Logo der Apotheken Umschau

Was ist der Ethikrat und wer beruft ihn?

Der Deutsche Ethikrat ist ein unabhängiges Gremium und besteht aus maximal 26 Mitgliedern. Diese werden je zur Hälfte von der Bundesregierung und vom Bundestag vorgeschlagen[1] und anschließend von der Bundestagspräsidentin für vier Jahre berufen. Die Amtszeit der Mitglieder beträgt maximal zwei Ratsperioden – also acht Jahre.

Für die aktuelle Ratsperiode wird der Rat voraussichtlich nur 25 Mitglieder haben, sagte eine Sprecherin des Ethikrates, da der AfD-Kandidat vom Bundestag abgelehnt wurde.

Was macht der Ethikrat und in wessen Auftrag?

Das Gremium ist in seiner Tätigkeit unabhängig und nur an den Auftrag gebunden, der sich aus dem Ethikratgesetz vom 1. August 2007 ergibt[2]. Die Mitglieder befassen sich mit ethischen, gesellschaftlichen, rechtlichen und medizinischen Fragen, die das Leben der Menschen berühren. Der Rat soll die Öffentlichkeit informieren und den gesellschaftlichen Diskurs fördern.

Darüber hinaus erarbeitet der Ethikrat Stellungnahmen und empfiehlt politisches und gesetzgeberisches Handeln für die Bundesregierung und den Deutschen Bundestag. Die Vorschläge sind für die Politik aber nicht bindend.

Wie ist der Ethikrat zusammengesetzt?

Die Expertinnen und Experten des Gremiums üben ihr Amt persönlich und unabhängig aus. Voraussetzung ist, dass sie keine aktiven Mitglieder des Bundestages, der Bundesregierung, eines Landtages oder einer Landesregierung sind. Die Mitglieder des Rates sollen laut Gesetz „naturwissenschaftliche, medizinische, theologische, philosophische, ethische, soziale, ökonomische und rechtliche Belange in besonderer Weise repräsentieren“.

Zu den aktuellen Mitgliedern gehören unter anderem die Strafrechtlerin Frauke Meta Rostalski, die damit ihre zweite Amtszeit antritt, die Psychologin Cornelia Betsch und der Medizinethiker Mark Schweda.

Rosa Brummer (links) und Christel Lenertz (rechts) begrüßen sich und stimmen ein Lied an. „Wer nicht singt, ist ein armer Mensch“, sagt Brummer.

Das Leben in einem Demenzdorf

Klassische Pflege wird Menschen mit Demenz selten gerecht. Wenige Einrichtungen bieten Alternativen. Doch es gibt auch Kritik. zum Artikel

In welchen Belangen wird der Ethikrat herangezogen?

Grundsätzlich entscheidet das Gremium selbst, welche Themen es behandelt. Es kann aber auch von der Bundesregierung oder dem Deutschen Bundestag beauftragt werden.

Im Mai 2020 beauftragte beispielsweise der damalige Bundesgesundheitsminister Jens Spahn den Ethikrat, die ethischen Voraussetzungen und Implikationen der Einführung einer staatlich kontrollierten Immunitätsbescheinigung zu prüfen. Der Ethikrat riet damals davon ab[3].

Sind sich die Mitglieder des Ethikrats immer einig?

Die Mitglieder des Ethikrats sind nicht immer einer Meinung. Der Ethikrat soll unterschiedliche ethische Ansätze und ein plurales Meinungsspektrum repräsentieren. Darüber hinaus kann er Arbeitsgruppen einsetzen und Gutachten durch Dritte erstellen lassen. Das Ethikratgesetz sieht vor, dass die Mitglieder ihre abweichende Meinung in die Stellungnahmen einbringen können. Der Ethikrat spricht also nicht immer mit einer Stimme.

In der Ad-hoc-Empfehlung zu einer gesetzlichen Impfpflicht[4] gab es beispielsweise zwei Positionen. Die eine forderte lediglich eine Ausweitung der bestehenden einrichtungsbezogenen Impfpflicht, die andere sprach sich für die Einführung einer allgemeinen Impfpflicht aus.

Auch bei der Stellungnahme zur Klimagerechtigkeit im März 2024 gab es keine Einigkeit. Drei Mitglieder kritisierten unter anderem in einem Sondervotum, dass der zentrale Begriff der Klimagerechtigkeit in der Stellungnahme nicht ausreichend diskutiert und erklärt werde.

Wie steht der Ethikrat zu medizinischen Themen und Gesundheitspolitik?

Der Ethikrat stand besonders während der Coronapandemie im Blickpunkt der Öffentlichkeit. Neben der Frage nach einer gesetzlichen Impfpflicht veröffentlichte das Gremium 2022 eine Stellungnahme[5], die die Erfahrungen der Coronapandemie und Maßnahmen zum Infektionsschutz reflektiert. Die Expertinnen und Experten forderten darin unter anderem bessere Kommunikationsstrategien und die „Einbeziehung von Menschen mit eingeschränkten Partizipationsmöglichkeiten“.

Zuletzt beschäftigte sich der Ethikrat neben der Klimagerechtigkeit mit dem Einsatz von Künstlicher Intelligenz (KI) in der Medizin[6]. Die Stellungnahme weist darauf hin, dass KI den Menschen nicht ersetzen dürfe, da sie nicht vernunftbegabt und damit auch nicht verantwortlich sein könne. Der Ethikrat betont, dass KI auch diskriminieren kann, weil die grundlegenden Daten von Menschen erhoben werden. Wichtig seien eine am Gemeinwohl orientierte Datennutzung und der Schutz der Privatsphäre; beides müsse rechtlich und technisch abgesichert werden.

Ist der Ethikrat aktuell handlungsfähig?

Derzeit ist der Ethikrat nicht handlungsfähig. Obwohl die neue vierjährige Ratsperiode bereits am 1. Mai begonnen hat, sind auf der Internetseite des Ethikrates derzeit erst vier Mitglieder aufgeführt. Zwar wurden elf Personen bereits vom Deutschen Bundestag gewählt, sie müssen aber noch von der Bundestagspräsidentin ernannt werden. Ein Termin dafür sei noch nicht bekannt, sagte eine Sprecherin des Bundestags.

Und: Die zehn Vorschläge der Bundesregierung, um den Ethikrat vollständig zu besetzen, fehlen immer noch. „Sie werden im Bundeskabinett beschlossen, dies soll zeitnah erfolgen“, so eine Sprecherin des Bundesministeriums für Bildung und Forschung. Eine Sprecherin des Ethikrates ihrerseits sagte: „Wir haben keine Informationen dazu, wann das geschehen wird“.

Das hat zur Folge, dass die konstituierende Sitzung im Juni mangels Mitglieder abgesagt werden musste. Die nächste könne erst stattfinden, wenn die Berufungen erfolgt seien, sagte eine Sprecherin des Deutschen Ethikrates. Und auch eine Vorsitzende beziehungsweise einen Vorsitzenden gibt es noch nicht. „Geplant ist noch vor der Sommerpause eine erste Sitzung, in der ein Vorstand gewählt werden soll“, so Ethikratmitglied Frauke Rostalski. „Es wäre sicherlich wünschenswert gewesen, wäre der politische Prozess schneller verlaufen.“

Die für den 19. Juni geplante Jahrestagung zum Thema „Einsamkeit“ findet erstmals ohne Vorstand statt.


Quellen:

  • [1] Deutscher Bundestag: Mitglieder des Deutschen Ethikrates gewählt. Online: https://www.bundestag.de/... (Abgerufen am 12.06.2024)
  • [2] Bundesministeium für Justiz: Gesetz zur Einrichtung des Deutschen Ethikrats. Online: https://www.gesetze-im-internet.de/... (Abgerufen am 12.06.2024)
  • [3] aerzteblatt.de: Immunitätsbescheinigungen, Ethikrat rät von Einführung ab. online: https://www.aerzteblatt.de/... (Abgerufen am 12.06.2024)
  • [4] Deutscher Ethikrat: Ethische Orientierung zur Frage einer allgemeinen gesetzlichen Impfpflicht, AD-HOC-EMPFEHLUNG. Online: https://www.ethikrat.org/... (Abgerufen am 12.06.2024)
  • [5] Deutscher Ethikrat: Vulnerabilität und Resilienz in der Krise, Ethische Kriterien für Entscheidungen in einer Pandemie. Online: https://www.ethikrat.org/... (Abgerufen am 12.06.2024)
  • [6] Deutscher Ethikrat: Mensch und Maschine, Herausforderungen durch Künstliche Intelligenz. Online: https://www.ethikrat.org/... (Abgerufen am 12.06.2024)