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Der Weg, der aus dem Schmerz führt, ist oft nicht leicht zu finden. Die eine ideale Therapie gibt es nicht. Was Ihnen bei Nervenschmerzen hilft, finden Sie am besten individuell mit Ihrer Therapeutin oder Ihrem Therapeuten heraus. Dafür braucht es oft Geduld und die Offenheit, sich auf Ungewohntes einzulassen. Wenden Sie sich bei Beschwerden wie Schmerzen und Kribbeln in Beinen oder Armen immer an Ihren Hausarzt oder Ihre Diabetologin. Auch um andere Ursachen abzuklären.

Individuell beraten lassen

Gute Zuckerwerte bremsen das Fortschreiten der Nervenschäden. Herkömmliche Medikamente gegen Schmerz bringen wenig. Mittel der Wahl sind rezeptpflichtige Wirkstoffe, die sonst bei Depressionen oder Epilepsie zum Einsatz kommen. Sie dämpfen die Schmerzwahrnehmung. Oft müssen mehrere Präparate und Kombinationen probiert werden, um das Richtige herauszufinden. Ergänzend sind weitere Strategien sinnvoll. Einige stellen wir hier vor. Beraten haben uns dabei Dr. Oliver M.D. Emrich, Leiter des Schmerz- und Palliativzentrums DGS in Ludwigshafen, und Eva Küstner, Diabetes-Fachpsychologin aus Gau-Bischofsheim.

Lassen die Schmerzen trotz Therapie nach spätestens zwölf Wochen nicht deutlich nach, sprechen Sie bitte mit Ihrer Ärztin oder Ihrem Arzt. Sie können Sie an einen Schmerzspezialisten überweisen.

Was bringt eine elektrische Nervenstimulation?

Transkutane Nervenstimulation (TENS) ist ein Verfahren, das einigen hilft. Aufgeklebte Elektroden leiten schwachen Strom auf die Haut. Das Kribbeln verändert das Schmerzempfinden. Es kann einige Wochen dauern, ehe man bei regelmäßiger Anwendung den Effekt spürt. Geräte gibt es auf Rezept. Bei der Hochtontherapie fixiert man Elektroden etwa an den Beinen. Elektrische Schwingungen sollen bei regelmäßiger Anwendung die Nervenfunktion verändern, sodass Beschwerden nachlassen.

Studien, die das belegen, sind ungenügend kontrolliert. Die Kassen zahlen hier das Gerät meist nicht. Man kann es beim Hersteller mieten (297 Euro für drei Monate) oder kaufen. Manche Praxen bieten die Therapie an (für zum Beispiel 30 Euro je Sitzung).

Wieso sollte man Tagebuch führen?

Es kann befreiend sein zu erkennen, dass Schmerzen nicht immer gleich stark auf einen wirken. Ein Schmerztagebuch hilft, herauszufinden, in welchen Situationen Sie sich besser fühlen — und wann Sie vielleicht noch zusätzliche Unterstützung brauchen. Notieren Sie direkt nach verschiedenen Aktivitäten, wie stark Sie den Schmerz dabei empfunden haben. Wenn Sie wissen, was Ihnen guttut, können Sie es gezielt verstärken. Beispiel: Beim Musikhören geht es Ihnen gut. Dann können Sie sich mit der Musik, die Sie mögen, vom Schmerz ablenken und die angenehmen Empfindungen zulassen. Längerfristig lernen Sie, dass Sie den Schmerzen nicht einfach ausgeliefert sind.

Sie probieren das, aber es klappt nicht? Dann besprechen Sie mit der Hausärztin, dem Diabetologen oder Schmerzmediziner anhand des Tagebuchs Ihre Situation. Sie zeigen Ihnen sicher hilfreiche Möglichkeiten auf.

Senior auf dem Fahrrad

Mobil trotz Nervenschmerzen

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Entspannung im Alltag schaffen

In jedem Alltag gibt es Dinge, die einen stressen. Durch gezielte Entspannungsverfahren lernen Sie anders damit umzugehen. Das kann positiv auf die Schmerzwahrnehmung wirken. Meditation, Achtsamkeitstraining, progressive Muskelentspannung und eine Verhaltenstherapie, die heute die Akzeptanz- und Commitment-Therapie (ACT) beinhaltet — das sind mögliche Bausteine einer auf individuelle Bedürfnisse abgestimmten Therapie bei Schmerzspezialisten. Die ACT soll helfen, eine Lebensperspektive zu entwickeln, bei der nicht das Schmerzerleben dominiert. Besprechen Sie am besten mit Ihrer Ärztin oder Ihrem Arzt, ob das vielleicht eine Möglichkeit für Sie ist und wofür die Kasse zahlt. Es gibt Kurse und zur ACT auch eine DiGA (digitale Gesundheitsanwendung), also eine App auf Rezept.

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Was bringen Wasser- oder Nadelreize?

Akupunktur und Wasseranwendung, etwa nach Kneipp, können andere Schmerztherapien ergänzen. Sie gehören zu den Verfahren, bei denen nicht ausreichend belegt ist, wie viel sie wirklich helfen. Aber viele Nervenschmerzbetroffene machen damit gute Erfahrungen. Bei speziellen Schmerztherapien oder Klinikaufenthalten gehören die Methoden oft auf Kassenkosten zum Programm. Ein Antrag auf Kostenübernahme klärt dies. Wer das einfach mal probieren möchte, muss meist selber zahlen (Akupunktur: circa 50 bis 120 Euro je Sitzung). Wasseranwendungen in Eigenregie nur machen, wenn es ein ärztliches Okay dafür gibt.

Spezialisten finden

Wie kann Bewegung helfen?

Ein diabetesbedingter Nervenschaden kann zu Taubheitsgefühl und Muskelschwäche in Füßen und Beinen führen. Man fühlt sich unsicherer auf den Beinen. Da stellt sich die Frage: Was kann man sich körperlich zumuten? Antwort: mehr, als viele zunächst denken. Gleichgewichts-, Muskel- und Ausdauertraining steigern die Leistungsfähigkeit schnell und können nachweislich Schmerzen lindern.

Wichtig: Sie sollten täglich mindestens 30 bis 50 Minuten aktiv sein und beim Ausdauerteil, etwa beim zügigen Gehen, spüren, dass Sie sich anstrengen, aber nicht außer Atem kommen. Besprechen Sie mit Ärztin oder Arzt, welche Aktivitäten sich eignen, wie Sie die Diabetestherapie anpassen und ob Sie spezielle Schuhe oder Einlagen brauchen. Zum Einstieg können Sie sich ärztlich betreuten Rehasport in der Gruppe verordnen lassen, Physio- und manchmal Ergotherapie. Bei einem Nervenschaden besonders wichtig: Füße gut pflegen, täglich inspizieren, Veränderungen sofort Ärztin oder Arzt zeigen.

Welche Nähstoffe können helfen?

 Alpha-Liponsäure und Benfotiamin lindern bei manchen die Beschwerden. Klinische Studien lassen allerdings keine abschließende Beurteilung der Wirksamkeit zu. Die Mittel gibt es als Tabletten oder Kapseln in der Apotheke, Alpha-Liponsäure bei Ärzten auch als höher dosierte Infusion. Die Kassen zahlen meist nicht. Zu Dosierung und Kosten unbedingt beraten lassen (Ärztin, Arzt oder Apotheke).

Was bringt Gleichgewichtstraining?

Regelmäßige Gleichgewichtsübungen beugen Stürzen vor. Beispiel Halb-Tandemstand: Aufrecht neben eine Wand stellen. Füße um eine halbe Schrittlänge voreinander versetzen, eng beieinander, sodass sich die Innenseiten berühren. Position halten. Zusätzlich Kopf nach rechts und links, oben und unten bewegen. Für Geübte: Augen dabei schließen.


Quellen:

  • Deutsche Diabetes Gesellschaft: Diabetische Neuropathie, Praxisempfehlung. Leitlinie: 2023. Diabetol Stoffwechs: https://www.thieme-connect.de/... (Abgerufen am 02.04.2024)

  • Leitzelar B, Koltyn K: Exercise and Neuropathic Pain: A General Overview of Preclinical and Clinical Research. In: Sports Medicine - Open: 22.03.2021, https://doi.org/...
  • Schlereth T et al, Deutsche Gesellschaft für Neurologie: Diagnose und nicht interventionelle Therapie neuropathischer Schmerzen. Leitlinie: 2019. Online: https://dgn.org/... (Abgerufen am 09.04.2024)

  • Schilter T et al.: Akzeptanz- und Commitment-Therapie bei ­chronischen Schmerzen. In: Psychotherapie im Dialog: 01.01.2016, https://doi.org/...
  • GET.ON Institut für Online Gesundheitstrainings GmbH (geton-institut.de): HelloBetter: Dein kostenfreier Online-Therapiekurs bei chronischen Schmerzen. https://hellobetter.de/... (Abgerufen am 09.04.2024)