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Seit Jahrtausenden nutzen Menschen Pflanzen oder Pflanzenteile als Heilmittel[1]. Die Frauenheilkunde scheint dabei besonderes Interesse zu genießen. Der griechische Arzt Dioskurides hat schon vor fast 2000[2] Jahren einen großen Teil seines Werks De materia medica der Gynäkologie gewidmet.[3] Bis heute werden viele Arzneipflanzen für Beschwerden wie starke Krämpfe während der Menstruation, dem prämenstruellen Syndrom (PMS) oder bei Stimmungsschwankungen eingesetzt. Für manche gibt es klare Belege, dass sie wirken, andere kommen eher aus traditionellen Gründen zum Einsatz.

In Europa gibt es für pflanzliche Arzneimittel spezielle Möglichkeiten, sie auf den Markt zu bringen. In welcher Kategorie sie zugelassen werden, sagt etwas darüber aus, wie gut ihre Wirksamkeit belegt ist – mehr zu diesen Registrierungsmöglichkeiten lesen Sie hier.

So viel vorweg: Bei Regelschmerzen gibt es laut offizieller Leitlinie kein einziges pflanzliches Mittel, dessen Wirkung wissenschaftlich belegt ist. Auch bei Wechseljahrsbeschwerden gibt es nur wenige pflanzliche Arzneien, zu denen es Studien gibt. Aber auch bei Arzneimitteln zur traditonellen Anwendung – sollte vor einer Therapie zunächst mit einem Arzt oder einer Ärztin gesprochen werden.

Grundsätzlich gilt

Beschwerden, die während des weiblichen Zyklus entstehen, können – genau wie in den Wechseljahren – vorkommen, ohne dass eine Erkrankung dahintersteckt. In manchen Fällen können die Symptome aber auch eine Krankheit als Ursache haben. Lassen Sie also vor der Anwendung von pflanzlichen Arzneimitteln mögliche Hintergründe ärztlich abklären.

Anwendung in Schwangerschaft, Stillzeit und als Jugendliche

Für alle hier erwähnten Arzneipflanzen gilt: Es gibt keine Daten dazu, ob sie während einer Schwangerschaft oder in der Stillzeit sicher sind. Bevor Sie darüber nachdenken, ein Präparat einzunehmen, sprechen Sie unbedingt mit Ihrer Frauenärztin oder Ihrem Frauenarzt darüber. Das gleiche gilt für alle unter 18-Jährigen.

Das bedeuten Zulassungen pflanzlicher Arzneimittel in der EU

  • Vollzulassung: Wie bei synthetischen Arzneimitteln müssen Wirksamkeit, Unbedenklichkeit und Qualität durch klinische Studien nachgewiesen werden. Diese Zulassung erfordert umfassende wissenschaftliche Daten.[4]
  • Well-established use (auf Deutsch etwa: bewährte Anwendung): Wenn ein Wirkstoff eines Arzneimittels seit mehr als zehn Jahren verwendet wird und seine Wirksamkeit und Sicherheit gut belegt sind. In solchen Fällen kann der Antrag auf Marktzulassung auf Ergebnissen aus der wissenschaftlichen Literatur basieren.[5]
  • Traditionelle Arzneimittel: So werden pflanzliche Arzneimittel registriert, die seit mindestens 30 Jahren (davon 15 Jahre in der EU) sicher verwendet wurden. Ein Wirksamkeitsnachweis durch Studien ist nicht erforderlich, aber es muss belegt werden, dass das Mittel traditionell angewendet wurde.[6]
Frau liegt auf Bett

So funktioniert der weibliche Zyklus

Einmal im Monat haben Frauen normalerweise ihre Menstruation – das ist kein Geheimnis. Aber was in ihrem Körper sonst noch passiert, häufig schon. Wie der weibliche Zyklus funktioniert, zeigt diese zum Artikel

Mönchspfeffer bei Zyklusbeschwerden

Bei PMS, einschließlich Spannungsgefühl und Schmerzen in den Brüsten, kann Mönchspfeffer laut der Europäischen wissenschaftlichen Gesellschaft für Phytotherapie (ESCOP) durch seinen entspannenden Effekt Linderung schaffen. Außerdem kann er bei Menstruationsstörungen, wie zu häufiger oder zu seltener Regelblutung eingesetzt werden.[7] Mittel mit Mönchspfeffer gibt es in verschiedenen Arzneiformen, meist wird es als Tablette oder in Tropfenform eingesetzt. Dr. Dörte Rühl, Apothekerin aus Dortmund, erklärt: „Dadurch, dass der Mönchspfeffer diesen entspannenden Effekt hat, verschwinden oft auch die Schmerzen, die mit Krämpfen und Spannungen einhergehen.“

Frauenmantel bei schmerzender Periode

Die ESCOP empfiehlt Frauenmantel als Teezubereitung bei Schmerzen, die durch die Menstruation entstehen.[8] Echte wissenschaftliche Belege für eine Wirksamkeit gibt es bei dieser Anwendung allerdings nicht. Die Empfehlung der ESCOP stützt sich auf die Erkenntnisse und langjährige Erfahrung von Menschen.

„Es gibt einige Berichte dazu, dass Frauenmantel gerne genutzt wird, auch weil es eine krampflösende Wirkung auf den Magen-Darm-Trakt haben soll“, erklärt Oberärztin Dr. Wiebke Kohl-Heckl an den Evangelischen Kliniken Essen-Mitte, die außerdem stellvertretende Forschungsleitung einer Forschungsabteilung mit Schwerpunkt Naturheilkunde und Integrative Medizin ist. Eine Einstufung als traditionelles Arzneimittel im Sinne des deutschen Arzneimittelgesetzes hat der Frauenmantel allerdings bisher nicht. Dafür gibt es keine ausreichenden wissenschaftlichen Belege.

Apothekerin Rühl erklärt außerdem: „Frauenmantel gibt es nur in der natürlichen getrockneten Form, das bedeutet, man muss es sich als Tee zubereiten. Meine Erfahrung ist, dass unsere Patientinnen andere pflanzliche Arzneimittel in Tabletten- oder Tropfenform bevorzugen.“

Arzneipflanzen als Tee

Expertin Kohl-Heckl erklärt Grundsätzliches zur Anwendung von Arzneipflanzen in Teeform: „Wenn es nicht anders vom Arzt oder der Ärztin empfohlen wird, sind in der Regel zwei bis drei Tassen eines Tees pro Tag das Maximum, maximal 750 ml.“ Die Wirkung entsteht bei vielen Heilpflanzen über die ätherischen Öle, die in den Pflanzteilen enthalten sind. Der Profi-Tipp von Kohl-Heckl: „Beim Aufbrühen des Tees die Tasse abdecken, damit die ätherischen Öle im Tee bleiben und sich nicht verflüchtigen.“ Wenn der Tee ein bisschen abkühlt, setzen sich die Öle ab und bleiben in der Tasse. Arzneitees sind in der Regel nicht zur dauerhaften Anwendung, sondern nur vorrübergehend bei Beschwerden gedacht.

Johanniskraut gegen depressive Verstimmungen

Der Einsatz von Johanniskraut gilt bei leichter bis mittelschwerer Depression und depressiver Verstimmung als medizinisch anerkannt. [9] Trotzdem sollte der Einsatz von Johanneskraut bei einer Depression nicht auf eigene Faust stattfinden, sondern in Rücksprache mit einem Arzt oder einer Ärztin. Auch bei Stimmungsschwankungen kann Johanniskraut helfen – Beschwerden, die bei PMS, aber auch in den Wechseljahren auftreten können.

Das Mittel ist zum Beispiel in Teeform, Tabletten und Tropfen in der Apotheke erhältlich. Expertin Kohl-Heckl erklärt: „Es gibt Studien, die zeigen konnten, dass Johanniskraut ähnlich wirksam ist wie manche klassischen Antidepressiva.“[10] Diese Daten gelten allerdings nicht für alle Präparate mit Johanniskraut. Für welche wissenschaftliche Daten vorliegen, erfragen Sie am besten in Ihrer Apotheke. Manche der Präparate sind rezeptpflichtig – auch deswegen sollte man vorab einen Arzt oder eine Ärztin kontaktieren.[11] Die Wirkung tritt in der Regel erst etwas zeitverzögert ein, nach zwei bis vier Wochen. Sinnvoll ist es, ein Präparat gemäß der Empfehlung von Apotheke, Arzt oder Ärztin zu wählen.

Gerade im Sommer sollte man direkte Sonne weitestgehend meiden und ausreichend Sonnenschutz auftragen

Sehr wichtig zu beachten bei der Therapie mit Johanniskraut ist, dass es zu Wechselwirkungen mit anderen Arzneimitteln kommen kann. Apothekerin Rühl erklärt: „Der Wirkstoff im Johanniskraut kann den Abbau anderer Medikamente in der Leber beschleunigen und so ihre Wirkung abschwächen.“ Darunter fallen Mittel wie bestimmte blutgerinnungshemmende Medikamente oder Mittel, die bei der HIV-Behandlung verordnet werden, Chemotherapeutika, manche synthetische Antidepressiva, aber auch Hormonpräparate, wie die Antibabypille. „Da muss man wirklich aufpassen“, warnt Expertin Kohl-Heckl. Vor dem Kauf und der Einnahme von Johanniskrautpräparaten also unbedingt in der Apotheke oder frauenärztlichen Praxis ausführlich beraten lassen.

Außerdem können Präparate mit Johanniskraut die Haut sensibler für Sonnenstrahlen machen. „Gerade im Sommer sollte man direkte Sonne weitestgehend meiden und ausreichend Sonnenschutz auftragen“, empfiehlt Rühl. Auch zu jeder anderen Jahreszeit wird empfohlen, sich ausreichend vor der Sonne zu schützen.

Hirtentäschelkraut bei stärkerer Blutung

Hirtentäschelkraut ist nach dem Arzneimittelgesetz als traditionelles pflanzliches Arzneimittel eingestuft.[12] Es kann bei leicht verstärkter Regelblutung eingesetzt werden – allerdings nur, wenn der Arzt oder die Ärztin eine ernsthafte Erkrankung als Ursache vorher ausgeschlossen hat. Apothekerin Rühl meint: „In der Praxis findet das eher nicht statt. Die Erfahrung zeigt, dass es andere pflanzliche Wirkstoffe gibt, wie den Mönchspfeffer, der bessere Ergebnisse zeigt.“

Sibirischer Rhabarber oder Rhapontik-Rhabarber

Die Wurzel des Rhapontik-Rhabarber besitzt einen Inhaltsstoff, der eine estrogene Wirkung hat. Strukturell ähnelt der Stoff dem Hormon Östrogen.[13] Er kann ähnlich wie das Hormon im Körper wirken und so dabei helfen, Wechseljahrsbeschwerden einzudämmen, etwa Hitzewallungen, Schlafstörungen und Reizbarkeit. „Neben den Tabletten mit Traubensilberkerzen-Extrakt sind das die Tabletten, zu denen wir die besten Rückmeldungen von Kundinnen bekommen, die gerade in der Menopause sind“, sagt Apothekerin Rühl. Ausreichende wissenschaftliche Belege für die Wirksamkeit des pflanzlichen Mittels gibt es bisher nicht. Nur in einzelnen kleineren Studien schien der Rhapontik-Rhabarber dem Placebo überlegen zu sein. Der Rhabarber könnte demnach tatsächlich einen Nutzen haben, aber die Studienlage ist noch sehr widersprüchlich. Offizielle Empfehlungen gibt es daher nicht.[14]

Yamswurzel als Hormonersatz-Therapie

Bei Beschwerden während der Wechseljahre können unter Umständen Präparate der Yamswurzel zum Einsatz kommen. Die Wurzel enthält den Stoff Diosgenin[15], der in der pharmazeutischen Herstellung als Ausgangsstoff für das Hormon 17β-Estradiol dient. Das wird in Deutschland etwa zur Hormonersatztherapie[16] bei Frauen in den Wechseljahren eingesetzt. Es soll Beschwerden wie Hitzewallungen oder hormonell bedingten Haarausfall verringern.

Apothekerin Rühl sagt: „Bei uns in der Apotheke spielt Yams keine große Rolle. Wenn überhaupt, dann in Kombinations-Präparaten mit anderen pflanzlichen Wirkstoffen.“ Kohl-Heckl erklärt außerdem, warum Produkte mit Yamswurzel nur vorsichtig und nur nach ärztlicher Rücksprache eingesetzt werden sollten: „Präparate mit Yamswurzel greifen in den weiblichen Hormonhaushalt ein. Vor allem bei Frauen während oder nach Brustkrebserkrankungen sind diese Mittel ungeeignet.“

Traubensilberkerze bei Beschwerden in der Menopause

Arzneimittel mit Inhaltsstoffen der Traubensilberkerze werden bei Beschwerden während der Menopause eingesetzt, etwa Hitzewallungen, starkem Schwitzen oder Schlafstörungen. Für einige der Anwendungsgebiete gibt es wissenschaftliche Belege. Dazu gehören bestimmte körperliche Beschwerden wie Schwitzen, wenn sie die durch die Wechseljahre ausgelöst werden. [17] „Meine Erfahrungen aus der Klinik sind, dass Symptome wie Hitzewallungen und Stimmungstiefs durch die Traubensilberkerze bei den Patientinnen deutlich runterfahren können“, berichtet Kohl-Heckl.

Eine Therapie mit Traubensilberkerze sollte vorher ärztlich abgeklärt werden. Die pflanzliche Arznei kann bei Patientinnen mit Leberfunktionsstörungen möglicherweise zu Problemen führen. Wer durch die Einnahme Symptome wie verstärkte Müdigkeit, Appetitlosigkeit, Übelkeit und Erbrechen hat, sollte unbedingt einen Arzt aufsuchen. Kohl-Heckl erklärt weiter: „Grundsätzlich kann gegebenenfalls auch bei Brustkrebserkrankungen mit hormonabhängigem Tumor Traubensilberkerze eingesetzt werden, eine ärztliche Rücksprache ist aber sinnvoll.“ Bei jeder Tumorerkrankung unter Therapie sollte allerdings ärztliche Rücksprache auch für die Einnahme rezeptfreier Arzneimittel erfolgen.


Quellen: