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Füße und Beine sind angeschwollen und schwer, Socken schnüren ein, Schuhe passen nicht mehr – dazu noch Schmerzen, Hautveränderungen und nächtliche Wadenkrämpfe: Eine Venenschwäche kann das Leben ziemlich beschwerlich machen. Und sie trifft viele – je älter, desto häufiger.

Manche probieren es mit Wasseranwendungen und gehen für diese sogenannte Balneotherapie in Badekurorte. Hilft das wirklich – oder ist das eher Wellness? Diese Frage untersucht ein Cochrane Review aus dem Jahr 2023. Die Antwort ist nicht ganz einfach. Aber spannend.

Was ist Cochrane?

Cochrane ist ein internationales Forschungsnetzwerk, das seit über 30 Jahren systematische Übersichtsarbeiten – die sogenannten Cochrane Reviews – erstellt. Diese Übersichtsarbeiten fassen den aktuellen, weltweiten Wissensstand der Forschung zu Fragestellungen aus Medizin und Gesundheit zusammen und bewerten die Vertrauenswürdigkeit der zugrundeliegenden Studienergebnisse. Damit bilden Cochrane Reviews eine zentrale Grundlage der evidenzbasierten Medizin.

In dieser Kolumne für die Apotheken Umschau stellen Mitarbeitende von Cochrane Deutschland in Freiburg die Ergebnisse aktueller Cochrane Reviews vor.

Wie wirkt sich eine Venenschwäche aus?

Eine chronische Venenschwäche ist nicht nur beschwerlich – sie kann auch ernste Folgen haben: Schmerzen, Krampfadern und harte, juckende Haut am Unterschenkel, die weiße oder bräunliche Flecken bildet. Schlimmstenfalls sorgen schon geringe Stöße für Verletzungen, die dann nur schwer heilen – Stichwort „offenes Bein“.

Durch eine chronische Venenschwäche steigt zudem das Risiko für Gefäßverschlüsse. Ursache für diese Probleme: Die Klappen in den Beinvenen schließen nicht mehr vollständig. So fließt Blut – statt zum Herzen hin – zurück ins Bein und staut sich dort.

Wie kann eine Venenschwäche behandelt werden?

Bei schweren Fällen können Krampfadern operativ entfernt oder verschlossen werden. Wichtig ist auch, sich zu bewegen, die Beine hoch zu lagern und medizinische Kompressionsstrümpfe zu tragen. Etliche Betroffene erhoffen sich Linderung durch die Balneotherapie („Wassertherapie“). Das Wasser soll von außen auf das Gewebe drücken und dadurch Druck auf die Venen ausüben. Das könnte helfen, das Blut zurück zum Herzen zu befördern.

Quer durch Europa haben therapeutische Wasseranwendungen eine lange Tradition; viele Heilbäder und Kurorte bieten balneotherapeutische Behandlungen an, wie kontrolliertes Gehen in halbtiefem Wasser („Wassertreten“), Wassergymnastik, Unterwassermassage und warm-kalte Kneipp-Wechselduschen.

Was hat die Wissenschaft zu Wasseranwendungen untersucht?

Hat Balneotherapie bei Venenschwäche tatsächlich einen medizinischen Nutzen? Die Cochrane-Forscherinnen und -Forscher werteten im Jahr 2023 sieben Studien aus – drei aus Frankreich, zwei aus Österreich und je eine aus Italien und den USA.

Die Studien verglichen Betroffene, die Balneotherapie erhielten, mit Betroffenen ohne Balneotherapie. Untersucht wurden 1057 ältere Erwachsene mit chronischer Venenschwäche, deren mittleres Alter bei 58 bis 65 Jahren lag – und von denen der Großteil weiblich war. Die meisten bekamen über mehrere Wochen in einem spezialisierten Kurort mehrmals täglich Wasserwendungen zwischen 15 und 30 Minuten. Einen einheitlichen Therapieplan für die Balneotherapie gab es nicht.

Keine der Studien hat allerdings untersucht, wie es sich auswirkt, wenn man zufällig mal durch ein Wassertretbecken am Wegesrand watet – sondern allen Studien liegt eine Form von intensiver Wassertherapie zugrunde.

Was haben die Forschenden herausgefunden?

Die Cochrane-Autorinnen und -Autoren hatten bei ihrer Zusammenfassung ein methodisches Grundsatzproblem: Nämlich die Frage, wie sehr ein Kuraufenthalt an sich schon dafür sorgt, dass die Betroffenen ihre Beschwerden geringer einschätzen – trotz unveränderter Venenschwäche. Diese Unklarheit führt dazu, dass keines der Ergebnisse nach den strengen Cochrane-Standards als „hochzuverlässig“ eingestuft wird.

Im Detail zeigt der Cochrane Review folgendes:

  • Nach drei bis zwölf Monaten verbessert die Balneotherapie den Schweregrad der Venenschwäche wahrscheinlich leicht – nämlich um 1,8 Punkte auf einer 27-Punkteskala (drei Studien mit 671 Teilnehmenden). „Wahrscheinlich“ müssen wir deshalb sagen, weil der Cochrane Review die Ergebnisse der ausgewerteten Studien als moderat vertrauenswürdig einstuft. Nach den Cochrane-Standards ist das die zweithöchste Zuverlässigkeitsstufe, die Studienergebnisse erreichen können – aber eben nicht die höchste.
  • Fragt man nach drei bis sechs Monaten nach, haben sich die Schmerzen möglicherweise etwas verbessert – und zwar um rund einen Punkt auf einer 10-Punkteskala. „Möglicherweise“ muss man sagen, weil die Vertrauenswürdigkeit dieses Ergebnisses gering ist.
  • Nach 12 Monaten verbessern sich auch Hautverfärbungen möglicherweise – und zwar um 3,6 Punkte auf einer 10-Punkteskala (Daten aus einer Studie mit 59 Teilnehmenden).
  • Ob Balneotherapie vor Gefäßverschlüssen, Wundrosen und Beingeschwüren bewahrt, weiß man nicht. Dazu gibt es zu wenig gute Daten.

Die Cochrane Autorinnen und -Autoren haben zudem ziemlich viele Forderungen, was noch erforscht werden sollte: etwa, welches Behandlungsprotokoll am besten wirkt oder wie Balneotherapie langfristig im Vergleich zu anderen Behandlungen (zum Beispiel Medikamente, Physiotherapie) abschneidet.

Nach bestem Wissen

Balneotherapie scheint den Rückfluss des Blutes aus den gestauten Venen etwas zu fördern – mehrmals tägliche Anwendung über mehrere Wochen vorausgesetzt. Dann bringt sie wahrscheinlich eine leichte Linderung. Unklar ist allerdings, ob sie groß genug ist, dass die Betroffenen sie in ihrem Alltag tatsächlich spüren.


Quellen:

  • de Moraes Silva MA, Nakano LCU, Cisneros LL et al.: Balneotherapy for chronic venous insufficiency.. In: Cochrane Database of Systematic Reviews 2023: 09.01.2023, https://doi.org/...
  • IQWIG Gesundheitsinformation: Beschwerden nach einer Thrombose (Postthrombotisches Syndrom).. https://www.gesundheitsinformation.de/... (Abgerufen am 22.07.2024)
  • Robert Koch-Institut: Venenerkrankungen der Beine. In: Gesundheitsberichterstattung des Bundes 01.01.2009, 44: 1-38