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Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) hat sich Zeit gelassen. Vor mehr als einem halben Jahr hatte er Eckpunkte für eine Apothekenreform vorgelegt hat. Gestern nun schickte sein Ministerium einen ersten Gesetzentwurf in die Abstimmung mit den anderen Ressorts.

Im Kern hat der Minister darin genau das verankert, was er bereits im vergangenen Herbst angekündigt hatte: In Apotheken sollen in Zukunft nicht zwingend immer ein Apotheker oder eine Apothekerin anwesend sein. Stattdessen könnten pharmazeutisch-technische Assistentinnen und Assistenten (PTA) beraten und bei Bedarf einen Pharmazeuten oder eine Pharmazeutin per Video zuschalten.

Auch bei den Öffnungszeiten sind weniger strenge Vorgaben geplant. Sogenannte Zweigapotheken dürfen zudem auf ein Labor verzichten, in dem sie Medikamente bei Bedarf individuell für Patientinnen und Patienten herstellen können. Das alles – so hofft der Minister – macht den Betrieb von Apotheken weniger kostenintensiv und damit auch auf dem Land attraktiver.

Unstimmigkeiten in der Koalition

Dass Lauterbach seine Vorschläge erst nach mehreren Monaten in einen Gesetzentwurf gießt, dürfte unter anderem mit den Unstimmigkeiten innerhalb der Ampel-Koalition zu tun haben. Insbesondere die FDP hatte in den vergangenen Monaten immer wieder Bedenken geäußert.

Entsprechend enttäuscht zeigte sich nun Andrew Ullmann, gesundheitspolitischer Sprecher der FDP-Bundestagsfraktion. Die geplanten Filial- und Zweigapotheken bezeichnete er als „Apotheke light“, die nicht zur Sicherung der pharmazeutischen Versorgung beitrage - „auch nicht in ländlichen Gegenden“, so Ullmann. „Apotheken ohne Apotheker sind unvorstellbar. Ihre pharmakologische Fachkenntnis ist vor Ort unerlässlich.“

Deutlich offener für Lauterbachs Pläne sind die Grünen. Der Gesetzentwurf „zeigt Wege auf, wie wir die kleinen Apotheken im ländlichen Raum stärken und die Digitalisierung in den Apotheken auf die Höhe der Zeit bringen“, sagte Paula Piechotta, Gesundheitsexpertin der Fraktion. Demnach setzt die Partei im nun anstehenden parlamentarischen Verfahren auf innovative Versorgungsmöglichkeiten in dünn besiedelten Regionen.

Neue Vergütungsregeln, aber kein zusätzliches Geld

Offene Kritik kommt aus der Opposition. „Der Entwurf enthält sehr viel Schatten und wenig Licht“, sagte Tino Sorge, gesundheitspolitischer Sprecher der Unionsfraktion im Bundestag. „Offensichtlich hat die schwierige Situation vieler Apotheken für die Ampel-Koalition keine besondere Priorität.“

In den zurückliegenden Monaten hatten viele Apotheken protestiert, um auf ihre Probleme aufmerksam zu machen. Sie fordern unter anderem mehr Geld und eine Perspektive für den Nachwuchs. Lauterbach plant mit seinem Gesetz auch neue Vergütungsregeln, von denen insbesondere kleine Apotheken profitieren sollen. Zugleich soll aber kein zusätzliches Geld in das Apothekenwesen fließen. „Mit einer Umverteilung zwischen Apotheken auf dem Land und in den Städten löst der Minister die Versorgungsprobleme nicht“, kritisiert Sorge.

Ganz ähnlich sieht das Kathrin Vogler von den Linken. „Lauterbach scheint noch immer nicht begriffen zu haben, dass Einsparungen bei den Apotheken später irgendwo anders deutlich mehr Kosten erzeugen werden, etwa dann, wenn mehr Menschen aufgrund von Neben- und Wechselwirkungen in den Notaufnahmen der Krankenhäuser landen“, sagte sie. Mit den Plänen des Ministers werde eine flächendeckende Versorgung lediglich simuliert. „Nach seiner Vorstellung sollen künftig Eltern erst mal recherchieren, welche Apotheke in der Nähe das benötigte ADHS-Medikament für ihr Kind überhaupt abgeben darf. Das ist lebensfremd und löst kein einziges Versorgungsproblem.“

Länder wollen keine Apotheken ohne Apotheker

Bereits durchgefallen ist die Reform auch bei den Gesundheitsministerinnen und -ministern der Länder. Sie lehnen Filialen ohne apothekerliche Aufsicht entschieden ab, wie aus einem aktuellen Beschluss der Gesundheitsministerkonferenz hervorgeht. Die fachkundige Beratung durch Apothekerinnen und Apotheker trage wesentlich zu einer sicheren Therapie bei. „Sie leistet einen wertvollen Beitrag bei der angespannten Arzneimittelversorgungslage.“

Zumindest die Krankenkassen sind weitgehend zufrieden. Die Chefin des AOK-Bundesverbands, Carola Reimann, sprach von „wegweisenden Ansätzen“. Die flexibleren Vorgaben für Filialen könnten dazu beitragen „dass die Apotheken-Versorgung in strukturschwachen Gebieten robuster und zukunftsfähiger aufgestellt wird“.

Lauterbach muss seine Reform nun zunächst mit den anderen Ministerien abstimmen. Voraussichtlich Ende Juli soll das Kabinett die Reform verabschieden.