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Prof. Dr. med. Ferdinand M. Gerlach ist Direktor des Instituts für Allgemeinmedizin an der Goethe-Universität Frankfurt am Main. Er war bis zum Jahr 2023 Vorsitzender des Sachverständigenrats Gesundheit und ist Mitgründer des Aktionsbündnisses Patienten- sicherheit (APS). Er berichtet:

„Es war Herbst und damit Impfsaison. Wie üblich wechselte ich hin und her zwischen den Sprechzimmern der Gemeinschaftspraxis in Frankfurt, in der ich neben meiner Arbeit als Professor für Allgemeinmedizin einen Tag in der Woche im Einsatz war. In einem Zimmer wartete bereits eine freundliche ältere Frau auf ihre Influenza-Impfung. Spritze, Desinfektionsspray, Pflaster, Impfpass, alles lag bereit. So begrüßte ich die Patientin und impfte sie – ohne in den Ausweis geschaut zu haben.

Als ich anschließend die Eintragung in den Impfpass machen wollte, stockte mir der Atem, ich dachte: „Oh Gott!“ Die Patientin hatte zwei Wochen zuvor genau diese Impfung bekommen. Bei uns. Ich hatte sie also doppelt geimpft. Damals war noch nicht bekannt, dass für ältere Patienten eine höhere Dosis durchaus angeraten ist. Also überlegte ich, ob die doppelte Dosis für die Frau Anfang 70 gefährlich werden könnte. Ich sprach sofort mit ihr über meinen Fehler und war überrascht, dass sie sich gar nicht beschwerte, sondern dies einfach im Vertrauen auf mich als Arzt hinnahm.

Elektronische Patientenakte soll helfen, Medikationsfehler zu vermeiden

Der Vorfall hat sich mir eingeprägt und mich dafür sensibilisiert, wie schnell Fehler passieren. Um sie zu vermeiden, müssen wir Abläufe und Routinen immer wieder hinterfragen. Diese Impfung ist zum Glück ohne Schaden geblieben. Aber was wäre gewesen, wenn es um ein anderes Medikament gegangen wäre? Wir haben damals vor zehn Jahren den Vorfall im Team besprochen. Wie konnte das passieren? Warum kam die Patientin überhaupt ein zweites Mal?

Wir führten daraufhin für solche Routinen das Vier-Augen-Prinzip ein, sodass sowohl eine Medizinische Fachangestellte als auch ein Arzt oder eine Ärztin vor einer Behandlung die Unterlagen prüfen mussten. Die elektronische Patientenakte mit integriertem Impfausweis wird uns durch eine nahtlose, übersichtliche Dokumentation zukünftig helfen, solche Fehler zu vermeiden. Denn bis heute haben wir es in den Papierausweisen mit einem Sammelsurium an verstreuten Aufklebern zu tun.“