide sind hingegen eher kostengünstige Lebensmittel. Und: Auch industrielle Produkte können ziemlich viel kosten, da die Verarbeitung teuer und aufwendig sein kann. „Es ist nicht immer das Geld, sondern eher die Zeit, welche man in Clean Eating investiert“, meint Gahl.

Gehören Superfoods beim Clean Eating zum Speiseplan?

Exotische Superfoods wie ballaststoffreiche Chia-Samen oder Vitamin-C-reiche Goji-Beeren sind beim Clean Eating sehr beliebt, müssen jedoch aus der Ferne importiert werden und sind oft um einiges teurer als unsere lokalen Helden. Stattdessen auf heimische Superfoods zurückzugreifen, ist nicht nur nachhaltiger, sondern genauso gesund: Leinsamen, schwarze Johannisbeeren und Blaubeeren sind ebenso sehr ballaststoffreich.

Hilft Clean Eating beim Abnehmen?

Ob Clean Eating beim Abnehmen helfen kann, lässt sich nicht pauschal sagen. Wer bisher häufig kalorienreiche Fertigprodukte gegessen hat, kann mit einer Umstellung auf Clean Eating vermutlich einige Kilos verlieren. Wer sich schon immer viel von Gemüse, Hülsenfrüchten und Co. ernährt hat und nun lediglich auf ein paar weitere verarbeitete Lebensmittel verzichtet, merkt beim Gewicht wahrscheinlich eher keinen Unterschied.

Eine klassische Diät ist das Clean Eating jedenfalls nicht. Regelmäßige Mahlzeiten vermeiden jedoch plötzlichen Heißhunger und damit oft einhergehende Essattacken. „Ob es aber drei, fünf oder sechs Mahlzeiten am Tag sind, ist individuell verschieden, dafür gibt es keine generelle Empfehlung. Das Gleiche gilt fürs Frühstücken“, sagt Gahl.

Was sind die Vorteile von Clean Eating?

Clean Eating liefert viele Nähr- und Ballaststoffe sowie Antioxidantien, die oftmals in verarbeiteten Produkten verloren gegangen sind. Da besonders hochverarbeitete Lebensmittel eher kalorienreich, zucker- und fettreich sind, empfiehlt sich eine frische und selbstzubereitete Kost auf alle Fälle. Clean Eating wird gesellschaftlich weitgehend positiv bewertet – vor allem unter jungen Frauen, wie eine Studie aus dem „Journal of Eating Disorders“ zeigt. Dort wurde 148 junge Studierende in den USA zu Clean Eating befragt.

Hat Clean Eating auch Nachteile?

Warum Fast Food und hochverarbeitete Lebensmittel für viele Alltag sind, sagt schon der Name: Der Zeitaufwand ist deutlich geringer als der von frischen zubereiteten Gerichten. Antje Gahl betont zwar die Bedeutung einer gesunden Ernährung, versteht aber gleichzeitig, wenn man keine Zeit zum Vorkochen hatte und sich in der Mittagspause stattdessen etwas vom Bäcker holt. Man sollte auch kein schlechtes Gewissen haben, wenn man es nicht immer schafft, frisch zu kochen.

Eine gewisse Flexibilität in der Ernährung und somit im Alltag zu haben, ist um einiges gesünder, als sich übertrieben an strikte Regeln zu halten. Denn Clean Eating sollte nicht zur Obsession werden: Gefährlich wird es, wenn diese Ernährungsphilosophie den gesamten Alltag bestimmt und sich mögliche Essstörungen daraus entwickeln können.

„Orthorektisches Essverhalten nennt man es, wenn gesundes Essen zum Zwang wird. Betroffene beschäftigen sich übertrieben mit gesundem Essen und stellen subjektive Regeln auf“, erklärt Dr. Friederike Barthels, Psychologin und Wissenschaftlerin, die jahrelang an Orthorexie forschte. „Es ist gut vorstellbar, dass Clean Eating bei orthorektischen Personen zu einer solchen neuen Regel werden könnte.“ Ob es tatsächlich einen eindeutigen Zusammenhang zwischen Orthorexie und Clean Eating gebe, sei aber wissenschaftlich nicht belegt. „Es gibt nicht die eine beste Ernährungsform, die für alle Menschen funktioniert. Alle sind unterschiedlich, jeder braucht andere Schwerpunkte in der Ernährung“, sagt Barthels.