Logo der Apotheken Umschau

Was ist Melatonin und wie wirkt es?

Bei Melatonin handelt es sich um ein körpereigenes Hormon, das für die Steuerung des Schlaf-Wach-Rhythmus im Körper mitverantwortlich ist. Es wird vornehmlich in der Zirbeldrüse im Gehirn gebildet.

Ausgeschüttet wird Melatonin dann, wenn kein Tageslicht mehr auf die Netzhaut fällt, erklärt die Schlafmedizinerin Prof. Kneginja Richter, Professorin an der technischen Hochschule Nürnberg und Chefärztin der CuraMed Tagesklinik Nürnberg für Psychosomatische Medizin, Psychiatrie, Psychotherapie und Schlafmedizin.

Die Konzentration im Blut steigt deshalb abends an und erreicht in der Nacht ihren Höhepunkt. Mit dem Anstieg von Melatonin entspannen wir uns und werden müde. Neben der Regulation des Schlafes beeinflusst Melatonin die Körpertemperatur und die Ausschüttung weiterer Hormone.

Schlaflos? Bis zu zwei Drittel aller Erwachsenen leiden gelegentlich an der Schlafstörung Insomnie.

Häufige Schlafstörung: Insomnie

Ein- und Durchschlafprobleme, frühes Erwachen, Erschöpfung am Tag deuten auf eine Insomnie hin. Depressionen oder Ängste sind mögliche Ursachen. zum Artikel

Welche Produkte enthalten Melatonin?

„In Deutschland gibt es zwei zugelassene, verschreibungspflichtige Melatoninpräparate“, weiß Schlafexpertin Richter. Diese sind verschreibungspflichtig, weil das Melatonin in retardierter Form verarbeitet wurde. Das heißt, dass bei den Präparaten das Hormon nicht auf einmal, sondern über einen längeren Zeitraum an den Körper abgegeben wird.

In den letzten Jahren kamen allerdings immer mehr melatoninhaltige Nahrungsergänzungsmittel auf den Markt. Sie werden als Kapseln, Tropfen, Spray, Pulver oder Gummidrops ohne Rezept in Drogeriemärkten, Apotheken und in Online-Shops verkauft. Teils enthalten diese Nahrungsergänzungsmittel einen höheren Melatoningehalt als die zugelassenen verschreibungspflichtigen Medikamente.

Bei Nahrungsergänzungsmitteln handelt es sich um Lebensmittel, die dazu bestimmt sind, die allgemeine Ernährung gesunder Personen zu ergänzen. Sie können eigenständig und ohne ärztlichen Rat eingenommen werden. Dementsprechend gibt es für Nahrungsergänzungsmittel andere Regelungen: Anders als Medikamente unterliegen sie keiner Zulassungspflicht und werden somit nicht auf ihre Wirksamkeit und Sicherheit überprüft. Auch gesetzlich festgelegte Höchstmengen für Inhaltsstoffe wie Melatonin existieren nicht.

Wobei sollen Nahrungsergänzungsmittel mit Melatonin helfen?

Laut den Herstellern sollen melatoninhaltige Nahrungsergänzungsmittel das Einschlafen erleichtern und den Schlaf verbessern. Durch die Einnahme erhöht sich der Melatonin-Plasmaspiegel im Körper. Je nach Produkt wird das Melatonin schneller oder verzögert freigesetzt. Ob und wie genau das Melatonin im Körper eine Wirkung entfaltet, unterscheidet sich von Mensch zu Mensch. Dabei spielen Körperbau, Lebensalter, genetische Unterschiede und andere eingenommene Medikamente eine Rolle.

Warum wird vor Nahrungsergänzungsmitteln mit Melatonin gewarnt?

Aus Sicht des Bundesamts für Risikobewertung (BfR) fehlen Studien zu den gesundheitlichen Effekten der Nahrungsergänzungsmittel (NEM). „Die momentan verfügbaren wissenschaftlichen Daten zur Verwendung von Melatonin sprechen gegen eine unkritische, unkontrollierte Einnahme melatoninhaltiger NEM, vor allem über einen längeren Zeitraum“, heißt es in einer BfR-Stellungnahme.

Bestehende Untersuchungen wurden oft nur mit wenigen Probanden und über einen kurzen Zeitraum hinweg durchgeführt. Bei Arzneimitteln seien solche Arten von Studien eine Zulassungsvoraussetzung, bei Nahrungsergänzungsmitteln ist das anders, bestätigt Kneginja Richter. Deshalb sei es schwer, bei Nahrungsergänzungsmitteln verlässliche Aussagen zu treffen. „Hinzu kommt, dass viele Nahrungsergänzungsmittel auch Vitamine, Magnesium oder andere Inhaltsstoffe enthalten“, sagt Richter. Das könne die Wirkung unabhängig vom Melatonin beeinflussen.

Welche Gesundheitsrisiken drohen?

In seiner Stellungnahme zählt das BfR eine ganze Reihe unerwünschter Nebenwirkungen auf, unter anderem Schläfrigkeit, Kopfschmerzen, verlängerte Reaktionszeit, Blutdruckabfall und Alpträume.

Zudem würden einige Studien an Erwachsenen darauf hinweisen, dass die Melatonineinnahme die körpereigene Produktion von Hormonen beeinflusst, die eine entwicklungs- oder reproduktionsbiologische Bedeutung haben. Insbesondere bei langfristiger Einnahme rät das Bundesinstitut deshalb zur Vorsicht.

Wer sollte besonders aufpassen?

Bestimmten Risikogruppen rät das BfR von einer unkontrollierten, nicht ärztlich überwachten Verwendung melatoninhaltiger Nahrungsergänzungsmittel ab. Neben Menschen mit bestimmten entzündlichen Vorkrankungen, Epilepsie oder Autoimmunerkrankungen, wie zum Beispiel Morbus Crohn, zählen dazu Kinder und Jugendliche sowie Personen mit eingeschränkter Leber- bzw. Nierenfunktion. „Auch Schwangere und Stillende sollten vorsichtig sein, weil es wenige Studien gibt, die die Wirkung von Melatonin während der Schwangerschaft untersucht haben“, ergänzt Prof. Richter.

Hinzu kämen Personen, die zudem andere verschreibungspflichtige Medikamente einnähmen. Denn viele Medikamente würden durch die Niere oder durch die Leber verarbeitet. „Wenn ein melatoninhaltiges Mittel eingenommen wird, das durch dasselbe Enzym abgebaut wird wie ein anderes Medikament, kann das die Wirkung beeinflussen“, erklärt die Schlafmedizinerin. Auch Berufskraftfahrer und Personen, die schwere Maschinen bedienen, sollten bedenken, dass die Melatonineinnahme die Fahrtüchtigkeit beeinflussen kann.

Frau schläft im Bett

Schlafen Sie gut: Erholsamer Schlaf

Während wir ruhig im Bett liegen, tobt in uns ein Feuerwerk an Aktivitäten. Sie machen uns fit für den nächsten Tag und halten uns gesund zum Artikel

Wann könnten Mittel mit Melatonin sinnvoll sein?

Grundsätzlich von melatoninhaltigen Mitteln abraten möchte Kneginja Richter nicht: „Wer unter Schlaf-Wach-Störungen leidet, für den stellen melatoninhaltige Präparate tatsächlich eine Option dar.“ Das könne beispielsweise bei Menschen, die im Schichtdienst arbeiten, die öfter über viele Zeitzonen hinweg reisen, oder die blind sind, der Fall sein.

Ähnlich wie auch das Bundesinstitut für Risikobewertung rät die Schlafmedizinerin aber zur vorsichtigen Verwendung. Denn im Gegensatz zu melatoninhaltigen Arzneimitteln, die ärztlich verschrieben wurden, sei bei den Nahrungsergänzungsmitteln durch die selbstständige Einnahme die Gefahr der Überdosierung größer. Menschen, die unter Schlafproblemen leiden, sollten deshalb am besten ärztlichen Rat suchen.


Quellen:

  • Bundesinstitut für Risikobewertung: Melatoninhaltige Nahrungsergänzungsmittel: BfR weist auf mögliche Gesundheitsrisiken hin. Bundesinstitut für Risikobewertung: https://www.bfr.bund.de/... (Abgerufen am 29.08.2024)