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Was steht auf der Hitliste des Superfoods?

Mangold ist das Gesündeste, was Sie essen können“, ruft die Verkäuferin auf dem Wochenmarkt und hält ein grünes Bündel hoch. Hat sie recht? Studien zufolge enthält Mangold mehr als 190 verschiedene Nährstoffe und weitere gesunde Substanzen. Andere Forschende dagegen halten die Süßkartoffel für „das Superfood des nächsten Jahrhunderts“.

Im Internet kursieren Hitlisten zu den gesündesten Lebensmitteln überhaupt. Was aber kaum eine dieser Aufstellungen verrät: Sie beziehen sich alle auf eine Studie, die bereits zehn Jahre alt ist. Das gesündeste Lebensmittel wäre dieser Untersuchung zufolge die Brunnenkresse. Auf den Plätzen zwei und drei landeten Chinakohl und Mangold.

Wie wurde das supergesunde Essen bewertet?

Im Mittelpunkt der Studie stand der Gehalt an 17 wichtigen Nährstoffen, darunter Eiweiß, Ballaststoffe, Mineralstoffe wie Kalzium, Eisen oder Folsäure sowie verschiedene Vitamine. Nur wenn ein Lebensmittel pro 100 Kilokalorien zu zehn Prozent oder mehr aus diesen Stoffen bestand, wurde es als „Powerhouse Food“ klassifiziert, was auf Deutsch so viel bedeutet wie „kraftstrotzendes Essen“.

Insgesamt 41 Obst- und Gemüsesorten erfüllten die Kriterien. Im nächsten Schritt wurde der Anteil der 17 Nährstoffe ins Verhältnis zur Kalorienzahl gesetzt und unter Berücksichtigung weiterer Faktoren ein Nährstoffdichte-Wert für jedes Lebensmittel errechnet. Durch den Vergleich dieser Werte kam besagtes Ranking zustande.

Ein gesundes Lebensmittel macht noch keine gesunde Ernährung

Was sagen Ernährungswissenschaftler über Superfood?

Sollten wir künftig bevorzugt die Spitzenreiter der Superfood-Liste auf unseren Speiseplan setzen? Nein, sagt Prof. Dr. Anja Bosy-Westphal von der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel. Die Vizepräsidentin der Deutschen Gesellschaft für Ernährungsmedizin findet es falsch, einzelne Lebensmittel als „Powerhouse Food“ oder „Superfood“ hervorzuheben.

Ein einzelnes Lebensmittel müsse – und könne – gar nicht alle Nährstoffe liefern, etwa fett- und wasserlösliche Vitamine zugleich. Noch wichtiger: „Ein gesundes Lebensmittel macht noch keine gesunde Ernährung“, sagt auch Noreen Neuwirth, Ernährungswissenschaftlerin am Universitätsklinikum Schleswig-Holstein in Kiel. Grundsätzlich findet sie es nicht schlecht, Lebensmittel anhand ihres Nährstoffgehalts zu bewerten. Insbesondere in Lebensphasen, wo ein erhöhter Nährstoffbedarf besteht, etwa während der Schwangerschaft oder im höheren Lebensalter, sei es wichtig, Produkte mit hoher Nährstoffdichte auf den Speiseplan zu setzen. Denn der Energiebedarf ist meistens nicht oder nur minimal erhöht. Nur mengenmäßig mehr zu essen, ist also nicht die Lösung.

Um die unterschiedlichen Lebensmittel miteinander vergleichen zu können, bezieht sich die US-Studie auf jeweils 100 Kilokalorien davon. Dabei werde die übliche Verzehrmenge nicht berücksichtigt, kritisiert Neuwirth. Am Beispiel der Petersilie (Platz 8) macht die Wissenschaftlerin klar, was sie meint: „Um 100 Kilokalorien davon aufzunehmen, müsste man 2,7 Kilogramm Petersilie essen.“ Das ist natürlich unrealistisch. Beim Kürbis (Platz 20) genügen etwa 160 Gramm. „Kürbis und Petersilie zu vergleichen, ergibt also wenig Sinn.“ Zumal viele der gelisteten Lebensmittel meist nicht roh verzehrt, sondern gekocht, gebraten oder anderweitig verarbeitet werden. Das geht immer mit Nährstoffverlusten einher.

Warum Obst und Nüsse nicht in den Top Ten landeten

In den Top Ten landete übrigens keine einzige Obstsorte. Die Zitrone schaffte es immerhin auf Platz 28. Obst enthält relativ viel Zucker – das verdirbt die Bilanz. „Ich möchte die Banane trotzdem nicht schlechter machen als beispielsweise den Mangold“, sagt Bosy-Westphal. Denn in Obst stecken viele Vitamine und sekundäre Pflanzenstoffe. Letztere wurden in der Studie übrigens nicht berücksichtigt. „Vielleicht, weil es keine offiziellen Verzehrempfehlungen dafür gibt“, vermutet Neuwirth. Da Gemüse und Obst natürlicherweise sekundäre Pflanzenstoffe beinhalten, bekommt man sie automatisch mitgeliefert.

Auch Nüsse und Kerne kommen aufgrund ihres hohen Kaloriengehalts nicht vor. „Aber auch das sind sehr gesunde Lebensmittel: Sie bringen zum Beispiel viele ungesättigte Fettsäuren mit“, sagt Noreen Neuwirth. Üblicherweise isst man davon nicht viel, sodass die Kalorien keine große Rolle spielen. Wie so oft gilt es, das rechte Maß zu halten. Die Deutsche Gesellschaft für Ernährung (DGE) empfiehlt pro Tag fünf Portionen Gemüse und Obst, was je etwa eine Handvoll bedeutet. Dazu sollte täglich eine kleine Portion Nüsse (ungesalzen) kommen.

Wer viel davon isst, isst weniger anderes – und schon wird das Ernährungsmuster gesünder

Sind die Spitzenreiter aus der Studie nun gar nicht so gesund? „Das ist eine bunte Palette an Gemüse und Obst. Sie alle sollten regelmäßig in die Ernährung integriert werden“, sagt Neuwirth. Gesund seien sie aber nicht unbedingt wegen ihres Nährstoffgehaltes, ergänzt Ernährungsmedizinerin Bosy-Westphal. „Sondern auch deshalb, weil sie eine geringe Energiedichte haben.“ Gemüse und Obst enthalten relativ viel Wasser und damit wenige Kalorien. Den Magen füllen sie trotzdem. „Wer viel davon isst, isst weniger anderes – und schon wird das Ernährungsmuster gesünder“, erklärt Bosy-Westphal.

Wie Sie mit Lebensmittelvielfalt die Ressourcen schonen

„Nutzen Sie die Lebensmittelvielfalt und essen Sie abwechslungsreich. Dann ist Ihr Körper gut mit allen Nährstoffen versorgt“, schreibt die DGE. Wer sich überwiegend von Obst, Gemüse, Vollkorngetreide, Hülsenfrüchten sowie Nüssen und pflanzlichen Ölen ernähre, schütze nicht nur seine Gesundheit, sondern auch die Ressourcen der Erde.

Auf der „Hitliste“ finden sich übrigens viele bei uns heimische Gemüse: Kohlarten, Salate, Rüben und Zwiebelgewächse. „Die haben keinen großen ökologischen Fußabdruck und sind auch nicht teuer“, freut sich Neuwirth. Was reif geerntet wird, enthält in der Regel am meisten Vitamine – und schmeckt am besten. Mangold hat übrigens gerade Saison!


Quellen:

  • Di Noia J: Defining Powerhouse Fruits and Vegetables, A Nutrient Density Approach. In: Preventing Chronic Disease 05.06.2014, 11: 95
  • Gamba M, Raguindin P F, Asllanaj E et al. : Bioactive compounds and nutritional composition of Swiss chard (Beta vulgaris L. var. cicla and flavescens), A systematic review. In: Critical reviews in food science and nutrition 04.08.2020, 61: 3465-3480
  • Islam S: Sweetpotatoes, The Super Food of the Next Century? An Intensive Review on Their Potential as a Sustainable and Versatile Food Source for Future Generations. In: Preprints 05.02.2024, 1: 1
  • Deutsche Gesellschaft für Ernährung e. V.: Gut essen und trinken, Die DGE-Empfehlungen. Leitlinie: 2024. Online: https://www.dge.de/... (Abgerufen am 20.03.2024)

  • Deutsche Gesellschaft für Ernährung e. V.: DGE-Ernährungskreis. Online: https://www.dge.de/... (Abgerufen am 20.03.2024)
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