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Mit Sportstrategien auch berufliche Herausforderungen meistern

„Beim normalen Training eine Leistung zu erbringen ist etwas ganz anderes als vor Fernsehkameras und Zehntausenden Zuschauern“, sagt Markus Flemming. Der Sportpsychologe betreut als Mentalcoach unter anderem die Berliner Eisbären, die deutsche Handball- und die deutsche Basketball-Nationalmannschaft.

Einige Methoden und Übungen hat er selbst in seiner Zeit als Eishockey-Profi schon genutzt. „Wer sich mental gut vorbereitet hat und die eigenen Stärken authentisch fühlt, kann im besten Fall mit Freude und Stolz in die Herausforderung gehen – egal ob das ein Wettkampf ist, eine Prüfung oder ein Bewerbungsgespräch“, sagt Flemming.

Beratender Experte:

Markus Flemming

Etwa seit 2005 arbeitet Flemming als Sportpsychologe bei den Eisbären Berlin.

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Mentales Training hilft, mit Angst umzugehen

Nervosität und Angst überwinden, Selbstvertrauen aufbauen, bewusst zwischen innerer Anspannung und Entspannung wechseln – das sind wichtige Ziele von mentalem Training im Spitzensport. Versuche, die eigene Angst zu ignorieren, könnten nicht funktionieren, meint Flemming:

„Angst ist vielleicht das wichtigste menschliche Gefühl, weil sie das Überleben sichert. Aber beim olympischen Wettkampf oder im Gespräch mit dem Chef will ich nicht weglaufen, sondern zeigen, was ich kann.“

Um Angst regulieren zu können, müsse man sie akzeptieren und sich reflektiert mit ihr auseinandersetzen. Die Sportpsychologin Mila Hanke, die für das Gemeinschaftsbüro „Sportpsychologie München“ und den Olympiastützpunkt Bayern tätig ist, empfiehlt zudem, vor herausfordernden Situationen mögliche Störfaktoren gedanklich schon einige Tage im Voraus durchzugehen.

„Zum Beispiel: Wie behalte ich die Nerven, wenn bei meiner Präsentation plötzlich technische Probleme auftreten oder mir zu einer Frage nicht sofort eine Antwort einfällt?“

Beratende Expertin:

Mila Hanke

Mila Hanke arbeitet am Olympiastützpunkt München und im Gemeinschaftsbüro „Sportpsychologie München“. Sie ist Sportpsychologin und Mentaltrainerin für LeistungssportlerInnen und Unternehmen.

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Solche konkreten „Wenn…, dann…-Strategien“ gäben mehr Sicherheit und Kontrolle über die Situation, weil man auf potenzielle Stressauslöser dann schon mental vorbereitet ist. Intensiv ausmalen sollte man sie sich aber auf keinen Fall, das steigere die Nervosität nur noch.

Selbstvertrauen und Mut lassen sich trainieren

Richtig eingesetztes Vorstellungstraining – auch Visualisieren genannt – ist dagegen eine effektive Methode, um das Selbstvertrauen zu stärken. Dazu solle man sich möglichst intensiv in eine persönliche Erfolgssituation aus der Vergangenheit hineinversetzen, empfiehlt Mila Hanke – egal ob sportlich, beruflich oder aus dem Privatleben:

„Wie habe ich mich in diesem Moment gefühlt? Welche Körperhaltung hatte ich? Was habe ich gesehen, gespürt und gehört? Je mehr Sinneseindrücke man in die Vorstellung einbindet, desto leichter und stärker lassen sich die damit verbundenen Emotionen wie Selbstvertrauen und Mut wieder hervorrufen.“

Was Spitzensportlerinnen und -sportler in ihrer mentalen Startroutine nutzen, helfe auch vor einem wichtigen Meeting: „Sich für einige Minuten zurückziehen, die Augen schließen, eventuell passende Musik ins Ohr – und den inneren Film als Selbstvertrauens-Booster nutzen.“

Eine gesunde Balance finden und halten

Für Spitzensportlerinnen und -sportler ist es selbstverständlich, dass auf eine starke Trainings- oder Wettkampfbelastung eine Erholungsphase folgt. „Muskeln wachsen in den trainingsfreien Tagen, darum gehört Regeneration zu jedem professionellen Trainingsplan“, sagt Mila Hanke.

Für dauerhaft gute Leistungen braucht es Erholung

Im beruflichen und privaten Alltag dagegen sei vielen Menschen nicht bewusst, dass dauerhaft gute Leistung nur mit genügend Erholungspausen möglich ist: „Unser Energielevel ist begrenzt, jeden Tag. Viele haben kein bewusstes Energiemanagement oder geben ihm keine Priorität. Sie ignorieren Warnzeichen und merken erst kurz vor dem Burnout, wie belastet und erschöpft sie sind.“ Um sich das eigene Energielevel besser bewusst zu machen, rät die Psychologin, ein Akku-Symbol wie beim Laptop oder Handy aufzuzeichnen und den eigenen „Ladestand“ einzutragen.

Nicht erst handeln, wenn man schon komplett erschöpft ist

Rechtzeitig gegenzusteuern sollte man nicht erst, wenn man in den ‚Stromsparmodus‘ rutscht. „Das geht nur, wenn ich mich gezielt damit auseinandersetze, welche Aufgaben, Rahmenbedingungen oder auch Personen mich Energie kosten – und womit ich ganz persönlich meinen Energie-Akku wieder aufladen kann.“ Bewährte Techniken zur Entspannung sind etwa Atemübungen, Yoga oder autogenes Training.

Wie schafft man es, Vorsätze einzuhalten?

Zu einer gesunden Lebensweise mit Blick auf die eigenen Ressourcen gehören auch ausreichend Bewegung und eine gute Ernährung. Allerdings fällt es oft schwer, gute Vorsätze auch einzuhalten. Nicht nur Schokoladenliebhaber und Bewegungsmuffel kennen Motivationslöcher, sondern sogar angehende Olympioniken: Auch mit der Medaille als Fernziel ist es nicht immer leicht, sich um sechs Uhr früh zum Training aufzuraffen. Was kann helfen?

Ziel-Bilder

„Viele Sportlerinnen und Sportler gestalten kreativ aufwendige Collagen, die ihrer Vision ein Gesicht geben, und notieren sich konkrete Antworten auf die Frage: Wofür mache ich das eigentlich?“, erzählt Mila Hanke.

Selbstgestaltete Ziel-Bilder können ebenso dabei helfen, den langen Weg zur Geburtstagsparty im figurbetonten Lieblingskleid oder zur Bergwanderung mit den Enkeln besser zu meistern.

Realistische Zwischenziele

Zusätzlich sollte man sich realistische und ganz konkrete Zwischenziele setzen, rät Hanke: „Zum Beispiel, sich jeden Mittwoch fest mit dem Kollegen zum Lauftraining zu verabreden oder alle vier Wochen die Laufstrecke um einen Kilometer zu erweitern.“

Gesundheitliche Krisen überwinden

Verletzungen sind für Spitzensportlerinnen und -sportler häufig ein dramatischer Einschnitt, der ihre ganze Lebensplanung infrage stellen kann. Ähnliche Erfahrungen machen Menschen, die einen Unfall hatten oder bei denen eine schwere Krankheit diagnostiziert wurde. Angst, Wut, Trauer und Verzweiflung seien in der Akutphase normal, sagt Markus Flemming: „In dieser Phase braucht es vor allem Menschen, die für einen da sind – das persönliche Umfeld, gute Ärztinnen und Physiotherapeuten.“

In Krisen ist es wichtig, aktiv zu bleiben

Erst wenn die Betroffenen die Situation akzeptiert hätten, wie sie nun einmal sei, könnten sie anfangen, wieder eine positive Wahrnehmung und Selbstvertrauen aufzubauen: „Wichtig ist, dass man aktiv bleibt. Nichts senkt die Lebensqualität so stark wie erlernte Hilflosigkeit.“ Darüber hinaus empfiehlt Mila Hanke Betroffenen, sich mit Menschen auszutauschen, die eine ähnliche Situation durchlebt, aber schon überstanden haben.

Überwundene Krisen rüsten uns für die Zukunft

Der feste Vorsatz, genauso gestärkt aus der Krise hervorzugehen, sei eine große Hilfe. Auch Markus Flemming meint: „Aus einer gesundheitlichen Krise kann man sehr viel für den Alltag mitnehmen. Wer sie überstanden hat, ist hinterher psychisch oft besser gerüstet und ärgert sich nicht mehr so leicht über Kleinigkeiten.“

Buchtipps:

Johannes Seemüller, „Am Limit – Wie Sportstars Krisen meistern“, Springer Berlin, 2021.

Dr. Kai Engbert und Dr. Tom Kossak, „Mentales Training im Leistungssport. Teil 2“, Neuer Sportverlag/neuer Kunstverlag, 2021.