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Jedes Jahr sterben schätzungsweise 2.500 Menschen an Medikationsfehlern. Etwa 250.000 landen deswegen im Krankenhaus. Die finanziellen Folgen für das Gesundheitssystem: etwa eine Milliarde Euro jährlich.

Der Arzt und Gesundheitswissenschaftler Prof. Dr. Kai Kolpatzik vergleicht die Todesfälle mit denen im Straßenverkehr. „Dort werden erfolgreich Anstrengungen unternommen, um die Anzahl der Todesfälle zu verringern“, so Kolpatzik. „Auch in der Medizin müssen wir dahin kommen, über Fehler zu reden, aus Fehlern zu lernen und sie zu enttabuisieren.“

Kolpatzik ist Chief Scientific Officer (CSO) des Wort & Bild Verlags. Im Rahmen einer Podiumsdiskussion in Berlin sprach er mit Gabriele Regina Overwiening, Präsidentin der Bundesvereinigung Deutscher Apothekerverbände (ABDA), und Prof. Dr. Wolf-Dieter Ludwig, Vorsitzender der Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft, über das Thema Medikationsfehler in Deutschland – und über Lösungen, wie die Situation in Deutschland verbessert werden kann.

Wie Medikationsfehler entstehen

Gründe für Medikationsfehler gibt es viele. Kolpatzik berichtete von einem Fall, bei dem durch die Autovervollständigung der Praxissoftware auf dem Rezept unbeabsichtigt ein anderes Medikament stand, als das, was der Arzt eigentlich verordnen wollte: aus dem Zahnmedikament Fluorid wurde das Antidepressivum Fluoxetin.

In einem anderen Beispiel erhielt eine Patientin zwei Medikamente mit verschiedenen Namen, aber gleichem Wirkstoff, was zu einer Überdosierung geführt hätte. Und einem Säugling wurde wegen eines Zahlendrehers die Erwachsenendosis verschrieben. Die Fehler wurden erst in der Apotheke bemerkt und die Patienten vor einer Überdosis bewahrt.

Für ABDA-Präsidentin Overwiening zeigen diese Beispiele, welche Bedeutung die Apotheke vor Ort für die Patientenversorgung und Sicherheit haben kann. Eine Schuld an Fehlern gibt sie Ärztinnen und Ärzten aber nicht: „So etwas passiert im Eifer des Gefechts sehr schnell“, sagt sie. „Umso wichtiger ist der niedrigschwellige Zugang zu Apotheken.“

Viele neue Medikamente im Jahr

Onkologe Ludwig sieht als einen Grund auch, dass jährlich fast ein Dutzend neue Medikamente auf den Markt kommen: „Es wäre grob naiv anzunehmen, dass sich Ärzte über all diese Medikamente und ihre Nebenwirkungen informieren könnten.“

So haben Ärztinnen und Ärzte im Alltag auch selten Zeit, mögliche Wechselwirkungen mit anderen verordneten Medikamenten zu prüfen. „Darum bin ich heilfroh, dass der Interaktionscheck nicht bei mir in der Praxis, sondern in der Apotheke durchgeführt wird“, sagt Ludwig.

Was sich ändern muss

Alle Diskussionsteilnehmer waren sich einig, dass es eine neue Fehlerkultur braucht. „Wir suchen eher den Schuldigen, als die Rahmenbedingungen zu analysieren, die Fehler möglich gemacht haben“, kritisiert Gesundheitswissenschaftler Kolpatzik. ABDA-Chefin Overwiening ergänzt: „Niemand muss sich ertappt oder kompromittiert fühlen, wenn wir in den Arztpraxen anrufen. Es geht darum, dass wir zusammenarbeiten und wie man in Zukunft Fehler vermeiden kann.“

Darüber hinaus könnte auch die Digitalisierung des Gesundheitssystems die Zahl der Fehler verringern. Kolpatzik zufolge ist eine „Sicherheitskultur durch Digitalisierung schon sehbar“. So soll zum Beispiel in der elektronischen Patientenakte (ePA) in Zukunft ein Medikationsplan hinterlegt sein, um mögliche Wechselwirkungen besser zu erkennen. Wie viel sich damit verändern werde, müsse sich noch zeigen, so Kolpatzik. Aber 2025 kommt die ePA für alle. Was das bedeutet, lesen Sie hier.

Was Patientinnen und Patienten tun können

Wer sich mit seiner Medikation unsicher ist, sollte am besten Fachpersonal um Rat fragen – zum Beispiel in der Apotheke. Für einen schnellen Überblick zu möglichen Wechselwirkungen können Sie auch den Wechselwirkungs-Check der Apotheken Umschau nutzen. Den finden Sie hier. Dieser Check ersetzt aber nicht die Beratung in Ihrer ärztlichen Praxis oder Ihrer Apotheke.

Die Apotheken Umschau stellt zudem eine Checkliste zum Umgang mit Medikamenten bereit. Die Checkliste finden Sie in der Ausgabe der Apotheken Umschau, die ab 15. Juli in Apotheken ausliegt, und hier zum Herunterladen.

Patientinnen und Patienten, die mehr als fünf Medikamente einnehmen, haben zudem das Recht auf eine erweiterte Medikationsberatung in der Apotheke. Dabei handelt es sich um eine sogenannte pharmazeutische Dienstleistung.

In einem persönlichen Gespräch prüft die Apothekerin oder der Apotheker die mitgebrachten Arzneimittel auf Doppelmedikation, Interaktionen, Anwendungsprobleme und Therapietreue. Das ist eine Kassenleistung, die Sie alle zwölf Monate einfordern können. Mehr zu solchen und anderen pharmazeutischen Dienstleistungen lesen Sie hier.