Logo der Apotheken Umschau

Wer auf TikTok oder Instagram unterwegs ist, kommt früher oder später nicht an ihnen vorbei: verschiedene Tools, meistens aus Stein oder Metall, mit denen die Gesichtshaut bearbeitet wird. Für glatte Haut und definierte Gesichtskonturen wird gezupft, geschabt, gerollt und massiert – anscheinend so überzeugend, dass immer mehr Firmen Jade-Roller, Gua Sha-Steine und ähnliche Helfer in ihr Sortiment aufnehmen. Wir haben bei Dr. Yael Adler, Dermatologin und Autorin (zum Beispiel „Genial Vital!“, Droemer), nachgefragt, was die Tools tatsächlich können.

Was sind Gesichtsmassage-Tools?

Geht man nach Hashtags und Suchmaschinen-Trends, ist das beliebteste Gesichtsmassage-Werkzeug der Gua-Sha-Stein. Gua Sha ist eine volksheilkundliche Methode aus Asien, bei der die Haut mit einem flachen Gegenstand schabend bearbeitet wird. Die Technik wird zur Behandlung von Krankheiten wie Kopfschmerzen oder Erkältungen verwendet. Für letzteres gibt es allerdings keine unabhängigen Studien, die bestätigen, dass die Steine dagegen tatsächlich helfen.

In den letzten Jahren hat es sich in den sozialen Medien verbreitet, flache Gua-Sha-Steine als Schönheitsmittel für das Gesicht zu nutzen – auch wenn dies so gut wie nichts mit der traditionellen Anwendung gemein hat. Eine Abwandlung sind die bekannten Gesichtsroller, die meist aus Jade oder Rosenquarz gefertigt sind und aus einer kleinen und einer größeren Walze bestehen. In dieselbe Kategorie fällt Gesichtsyoga: Hier wird das Gesicht durch gezielte Bewegungen, Griffe oder mithilfe der Tools trainiert.

Welche Wirkung sollen Gua Sha oder Gesichtsroller haben?

Glaubt man den Produktversprechen und zahlreichen Videos, sind die Gesichtsmassage-Tools echte Alleskönner. Neben kurzfristigen Effekten wie einer Steigerung der Durchblutung, einem verbesserten Lymphfluss und einem Entspannungseffekt, werden auch langfristige Wirkungen versprochen. Auf der Internetseite eines Anbieters von Beauty-Rollern werden schwammige Versprechungen wie Entschlackung oder Aktivierung der Selbstheilungskräfte, aber auch handfeste Auswirkungen gepriesen: Der Roller soll bei regelmäßiger Anwendung die Gesichtsmuskulatur stärken, nachhaltig straffend und liftend wirken.

Was bewirken Gesichtsroller und Gua-Sha-Steine tatsächlich?

Gesichtsmassage-Tools können einen kurzfristigen, positiven Effekt auf die Haut und das Wohlbefinden haben. „Wenn man geschwollene Gesichtsstrukturen hat, kann man das Gewebewasser, also die Lymphe, mit einer manuellen Therapie bewegen. Das geht mit drückenden, walzenden, schabenden, reibenden, rollenden Bewegungen, also auch mit Gua-Sha-Steinen oder Gesichtsrollern“, erklärt Dermatologin Yael Adler.

Mit Bewegungen von der Gesichtsmitte zur Gesichtsseite kann die Flüssigkeit etwas ausmassiert werden. „Das kann zum Beispiel bei der Hautkrankheit Rosazea hilfreich sein, bei der man zu Lymph-Ödemen neigt. Oder auch für die Augenpartie, wenn man nicht ganz ausgeschlafen ist oder gealterte Haut hat und zu Tränensäcken neigt.“ Dieser Effekt kann noch verstärkt werden, indem man die Tools in den Kühlschrank legt – die kühle Oberfläche sorgt dafür, dass sich die Blutgefäße kurzfristig zusammenziehen.

Auch die Durchblutung kann bei der Massage angeregt werden, sodass die Haut praller und rosiger erscheint. Das hat auch eine kleine Studie von 2018 ergeben: Eine fünfminütige Gesichtsmassage mithilfe von Beauty-Rollern regte die Durchblutung der massierten Gesichtspartie deutlich an – der Effekt hielt allerdings nur für zehn Minuten. Dieselbe Studie legt nahe, dass die regelmäßige Anwendung eines Gesichtsrollers langfristig die Gefäßerweiterungsreaktion verbessern kann. Einer der Studienautoren war jedoch bei einem japanischen Hersteller von Massage-Rollern beschäftigt und ein Teil der Studienkosten wurde durch das Unternehmen gedeckt.

Wie lange hält die Wirkung der Massage-Tools an?

Lymphdrainage, eine kurzzeitige Anregung der Durchblutung und dadurch für ein paar Minuten rosigere Haut: Die Effekte der Gesichtsmassage-Tools sind vor allem kurzfristig. Auch der Entspannungseffekt kann eine Rolle spielen. Eine Studie von 2008 konnte immerhin zeigen, dass sich Gesichtsmassagen positiv auf die Stimmung auswirken können – dabei wurden allerdings Massagen von ganzen 45 Minuten durchgeführt. „Die Tools sind schön für kurzfristige Effekte und den Wellness-Faktor. Aber egal, wie sehr die Massage-Tools im Internet gefeiert werden: Unabhängige Studien gibt es dazu nicht. Es können keine nachhaltigen Effekte festgestellt werden“, sagt Adler.

Was leisten Gua Sha und Beauty-Roller als Anti-Aging-Mittel?

Besonders die Anti-Falten-Versprechen, die oft im Zusammenhang mit Beauty-Rollern, Steinen und Gesichtsyoga gemacht werden, sieht Dermatologin Adler kritisch: „Falten entstehen dadurch, dass die Haut im Alterungsprozess ihre elastischen und Kollagenfasern sowie die Hyaluronsäure verliert. Sie leiert aus und fängt an, Fältchen zu bilden und abzurutschen“, erklärt Yael Adler. Denn nicht nur die Haut altert, sondern auch das Bindegewebe, das Fettgewebe, die Muskulatur. Es gibt Umbauprozesse und sogar der Gesichtsschädel altert. All das ist für Faltenbildung verantwortlich.

„Es ist nicht möglich, mit Gua Sha und Co. Kollagen neu aufzubauen, Hyaluronsäure in tiefere Hautschichten hineinzubringen oder elastische Fasern zu erneuern. Falten, Linien und hängende Partien bleiben, daran kann kein Massage-Tool etwas ändern“, sagt Adler. Bezeichnend ist übrigens, dass die meisten Videos, in denen Gesichts-Tools beworben werden, sowieso schon junge und straffe Haut zeigen.

Können Gesichtsmassage-Tools der Haut schaden?

Zwar haben Gesichtsroller und Gua-Sha-Steine keine langfristigen Effekte auf die Haut, für den Wellness-Faktor können sie sich aber lohnen. Dabei sollten allerdings ein paar Punkte berücksichtigt werden. „Man sollte auf jeden Fall sanft mit seiner Haut umgehen. Schäden können entstehen, wenn man zu fest aufdrückt oder die Haut überdehnt, das ist gerade bei älterer oder durch Sonne oder Kortisontherapie vorgeschädigter Haut gefährlich“, warnt die Expertin. Die Tools und das Gesicht sollten vor der Anwendung gereinigt werden, damit keine Bakterien verteilt werden. „Deshalb sollte man die Tools auch auf keinen Fall benutzen, wenn man eine akute Entzündung hat.“

Wer sie benutzt, um Hautpflege zu verteilen, sollte auf die Inhaltsstoffe achten: „Kosmetikprodukte mit Duft- oder Farbstoffen und anderen reizenden Inhaltsstoffen können durch den starken Druck und Kontakt tiefer in die Oberhaut gelangen. Wenn sie mit den Immunzellen in der Oberhaut Kontakt bekommen, kann sich eine Kontaktallergie ausbilden, deren Folge bei erneutem Kontakt zum Beispiel Rötungen, Schwellungen oder Juckreiz sein können“, erklärt Yael Adler.

Besser ohne Öl benutzen

Die Dermatologin warnt davor, Öle als Gleithilfe für die verschiedenen Massagetools zu nutzen: „Man muss wissen, dass Öl ein Reinigungsmittel ist. Es trocknet die Haut aus – gerade, wenn man es mit Gesichtsmassagetools über die Haut schiebt und es die körpereigenen Fette so auswäscht.“ Adler empfiehlt daher eher eine Gesichtscreme oder -salbe. „Ich liebe Sheabutter, am besten kaltgepresst, die ähnelt unseren natürlichen Hautfetten“, sagt Adler. „Behandelt man die Haut allerdings mit einer zu fetten Pflege, die gar nicht zum Hauttyp passt, kann man Kosmetikakne bekommen.“ Bei der Gesichtspflege gelte: Weniger ist mehr.

Lohnt sich der Kauf von Gesichtsrollern und Gua-Sha-Steinen?

Dermatologische Erkenntnisse und die begrenzte Studienlage zeigen: Gesichtsmassage-Tools können nicht einhalten, wofür sie in den sozialen Medien gefeiert werden. Sie können allerdings einen Entspannungseffekt haben und kurzfristig die Durchblutung und den Lymphfluss anregen. Ob man sich dafür ein teures Tool kaufen möchte, muss jeder selbst entscheiden.

Wichtig ist es zu wissen, dass angebliche Heilsteine wie Rosenquarz und Jade, aus denen die Tools oft gefertigt werden, häufig unter unmenschlichen Bedingungen geborgen werden. Yael Adler nutzt selbst übrigens keines der Tools – sie setzt lieber auf die entspannende Gesichtsmassage bei ihrem Physiotherapeuten oder Ehemann. „Und wenn man es trotzdem mal ausprobieren will, kann man auch einfach die Rückseite eines Löffels nutzen – oder die eigenen Finger.“

Expertinnen-Tipps für schöne Haut

Statt Gesichtsrollern und Gesichtsyoga hat Adler andere Tipps für schöne Haut: „Man sollte die Haut nicht überfrachten und ihre Biologie respektieren. Ganz wichtig ist Sonnenschutz.“ Daneben sollte man Altersbeschleuniger weglassen, also zum Beispiel Rauchen, Alkohol, Zucker, Salz, industriell verarbeitete Lebensmittel. Eine ausgewogene, pflanzenbetonte Ernährung, genug Sport und Bewegung, erholsamer Schlaf, ein guter Stressabbau und schöne, menschliche Beziehungen sorgen für ein gesundes Leben und eine schöne Haut. Und: „Die Hautdurchblutung steigt auch bei Sport, bei der Liebe, bei kalter Dusche und in der Sauna,“ so die Dermatologin.


Quellen:

  • Miyaji A, Sugimori K und Hayashi N: Short- and long-term effects of using a facial massage roller on facial skin blood flow and vascular reactivity. In: Complementary Therapies in Medicine: 01.12.2018, https://doi.org/...
  • Hatayama T, Kitamura S, Tamura C et al.: The facial massage reduced anxiety and negative mood status, and increased sympathetic nervous activity. In: Biomedical Research: 01.01.2008, https://doi.org/...
  • Wiseman, E: Are crystals the new blood diamonds?. The Guardian: https://www.theguardian.com/... (Abgerufen am 23.07.2024)