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Prof. Dr. med. Vera von Dossow ist Direktorin des Instituts für Anästhesiologie und Schmerztherapie am Herz- und Diabeteszentrum NRW der Universitätsklinik der Ruhr-Universität Bochum. Sie berichtet:

„Der Beinahefehler passierte in unserem Institut, für das ich als Direktorin verantwortlich bin. Ein über 70 Jahre alter Patient hatte einen herzchirurgischen Eingriff. Am Ende der Operation zeigte sich eine erhöhte Blutungsneigung, weshalb er das Gerinnungsmedikament Desmopressin bekommen sollte. Eine Schwester zog es auf.

Jedoch fiel der sehr erfahrenen zuständigen Ärztin auf, dass auf der in den Perfusor eingespannten Spritze „Empressin“ stand, ein kreislaufstabilisierendes Medikament – anstatt der gerinnungsaktiven Substanz, wie es im elektronischen Patientenprotokoll vermerkt war. Die Pflegekraft hatte ein falsches Medikament aufgezogen, weil der Name die gleiche Endung hatte wie der des anderen Arzneimittels. Zum Glück war die Gabe noch nicht gestartet, was eine Blutdruckkrise hätte auslösen können.

Trotz Routine wachsam bleiben

Nach dem Vorfall besprach die Ärztin das Ereignis mit der Pflegekraft. Zudem führten die Anästhesiepflegeleitung und ich mit den beiden ein weiteres Gespräch. Denn wir hatten Sorge, dass es sich um einen System- und nicht einen Einzelfehler handeln könnte. Wir haben in unserem Hochrisikosetting mit 7500 schwer herzkranken Patienten jährlich eine große Bandbreite an Medikamenten – da besteht die Gefahr von Wissenslücken. Gleichzeitig gibt es einen immer höheren Patientendurchsatz in den Operationssälen, der – auch aufgrund der Personalknappheit – zu einer hohen Arbeitsbelastung führt.

Deshalb haben wir den Fall noch einmal offen in einer größeren Gruppe besprochen. Zudem führen wir regelmäßig interprofessionelle Fortbildungen und Konferenzen durch, damit solche Verwechslungen nicht mehr vorkommen.

Wir müssen uns klarmachen: Die klinische Routine ist unser täglicher Feind. Es gilt, immer wachsam zu bleiben – und zum Beispiel Checklisten anzufertigen oder Medikamentengaben im Vier-Augen-Prinzip zu überprüfen. Dafür müssen wir alle als Teamplayer zusammenarbeiten. Außerdem bräuchte es mehr Supervision, vor allem bei Übergabeprozessen.