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High Protein liegt im Trend. Marktforschungsinstituten zu Folge hat sich der Umsatz von mit Eiweiß angereicherten Produkten, etwa Quark, Joghurt und Milchgetränken, in den letzten Jahren vervielfacht.

Eine Studie aus dem Februar 2024 legt allerdings nahe, dass große Mengen Eiweiß das Risiko für Arteriosklerose erhöhen kann. Dabei verstopfen und verengen sich die Gefäße, es kann schlimmstenfalls zu einem Schlaganfall oder Herzinfarkt kommen. Was hat es mit der Studie auf sich? Ist tierisches Eiweiß schädlicher als gesundes? Und wieviel Eiweiß brauchen wir eigentlich? Wir beantworten die wichtigsten Fragen.

Was kam bei der neuen Eiweiß-Studie heraus?

Ein Team um Babak Razani von der University of Pittsburgh verpasste zunächst Mäusen, dann auch Menschen eine High-Protein-Diät. Sie deckten etwa 22 Prozent ihres täglichen Energiebedarfs mit (tierischem) Eiweiß.

Dabei stellten die Forschenden fest, dass es im Blut zu einem Anstieg der Aminosäure Leuzin kam. Das wiederum wirkte sich offenbar auf eine bestimmte Art von Immunzellen aus: Makrophagen. Diese Fresszellen spielen in der Entwicklung von Arteriosklerose eine zentrale Rolle. Sie sammeln sich an, wo ein Blutgefäß entzündet oder verstopft ist und werden zu Schaumzellen, die die Situation verschlimmern: Ein „Plaque“ entsteht. „Diese Entdeckung stellt eine wichtige Verbindung zwischen einer hohen Proteinzufuhr und dem Risiko für atherosklerotische Herz-Kreislauf-Erkrankungen her“, schreiben die Studienautoren.

Was bedeutet das für die Herz-Kreislauf-Gesundheit?

„Ich würde die Studie durchaus ernst nehmen“, sagt Dr. Dorothee Volkert, Professorin für klinische Ernährung im Alter an der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg. Es bestätige mal wieder das Prinzip von Paracelsus („Allein die Dosis macht, dass ein Ding (k)ein Gift sei“). Sprich: Auch bei eigentlich Nützlichem wie Protein gibt es ein Zuviel. Eine direkte Gefahr sieht sie allerdings nicht. „Bislang sind das nur Beobachtungen, die man aber weiterverfolgen muss“, sagt sie.

Zu beachten ist auch: Es handelt sich um eine rein mechanistische Studie. Das heißt: Man verfolgte nicht, ob die insgesamt 23 Teilnehmerinnen und Teilnehmer tatsächlich Arteriosklerose entwickelten. Ihnen wurde lediglich Blut abgenommen und dieses wurde im Labor untersucht.

„Die Autoren konnten zeigen, dass eine sehr hohe Proteinzufuhr potenziell negative Auswirkungen haben kann“, sagt Prof. Dr. Matthias Schulze, der die Abteilung Molekulare Epidemiologie am Deutschen Institut für Ernährungsforschung leitet. „Das könnte erklären, warum eine hohe Proteinzufuhr zum Teil mit einer erhöhten Sterblichkeit durch Herzinfarkte und Schlaganfälle in Verbindung steht.“ Um die Theorie zu beweisen und das Risiko genauer abschätzen zu können, sind definitiv weitere Studien notwendig.

Ist eine hohe Proteinzufuhr schädlich für Gesunde?

Neben einem möglicherweise höherem Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen gibt es schon länger Hinweise darauf, dass eine hohe Proteinzufuhr mit erhöhten Risiken für Diabetes, Nierenerkrankungen oder einem erhöhten Sterberisiko einhergeht. Die Daten stammen meist aus Studien, in denen Menschen über eine lange Zeit beobachtet und zu ihrer Ernährung befragt wurden. Solche Erhebungen sind jedoch fehleranfällig und können meist keinen direkten Zusammenhang zwischen der Proteinzufuhr und dem tatsächlichen Krankheitsrisiko herstellen.

Im Auftrag der Deutschen Gesellschaft für Ernährung (DGE) haben Fachleute alle verfügbaren Studien zum Zusammenhang zwischen Proteinzufuhr und verschiedenen Erkrankungen unter die Lupe genommen. Doch auch diese Übersichtsarbeiten konnten nicht abschließend klären, ob ein konstant hoher Proteinkonsum gesunden Erwachsenen schadet.

Ob zuviel Eiweiß die Nieren schädigt, wird schon seit vielen Jahren diskutiert. Denn überschüssiges Eiweiß wird zu Harnstoff umgewandelt und muss von der Niere ausgeschieden werden. „Eine hohe Eiweißzufuhr ist zwar eine Belastung für die Niere, aber ein gesunder Organismus verkraftet das in einem gewissen Rahmen“, sagt Ernährungswissenschaftlerin Dorothee Volkert. Das gelte insbesondere für junge Menschen.

Schadet zu viel Eiweiß Älteren und Vorerkrankten?

Im Alter lässt die Nierenfunktion naturgemäß nach. Bei älteren und vorerkrankten Personen ist es daher etwas komplizierter. Zwar könnte eine zu hohe Proteinzufuhr die Nierenfunktion weiter verschlechtern. Auf der anderen Seite wird älteren und gebrechlichen Menschen oft dazu geraten, mehr Eiweiß zu sich zu nehmen, um Muskelschwund vorzubeugen.

Eine aktuelle Übersichtsarbeit der zuständigen Europäischen Fachgesellschaften kommt zu dem Schluss: Man muss Nutzen und Risiko im Einzelfall abwägen. „Sicherlich würde man Menschen mit einer Nierenerkrankung nicht zu einer sehr hohen Proteinzufuhr raten. Aber sie muss auch nicht unterhalb des normalen Bedarfs reduziert werden“, sagt Matthias Schulze.

Erhöht viel Protein das Risiko für Diabetes?

„Die Mehrzahl der Arbeiten, die wir identifizieren konnten, legt das nahe“, sagt Ernährungswissenschaftler Schulze, der die Übersichtsarbeit der DGE zu diesem Thema federführend geleitet hat. Das sogenannte Umbrella Review schließt insgesamt acht systematische Übersichtsarbeiten ein. Die meisten davon zeigten für eine höhere Zufuhr von Gesamtprotein sowie tierischem Protein ein erhöhtes Risiko für Typ-2-Diabetes. „Die Qualität dieser Übersichtsarbeiten ist aber zum Teil nicht so gut, dass wir starke Aussagen ableiten konnten. Außerdem fehlte uns eine plausible, biologische Erklärung dafür“, sagt er.

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Ist tierisches Eiweiß schädlicher als pflanzliches?

Ob tierisches Eiweiß schädlicher ist als pflanzliches, ist schwer zu sagen. „Es gibt wenige Studien, die die Proteinzufuhr in pflanzlich und tierisch auftrennen – meist ist es ja eine Mischung aus beidem“, sagt Ernährungswissenschaftlerin Dorothee Volkert. In vielen Erhebungen liegt der Beobachtungszeitraum zudem schon lange zurück. Die Menschen ernähren sich inzwischen anders. So nimmt beispielsweise der Fleischkonsum in Deutschland seit Jahren ab, während pflanzliche Eiweißquellen an Bedeutung gewinnen.

Das ist aus mehreren Gründen gut: Pflanzliche Lebensmittel verursachen in der Regel weniger Treibhausgase und sind nachhaltiger. Zudem haben sie oft einen höheren Anteil an Ballaststoffen und Antioxidantien und sie enthalten weniger gesättigte Fettsäuren und Cholesterin als tierische Produkte.

Interessanterweise gibt es sogar Studien, die darauf hindeuten, dass ein erhöhter Anteil von pflanzlichem Eiweiß Alterungsprozessen und bestimmten Erkrankungen entgegenwirkt. Auch die DGE empfiehlt, den Verzehr von pflanzlichen Lebensmitteln zu steigern und jenen von tierischen zu senken.

Um herauszufinden, wie sich ein Mehr an pflanzlichen Eiweißen auf die menschliche Gesundheit auswirken, sind neue Studien notwendig – und werden zum Teil auch schon gemacht. Die sogenannte COPLANT-Studie (COhort on PLANT-based diets) wird von verschiedenen Instituten und Universitäten durchgeführt und soll Datenlücken schließen.

Warum brauchen wir überhaupt Eiweiß?

Protein, umgangssprachlich Eiweiß genannt, ist ein zentraler Bestandteil unseres Körpers. Es besteht aus Aminosäuren. Diese Bausteine benötigen wir, um Muskeln, Gewebe und Blut, aber auch Enzyme und Hormone zu bilden. Zudem dient Eiweiß als Energieträger. 100 Gramm liefern etwa 400 Kilokalorien – etwa gleich viel wie 100 Gramm Kohlenhydrate, woran zum Beispiel Brot und Nudeln reich sind. Ein Pluspunkt für Eiweiß: Es sättigt gut und kann deshalb beim Abnehmen helfen. Das funktioniert natürlich nur, wenn man insgesamt tatsächlich weniger isst.

Wie viel Eiweiß sollte man zu sich nehmen?

Die DGE empfiehlt Erwachsenen, pro Tag und Kilogramm Körpergewicht 0,8 Gramm Eiweiß zu sich zu nehmen. Der Anteil an der täglichen Gesamtmenge an Kalorien beträgt damit etwa 11 Prozent. Studien zeigen, dass Menschen in Industrieländern wie Deutschland oft deutlich mehr als die empfohlene Menge an Protein essen.

Wer braucht mehr Protein?

Mit zunehmendem Alter benötigt der Körper etwas mehr Protein, um seine Muskelmasse zu erhalten. Personen ab 65 Jahren wird empfohlen, ein Gramm Eiweiß pro Tag und Kilogramm zu sich zu nehmen. Auch Heranwachsende, Schwangere und Menschen, die aktiv Muskulatur aufbauen möchten, sollten etwas mehr davon essen. Erwachsene, die sich bis zu vier bis fünfmal pro Woche je 30 Minuten körperlich betätigen, brauchen laut DGE aber keine erhöhte Proteinmenge.

Wer braucht High-Protein-Produkte?

Eigentlich benötigt niemand High-Protein-Produkte – zumindest nicht die Allgemeinbevölkerung. Es möge zwar Patientengruppen geben, die von solchen Produkten profitieren könnten, sagt Ernährungswissenschaftler Schulze. Ansonsten könne man sich mit einer normalen Ernährung ausreichend mit Protein versorgen. Zu High-Protein-Produkten zu greifen, empfiehlt auch Volkert nicht generell. „Das ist eine Art von Supplementierung. Und ich wäre bei allen Supplementen vorsichtig, weil die Ernährung damit schnell einseitig wird“, sagt die Expertin.

Das viele Eiweiß in High-Protein-Produkten stammt in der Regel aus Soja, Erbsen, Weizen, Reis oder Molke. Es wird chemisch extrahiert und den Lebensmitteln zugesetzt. Es handelt sich also um hochverarbeitete Lebensmittel, die als ungesund gelten. Zudem enthalten sie oft viel Zucker oder Süßstoffe, was sich ungünstig auf die Gesundheit, beispielsweise das Diabetes-Risiko, auswirken kann.

Welche Lebensmittel enthalten viel Eiweiß?

Klassischerweise denkt man bei Proteinen an Fleisch, Fisch, Milchprodukte und Eier. Doch auch Hülsenfrüchte wie Soja, Linsen und Erbsen sowie Vollkornprodukte enthalten viel Eiweiß. Zwar unterscheiden sich pflanzliche und tierische Proteine in ihrer Zusammensetzung. Tierische sind den menschlichen ähnlicher und können daher leichter aufgenommen werden. Durch eine geschickte Kombination unterschiedlicher Lebensmittel, etwa Getreide mit Hülsenfrüchten kann man dies jedoch ausgleichen.


Quellen:

  • Zhang X, Kapoor D, Jeong S-J et al. : Identification of a leucine-mediated threshold effect governing macrophage mTOR signalling and cardiovascular risk. In: Nature Metabolism 19.02.2024, 6: 359-377
  • Stiftung für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen: Was sind Kalorien?. Online: https://www.gesundheitsinformation.de/... (Abgerufen am 17.07.2024)
  • Deutsche Gesellschaft für Ernährung e. V.: Protein, Referenzwerteübersicht. Online: https://www.dge.de/... (Abgerufen am 17.07.2024)
  • Lieberman H R, Fulgoni V L, Agarwal S et al. : Protein intake is more stable than carbohydrate or fat intake across various US demographic groups and international populations. In: The American Journal of Clinical Nutrition 01.07.2020, 112: 180-186
  • Deutsche Gesellschaft für Ernährung e. V.: Leitlinie Protein, Evidenzbasierte Leitlinie zum Einfluss von Protein auf gesundheitsbezogene Endpunkte . Leitlinie: 2024. Online: https://www.dge.de/... (Abgerufen am 17.07.2024)

  • Schulze M, Haardt J, Amini A M et al. : Protein intake and type 2 diabetes mellitus, An umbrella review of systematic reviews for the evidence-based guideline for protein intake of the German Nutrition Society. In: European Journal of Nutrition 17.09.2023, 63: 33-50
  • Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung : Versorgungsbilanz Fleisch, Ein Fachbeitrag zu Fleisch mit den dazugehörigen Daten . Online: https://www.bmel-statistik.de/... (Abgerufen am 17.07.2024)
  • Deutsche Gesellschaft für Ernährung e. V.: Gut essen und trinken, Die DGE-Empfehlungen. Online: https://www.dge.de/... (Abgerufen am 17.07.2024)
  • Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR): Die COPLANT-Studie, Pflanzenbasierte Ernährung im Fokus der Wissenschaft. Online: https://www.coplant-studie.de/... (Abgerufen am 17.07.2024)