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Prof. Dr. Andrew Ullmann ist gesundheitspolitischer Sprecher der FDP-Bundestagsfraktion, Mitglied im Gesundheitsausschuss und zugleich Facharzt für Innere Medizin, Hämatologie, Onkologie und Infektiologie. Er berichtet:

„Der Arzt weiß alles – diese Vorstellung ist völlig falsch. Auch ich habe in meiner Laufbahn Fehlentscheidungen getroffen. Als Internist behandelte ich Ende der 80er-Jahre viele Menschen mit HIV, später viele Krebspatienten. In beiden Fällen müssen Patienten viele Medikamente gleichzeitig nehmen. Unerwünschte Neben- und Wechselwirkungen kommen dabei immer wieder vor.

Als Stationsarzt am Uniklinikum Mainz versorgte ich vor Jahren eine Krebspatientin. Über einen zentralen Venenkatheter gaben wir ihr über mehrere Schläuche neben ihrem Chemotherapeutikum noch andere Medikamente, außerdem einen Cholesterinsenker (Statin) als Tablette. Der Frau ging es mit dem Statin nicht schlechter. Aber es hätte sich nicht mit dem Krebsmittel vertragen. Das kann bis hin zu Muskelzerfall und Nierenversagen führen.

Aufgefallen ist diese mögliche Wechselwirkung nur, weil wir mit unserer damaligen Chefapothekerin zusammengearbeitet haben. Ein ziemliches Glück, das meiner Ausbildung in den USA zu verdanken war: Dort war schon damals stets ein Apotheker mit seiner Expertise Teil des Behandlungsteams.

Wachsam bleiben trotz künstlicher Intelligenz

Was in den USA damals üblich war, war in Deutschland ungewöhnlich. Über diese Zusammenarbeit hatte ich mich mit meinem damaligen Chef in Mainz ausgetauscht und stieß bei ihm auf offene Ohren. Deswegen war die Apothekerin Mitglied des Teams. Gemeinsam fanden wir eine Behandlung, welche die Frau nicht weiter gefährdete.

Ich habe als Arzt gelernt, wie wichtig der bewusste Umgang mit Fehlentscheidungen ist – anfangs ist mir das nicht leichtgefallen. Aber Fälle im Nachhinein noch einmal auszuwerten, dabei mögliche Fehlentscheidungen zu diskutieren sowie die Kontrolle durch das Team helfen, Fehler zu vermeiden. In Zukunft werden auch künstliche Intelligenz und andere digitale Hilfsmittel die Entscheidungen unterstützen. Sie dürfen uns aber nicht bequem werden lassen und wir dürfen uns nie der Illusion der Unfehlbarkeit hingeben.“