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Die Werbebotschaft geht so: Bitterstoffe sind gut für uns, aber in Lebensmitteln wurden sie immer mehr herausgezüchtet; ergo, wir bekommen nicht genug davon. Die Lösung? Nahrungsergänzungsmittel wie Bittertropfen oder -sprays. Doch ist es wirklich so einfach?

Wie schmecken wir Bitterstoffe?

Bitterstoffe stecken in vielen Lebensmitteln. „Mehr als 1000 Bitterstoffe sind derzeit bekannt“, sagt Dr. Maik Behrens, Molekularbiologe am Leibniz-Institut für Lebensmittel-Systembiologie an der TU München. „Allen gemein ist, dass sie die Bitterrezeptoren aktivieren.“ Solche Rezeptoren, also Andockstellen, gibt es auf der Zunge, wo sie den Bittergeschmack vermitteln, aber auch im Magen-Darm-Trakt, in der Lunge und im Gehirn. Um die 25 unterschiedlichen Rezeptortypen kommen in Zunge und Organen vor, und nicht jeder Mensch hat jede Variante. Die Mehrzahl nimmt Kohlgemüse wie Brokkoli als deutlich bitter war, ein kleinerer Teil schmeckt da kaum eine bittere Note heraus.

Verzehr von Bitterstoffen nur in Maßen gesund

Die Sache mit den Bitterstoffen ist also komplex. „Es ist schlicht falsch zu sagen, dass bitter nur gesund ist“, sagt Behrens. Das Wirkspektrum von Bitterstoffen reiche von appetitanregend und verdauungsfördernd bis hin zu giftig oder sogar tödlich, heißt es auch in einem Beitrag in der Fachzeitschrift Ernährungs Umschau.

In überschaubaren Mengen gegessen haben die Substanzen viele positive Eigenschaften. Im Magen-Darm-Trakt sind sie unter anderem daran beteiligt, dass Hormone ausgeschüttet werden, die die Produktion von Insulin anregen und so den Blutzuckerspiegel senken. Auch Hormone, die im Gehirn ein Sättigungsgefühl vermitteln, gelangen mithilfe der Bitterstoffe ins Blut.

Können Bitterstoffe beim Abnehmen helfen?

Manche Bitterstoffe, wie Cynarin, das in Artischocken steckt, regen die Gallensaftbildung an. Andere erhöhen die Verweildauer der Nahrung im Magen oder sorgen dafür, dass mehr Magensaft und Speichel produziert werden. Können Bitterstoffe also beim Abnehmen helfen? „Es gibt einige Experimente, die dafür sprechen“, sagt Maik Behrens. „Auch hier kommt es allerdings auf den Bitterstoff an.“

Lebensmittel mit Bitternote

Sie sind die gesündere Alternative zu teuren Tropfen

  • Natürliche Bitterstoffe stecken zum Beispiel in Radicchio, Oliven, Salbei, Brokkoli, Grapefruit, Rucola und Artischocke. Auch in Kaffee sind sie enthalten.
  • Sie haben viele positive Wirkungen, manche von ihnen fördern zum Beispiel die Verdauung.
  • Trotzdem lieber keinen Magenbitter nach dem Essen trinken. Denn Alkohol macht die Verdauung träge.

Sollte man Bittertropfen einnehmen?

Von Nahrungsergänzungsmitteln wie Bittertropfen rät der Experte ab: „Ich würde sie nicht nehmen und auch keinem Bekannten empfehlen.“ Es sei oft unklar, welche Stoffe darin landen und wie gut die einzelnen Substanzen und Gemische in ihrer Wirkung und Sicherheit untersucht worden sind. „Ist vielleicht nur Chicorée drin und die Dosis gering, können sie harmlos sein und eventuell sogar einen positiven Einfluss auf Nahrungsaufnahme oder Verdauung haben.“

Oft seien es allerdings wilde Gemische, die auch Alkohol oder Konservierungsstoffe enthielten. „Schlimmstenfalls ist die Mischung schädlich“, so Behrens. Etwa für die Leber. „Es macht schon einen Unterschied, ob ich alle paar Wochen Chicorée esse oder die Stoffe täglich hochkonzentriert einnehme. Nicht umsonst sagt man: Die Dosis macht das Gift.“

Vorsicht, giftig!

Zucchini, Kürbis oder Gurken lieber nicht essen, wenn sie bitter schmecken. Denn sie enthalten dann giftige Cucurbitacine.

Auch Jana Fischer, Referentin für Ernährung bei der Verbraucherzentrale Hamburg, rät von solchen Nahrungsergänzungsmitteln ab. Meist stehe auf den Verpackungen der Präparate nur, dass Extrakte aus verschiedenen Pflanzen gewonnen wurden – nicht aber, was genau extrahiert wurde und in welcher Dosis. Vorsicht sei auch geboten, da in manchen Produkten Wermutkraut stecke. „Hier fehlen wissenschaftliche Daten, wie es sich auf die Gesundheit auswirkt und ob es sogar gefährlich sein kann“, sagt Fischer.

Das Bundesinstitut für Risikoforschung rät bei Wermut zum Verzicht. Zudem, so Jana Fischer, sei es sinnvoller, Bitterstoffe nicht isoliert, sondern als Bestandteil von Lebensmitteln zu sich zu nehmen, die auch andere gute Stoffe enthalten – wie etwa Ballaststoffe. Erst das Zusammenspiel mache oft den gesundheitsförderlichen Effekt aus. Und anders als bei Nahrungsergänzungsmitteln drohe hier auch keine Überdosis.

Nicht zuletzt: Bittertropfen sind teuer. Viel günstiger ist es, gesunde Bitterstoffe über Lebensmittel in die Ernährung zu integrieren.


Quellen:

  • Hoehl K; Lichtenstein S: Bitterstoffe und -komponenten in Lebensmitteln und Heilpflanzen, Teil 1: Klassifizierung, Wirkung und Toxizität. In: Ernährungs Umschau 01.08.2020, 67: 472-479
  • Sueddeutsche Zeitung: Mann stirbt an Garten-Zucchini. https://www.sueddeutsche.de/... (Abgerufen am 06.05.2024)
  • Spektrum der Wissenschaft: Bitterstoffe, Lexikon der Biologie. https://www.spektrum.de/... (Abgerufen am 06.05.2024)
  • Verbraucherzentrale: Rein pflanzlich heißt nicht immer harmlos. https://www.klartext-nahrungsergaenzung.de/... (Abgerufen am 06.05.2024)
  • Bundesinstitut für Risikobewertung: Risikobewertung von Pflanzen und pflanzlichen Zubereitungen. https://www.bfr.bund.de/... (Abgerufen am 06.05.2024)
  • Bundeszentrum für Ernährung: Bitterstoffe – gesund, aber nicht jedermanns Sache. https://www.bzfe.de/... (Abgerufen am 06.05.2024)
  • Pschyrembel Online: Bitterstoffe. https://www.pschyrembel.de/... (Abgerufen am 06.05.2024)
  • Deutsche Diabetes Hilfe: Die Kraft der Bitterstoffe in der Ernährung bei Diabetes Typ 1 und Typ 2. https://www.diabetesde.org/... (Abgerufen am 06.05.2024)