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Ist der Thailand-Pilz eine Geschlechtskrankheit?

„Eine klassische Geschlechtskrankheit bedingt dieser Pilz nicht – aber durchaus eine sexuell übertragbare Infektion“, erklärt Prof. Norbert Brockmeyer, Präsident der Deutschen Gesellschaft zur Förderung der Sexuellen Gesundheit.

Dabei gilt der Erreger Trichophyton mentagrophytes eigentlich als zoophiler Dermatophyt, das heißt, er wird normalerweise durch Tiere, zum Beispiel Mäuse, übertragen. Seit einigen Jahren beobachten Mediziner aber auch eine Zunahme von Infektionen durch den engen Körperkontakt von Mensch zu Mensch – wie beim Trichophyton mentagrophytes VII.

In einer Untersuchung der Berliner Charité, die zwischen Januar 2016 und Juli 2017 durchgeführt wurde, berichteten von 37 Betroffenen lediglich zwei von vorangegangenen Tierkontakten. Die Forscher kamen nach der Untersuchung zu dem Schluss, dass die Übertragung „sehr effektiv über sexuellen Kontakt“ erfolgt.

Es ist keine Pandemie, die derzeit über Deutschland hinwegrauscht

„Gerade in den letzten Monaten haben wir sehr viele Patienten mit diesen Infektionen, hauptsächlich im Genitalbereich, aber auch an anderen Körperstellen, in unserer Ambulanz gesehen – meist sind es mehrere Betroffene pro Woche“, sagt Dr. Julia Huynh, Fachärztin an der Klinik für Dermatologie, Venerologie und Allergologie an der Charité. „Allerdings ist das Auftreten sehr vom Ort abhängig. Wenn man wie ich in Berlin arbeitet, sieht man deutlich mehr Fälle als in ländlichen Gebieten.“ Auch Prof. Brockmeyer beobachtet einen Anstieg der Fälle in Hotspots wie Köln oder dem Ruhrgebiet, wo er arbeitet. „Dennoch ist es keine Pandemie, die derzeit über Deutschland hinwegrauscht“, beruhigt der Experte.

Mittlerweile sehen wir überwiegend Patienten, die sich in Deutschland angesteckt haben. Daher finde ich den Begriff Thailand-Pilz inzwischen eher irreführend und unpassend

Woher kommt der Name Thailand-Pilz?

Die ersten Infektionen mit Trichophyton mentagrophytes VII wurden bei Reiserückkehrern aus Thailand nachgewiesen – daher sein Name. Bald folgten Fälle aus Ägypten und anderen asiatischen Ländern.

„Vor etwa zehn Jahren war das noch eine klassische Reisedermatose“, erzählt Dr. Huynh. „Mittlerweile sehen wir aber überwiegend Patienten, die sich in Deutschland angesteckt haben. Daher finde ich den Begriff Thailand-Pilz inzwischen eher irreführend und unpassend." Auch Fälle, wie der eines Geschäftsmannes, der sich in Thailand bei Sexarbeiterinnen mit dem Pilz angesteckt und anschließend auch seine daheim gebliebene Ehefrau infiziert hat, sind eher die Ausnahme. „Wir erleben inzwischen vor allem Männer, die sich beim sexuellen Kontakt mit Männern angesteckt haben“, sagt Dr. Huynh.

Wie gefährlich ist der Thailand-Pilz?

Der Pilz ist nicht lebensgefährlich: Er befällt keine Organe, verursacht aber durchaus ausgedehnte eitrige und sehr schmerzhafte Hautinfektionen. „Es kommt immer wieder zu ausgeprägten Entzündungen, sowohl am Haarschaft, als auch an den Drüsengängen entlang, die dann zu massiven Pusteln, also eitrigen Veränderungen und zu ausgeprägten Fisteln führen“, weiß der Facharzt für Haut- und Geschlechtskrankheiten.

Einige Patienten quälen so starke Schmerzen, dass sie nicht mehr sitzen können. „Außerdem kann bei diesen sehr tiefen Infektionen auch Fieber auftreten. Dann kann eine stationäre Aufnahme notwendig werden. Und in Einzelfällen auch ein operatives Vorgehen, wenn man die Fisteln spalten muss, damit der Eiter, der sich gebildet hat, besser abfließen kann“, sagt Brockmeyer.

Um solche schweren Verläufe zu verhindern, ist eine zeitnahe Behandlungsaufnahme entscheidend.

Wann sollte man zum Arzt gehen?

Nach einer Infektion mit dem Trichophyton mentagrophytes VII treten nicht sofort die typischen Pusteln auf. Meist beginnt es mit einer Rötung und Schuppung der Haut im Genitalbereich, wie man es auch von anderen Pilzinfektionen oder der Schuppenflechte kennt.

Später führen dann die eitrigen Pusteln häufig zu einer Fehldiagnose. „Das Problem ist, dass der Pilz oft übersehen wird“, sagt Dr. Huynh. Dann werden die Patienten mit Antibiotika behandelt und alle wundern sich, dass sie nicht auf die Therapie ansprechen. „Weil der Pilz so ausgeprägt eitrig ist, wird er leider häufig mit bakteriellen Infektionen verwechselt.“

Prof. Brockmeyer empfiehlt, „mit Hautveränderungen immer einen Hautarzt aufzusuchen, damit die fortschreitende Infektion nicht zu einer gravierenden Erkrankung führt.“

Generell gilt: Je früher man den Pilz behandelt, desto leichter ist die Therapie.

Wie wird der Thailand-Pilz behandelt?

Eine Infektion mit Trichophyton mentagrophytes VII wird von Ärztinnen und Ärzten sehr ernst genommen. „Da Trichophyton mentagrophytes VII eine tiefe Pilzinfektion verursacht, muss man ihn in der Regel mit Tabletten behandeln“, sagt Dr. Huynh. Eine oberflächliche Behandlung, wie sie beispielsweise beim Fußpilz üblich ist, reicht beim Trichophyton mentagrophytes VII meist nicht aus.

„Mitunter müssen die Betroffenen die Medikamente sogar über mehrere Monate einnehmen“, erklärt die Fachärztin für Haut- und Geschlechtskrankheiten. Die gute Nachricht ist: Bei einer gesicherten Infektion mit dem sogenannten Thailand-Pilz wirkt das Gegenmittel sehr gut und es gibt auch noch keine Resistenzen. „Wir sahen bislang noch keine Resistenzen. Die sind beim Trichophyton mentagrophytes VII die Ausnahme – bei einem anderen Typ, dem Trichophyton mentagrophytes VIII, ist das beispielsweise viel häufiger ein Problem.“

Ein ganz wichtiger Punkt ist, zu schauen: Mit welchen Sexualpartnern habe ich Kontakt?

Wie kann man sich schützen?

„Ein ganz wichtiger Punkt ist, zu schauen: Mit welchen Sexualpartnern habe ich Kontakt?“, sagt Prof. Norbert Brockmeyer. Er rät zur Vorsicht, wenn beim Sexualpartner Pusteln im Genitalbereich auftreten.

Ein weiterer Punkt: Eine Rasur im Genitalbereich scheint das Risiko, sich zu infizieren, zu erhöhen. Durch die Rasur entstehen winzige Verletzungen, sogenannte Mikroläsionen, die eine Infektion mit dem Trichophyton mentagrophytes, aber zum Beispiel auch mit Humanen Papillomaviren, begünstigen. Spätestens, wenn die Haut Anzeichen des Thailand-Pilzes zeigt, sollte man sich auf keinen Fall weiterhin rasieren. „Durch das Rasieren verursacht man immer wieder neue Mikroläsionen. Dadurch verteilt man die Erreger wie den Teig auf einem Kuchenblech.“

Außerdem rät der Experte zur Nutzung eines Kondoms. „Ein Kondom ist natürlich immer gut, weil es vor vielen anderen sexuell übertragbaren Krankheiten einen gewissen Schutz bietet.“ Vor dem Trichophyton mentagrophytes schützt es allerdings nur gering.


Quellen:

  • Kupsch C, Czaika A, Deutsch C et al.: Trichophyton mentagrophytes – a new genotype of zoophilic dermatophyte causes sexually transmitted infections. Deutsche Dermatologische Gesellschaft online: https://doi.org/... (Abgerufen am 16.08.2024)
  • Wendrock-Shiga, G., Mechtel, D., Uhrlaß, S. et al.: Tinea barbae profunda durch Trichophyton mentagrophytes nach Thailand-Reise. https://doi.org/... (Abgerufen am 16.08.2024)
  • Jabet A, Dellière S, Seang S, Chermak A, Schneider L, Chiarabini T, et al.: Sexually Transmitted Trichophyton mentagrophytes Genotype VII Infection among Men Who Have Sex with Men.. In: Emerg Infect Dis. 2023;29(7):1411-1414: 01.07.2023, https://doi.org/...
  • P. Nenoff , K. Schubert , R. Jarsumbeck , S. Uhrlaß , C. Krüger: Tinea genitalis profunda durch Trichophyton mentagrophytes nach Ägypten-Reise. In: Aktuelle Dermatologie 2017: 01.01.2017, https://doi.org/...
  • Nenoff P, Verma S, Ebert A et al.: Spread of Terbinafine-Resistant Trichophyton mentagrophytes Type VIII (India) in Germany–“The Tip of the Iceberg?”. In: Journal of funghi: 01.01.2020, https://doi.org/...